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Erleben statt konsumieren

Forscher untersuchen neue Rolle von Museen

09.10.2009

Von Jan Hambura

Sie geben Einblicke in eigene und fremde Kulturen. Ihre Ausstellungen bringen den Besuchern außergewöhnliche Entdeckungen und Errungenschaften näher. Für unzählige Touristen sind sie Anlass, um die halbe Welt zu reisen. Die Rede ist von Museen. Doch diese Institutionen haben noch andere Funktionen: Museen sind unter anderem Identitätsstifter, Hochburgen des Bildungsbürgertums, Instrumente der Geschichtspolitik und moderne Erlebnisstätten von Kunst und Kultur. Drei Wissenschaftler des Instituts für Religionswissenschaft der Freien Universität Berlin forschen seit 2006 im Rahmen eines von der VolkswagenStiftung finanzierten Projekts zum Thema „Vom Imperialmuseum zum Kommunikationszentrum? Zur neuen Rolle des Museums als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und nicht-westlichen Gesellschaften.“ Das Projekt wurde gemeinsam mit dem Ethnologischen Museum und dem Institut für Museumsforschung in Berlin entwickelt.

Die Kulturwissenschaftler beleuchten die Rolle und Entwicklung von Museen exemplarisch anhand von drei Beispielen in verschiedenen Regionen der Welt. Lidia Guzy erforschte das Museum of Mankind in Bhopal (Indien), Rainer Hatoum untersuchte das Konzept des National Museum of the American Indian in Washington D.C. (USA) und Susan Kamel reiste nach Assuan (Ägypten), um dort die Konzeption des Nubischen Museums zu analysieren. Als Inspiration für die Entwicklung des Forschungsprojekts diente den Wissenschaftlern die Diskussion über das Humboldt-Forum, das in Berlins historischer Mitte auf dem ehemaligen Standort des Palastes der Republik hinter der rekonstruierten Fassade des alten Berliner Stadtschlosses entstehen soll. Dort sollen Kunst sowie Kulturen der nicht-westlichen Welt ausgestellt und vermittelt werden. Die Diskussion dreht sich vor allem darum, wie außereuropäische Kulturen im Humboldt-Forum dargestellt werden sollten.

Vor diesem Hintergrund gehen die Forscher den Fragen nach, welche Formen der Wissensvermittlung in den untersuchten Museen angewandt, wie dort fremde Kulturen dargestellt werden, und welche Rolle Museen im Zuge der Globalisierung in nicht-westlichen Gesellschaften zukommt. Um dies zu untersuchen, bereisten die Forscher die jeweiligen Länder und kooperierten mit lokalen Experten. Die drei ausgewählten Museen eint, dass sie allesamt Minderheiten porträtieren. Das indische Museum of Mankind behandelt die Geschichte und Kultur der Adivasi – der indischen Ureinwohner. Das National Museum of the American Indian in Washington D.C. präsentiert die indianische Kultur und Geschichte. Das Nubische Museum im ägyptischen Assuan zeigt die Geschichte des mehr als 2000 Jahre alten Volkes der Nubier.

Die drei Museen werden auf unterschiedliche Art und Weise genutzt: „Das Nubische Museum in Ägypten beispielsweise ist nicht nur ein Bildungsort, sondern dient den Nubiern auch als Marktplatz für den Verkauf ihres zeitgenössischen Handwerks“, sagt Susan Kamel. „Es gibt zusätzlich einen großen Außenbereich, der als Veranstaltungsort genutzt wird. Die Institution ist ein wirkliches Kulturzentrum.“ Im Museum of Mankind im indischen Bhopal dagegen lebten tagsüber Mitglieder der Bevölkerungsgruppe der Adivasi, erklärt Lidia Guzy: „Besucher sollen auf diese Art und Weise an ihrem Leben teilhaben. Abends begeben sie sich dann in ihre eigenen Häuser und Wohnungen.“

Die Forscher haben auch einen weltweiten Trend ausgemacht. „Immer öfter werden Kulturen als Kunst präsentiert“, sagt Rainer Hatoum. „Auf diese Weise werden mehr Menschen in Museen gelockt.“ Die Wissenschaftler plädieren für neue Möglichkeiten der Museumsgestaltung. Schon das Sammeln und Forschen müsse als Vermittlungsprozess verstanden werden, in den bereits früh verschiedene Öffentlichkeiten einbezogen werden sollten.

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Vom Imperialmuseum zum Kommunikationszentrum?“ sind in der Ausstellung „Museumsinseln. Zur neuen Rolle von Museen. Ein Wissen-schafft-Kunst-Projekt“ noch bis zum 4. November 2009 im Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem zu sehen ( Arnimallee 27, 14195 Berlin, dienstags bis freitags von 10.00 bis 18.00 Uhr, samstags und sonntags von 11.00 bis 18.00 Uhr). Gezeigt werden auch Fotografien des Berliner Künstlers Patrick Metzger mit Motiven aus Bhopal, Washington D.C. und Assuan.