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Don’t be Berlin?

12.10.2009

Von Dieter Lenzen

Man stelle sich vor, ein künftiger Arbeitgeber bietet jemandem einen Arbeitsvertrag an, in dem eine monatliche Vergütung von „bis zu“ 2000 Euro zugesagt wird. Niemand, der bei Verstand ist, würde so etwas unterschreiben. Genau so etwas wird aber erwartet von den Berliner Hochschulen. Sie haben fast ein Jahr verhandelt, gestritten, gerungen mit dem zuständigen Senator – um die Einführung eines sogenannten Preismodells, nach dem wissenschaftliche Leistung künftig vergütet werden soll; um die sogenannte Einstein Stiftung Berlin, weil befürchtet wurde, dass dieses Geld den Berliner Hochschulen künftig fehlen könnte Jetzt wissen wir es: Senator Nußbaum hat seinem Kollegen 33 Millionen aus der Einstein Stiftung gestrichen. Dieses Geld ist für die Hochschulen definitiv verloren. Es gab Diskussionen um tausend Kleinigkeiten, die den Vertragsentwurf aufgebläht haben, der eigentlich schlanker sein sollte als der letzte.

Die Präsidenten haben mit dem neuen Finanzsenator und dem Regierenden Bürgermeister gesprochen. Und es hieß: So soll es sein - ein bescheidener Aufwuchs zum Ausgleich der jetzigen Kosten. Dann die Ochsentour durch die akademischen Gremien, schließlich die Paraphierung durch die Präsidenten im Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Vertragspartner.

Und nun: Der Senat von Berlin ändert einseitig den Vertrag, indem eine neue Formulierung eingefügt wird: Statt der wie im paraphierten Vertrag vereinbarten konkreten Finanzzusage für die Berliner Hochschulen und Universitäten ist nunmehr überraschend lediglich noch ein Maximalwert für die Zuschüsse des Landes im veränderten Vertrag angegeben: „bis zur Höhe von“.

Der Protest der Hochschulen beim Wissenschaftssenator fruchtete nicht. Begründung: Nur beim vollständigen Erbringen aller Leistungen werde die gesamte Summe zur Verfügung stehen. Insofern: „bis zur Höhe von“. Aber wer entscheidet über die vollständige Leistungserbringung? Letztendlich der Senator. Außerdem schreibt der Parlamentarische Dienst, dass sich „für die einzelnen Hochschulen aus Paragraph 2, Absatz 1 der Verträge (darin steckt das ,bis zur Höhe von‘) ohnehin keine Rechtsansprüche auf Zuschüsse ergeben“.

Der Wissenschaftssenator konnte den mit ihm ausgehandelten Vertrag im Senat von Berlin nicht durchsetzen. Nun galt dem Wissenschaftsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses die letzte Hoffnung: dass intelligente und beherzte Abgeordnete den Spuk beenden und die ursprüngliche Fassung beschließen.

Fehlanzeige! Die Koalition hielt. Der Ausschuss folgte der Senatsvorlage.

Und nun? – Keine Unterschrift der Hochschulen? Das hieße: Keine Verträge, Rückfall in die Kameralwirtschaft des letzten Jahrhunderts, Zerstörung der Wertschöpfungskette (jeder Euro für die Wissenschaft bringt fünf Euro für die Stadt). Das hieße auch: Keine steigenden Leistungen der Hochschulen mehr, kein Exzellenzwettbewerb, keine Modernisierung, zurück in die Amateurliga. Das hieße Innovationsstopp bei allen Organisationen und Unternehmen, die auf die Berliner Wissenschaft angewiesen sind und auf sie gesetzt haben, Stellenabbau, Flucht aus der Wissenschaftsstadt Berlin just im 200. Jahr ihrer Existenz. Vielleicht bleiben dann noch ein paar Catwalks oder Seifenkistenrennen auf dem Tempelhofer Flugfeld. Good bye, Science City? Don''t be Berlin?

Der Autor ist Präsident der Freien Universität Berlin