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Je exotischer, desto besser

Stefan Weidner ist August-Wilhelm-von- Schlegel-Gastprofessor für Poetik der Übersetzung

12.10.2009

Stefan Weidner ist Übersetzer, Autor und Publizist.

Stefan Weidner ist Übersetzer, Autor und Publizist.
Bildquelle: Privat

Von Marina Kosmalla

Was lässt sich aus einer Übersetzung herauslesen? Was bleibt aus einer fremdsprachigen Poesie in der Übersetzung übrig? Welche literaturgeschichtlichen und ideologischen Kriterien spielen dabei eine Rolle? Je fremder eine Sprache und ihre Kultur sind, desto größer ist die Überbrückungsleistung des Übersetzers. Mit Sprachen, die für die meisten von uns fremd sind, beschäftigt sich Stefan Weidner, in diesem Semester Inhaber der August-Wilhelm-von-Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung an der Freien Universität Berlin.

Mit seinen Studenten wird er vor allem am Arabischen und Persischen die wechselhafte Geschichte der Übertragungen aus orientalischen Sprachen überprüfen. Aber auch alle weiteren Sprachkenntnisse, die die Studierenden im Seminar „Fremde Freiheit? Exotisches Übersetzen und die Wandlungen der Poetik jenseits des Originals“ mitbringen, sind gerne gesehen. Je exotischer, desto besser. „Im Seminar geht es mir nicht darum, den Studierenden beizubringen, wie man übersetzt“, sagt Weidner. „Zur Poetik der Übersetzung gehört für mich vielmehr: Wie kann ich eine Übersetzung beurteilen? Was wird mittransportiert an Weltanschauung, an Sprachgeschichte, an literarischem Kontext?“

Der Übersetzer, Autor, Publizist und Kritiker ist der dritte Inhaber der August-Wilhelm-von-Schlegel-Gastprofessur an der Freien Universität. Die vom Deutschen Übersetzerfonds und der Freien Universität Berlin ins Leben gerufene Professur ist im deutschsprachigen Raum die erste für Poetik der Übersetzung; sie wird jährlich im Wintersemester am Peter- Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität besetzt.

Zu seinem Schwerpunkt Arabisch kam Weidner als Jugendlicher eher zufällig: „Eigentlich wollte ich an der Kölner Volkshochschule einen Französischkurs belegen. Als ich sah, dass dort auch Arabisch angeboten wird, habe ich mich sofort dafür interessiert“, erzählt er. Inzwischen gehört Weidner zu den wichtigsten Vermittlern der arabischen Kultur in Deutschland. Nach seinem Studium der Islamwissenschaft, Germanistik und Philosophie in Göttingen, Damaskus, Berkeley und Bonn arbeitete er als freier Autor und Übersetzer in Köln. Seit 2001 ist er darüber hinaus Chefredakteur für die vom Goethe-Institut herausgegebene Kulturzeitschrift „Fikrun wa Fann /Art & Thought“. Für sein 2004 erschienenes Werk „Mohammedanische Versuchungen“ (Suhrkamp Taschenbuch) erhielt Weidner den Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg. 2007 wurde er mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung geehrt. Die Neuübersetzung des Koran, die er zurzeit konzipiert, schlägt die Brücke von der modernen Lyrik zum kultur- und religionsstiftenden Gründungstext.

Weidner charakterisiert sich als jemanden, „der selbst schreibt, der übersetzt und der über Literatur schreibt“. Ganz wie der Namenspatron der Gastprofessur, August Wilhelm von Schlegel, der philologische Forschung, eigene Dichtung und literarische Übersetzung miteinander verband.