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Eine Bühne für die Wissenschaft

12.10.2009

Wem die Worte für Gefühle fehlen, der leiht sich die Zeilen eines Gedichts oder vielleicht inzwischen eher eine Sentenz aus der Ratgeberliteratur. So schön, so treffend, so einfach kann man selbst gar nicht ausdrücken, was da an Empfindungen im Inneren grummelt. Auch die Wissenschaft will dazu beitragen, das bisweilen beglückende, oft verwirrende, manchmal auch pathologische menschliche Gefühlsleben besser zu verstehen.

Solche aktuellen Beschreibungsversuche in Szene zu setzen, war die Idee der Theater-Kuratorin Hannah Hurzig. Bei den ersten Gesprächen mit Wissenschaftlern des Clusters „Languages of Emotion“ war sie überrascht über die Unterschiedlichkeit der Ansätze, Gefühle zu analysieren, zu erklären oder zu interpretieren. „In der Alltagssprache haben wir gelernt, in einem therapeutischen Duktus über unsere Empfindungen zu sprechen“, sagt sie. „Dahinter steckt ein Optimierungsgedanke, ständig arbeiten wir an der emotionalen Verbesserung unseres Selbst. An diesem Abend im Hebbel-Theater setzen wir diese Selbstverbesserungsarbeit in Szene.“

Seit einigen Jahren bringt Hannah Hurzig vor allem mit dem Format „Schwarzmarkt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen“ Experten und Publikum miteinander ins Gespräch. Der aus der Exzellenzinitiative hervorgegangene Forschungsverbund „Languages of Emotion“ an der Freien Universität Berlin will Forschung auch außerhalb der Universität zugänglich machen. „Am Schauplatz der Intimität. Eine Phantasmagorie“ ist nun der Titel der mehrtägigen Veranstaltung, die aus dieser Zusammenarbeit entstanden ist.

An drei Abenden gibt es im Theatersaal des Hebbel am Ufer, kurz HAU, eine Art begehbare Installation, durch die sich die Zuschauer wie Jahrmarktsbesucher von ihren eigenen Gefühlen und Interessen geleitet treiben lassen und die Angebote nutzen können. Von 19.30 Uhr bis Mitternacht kann der „Schauplatz der Intimität“ jederzeit aufgesucht werden.

Welche Gefühle haben Menschenaffen? Kann man Emotionen messen? Kann man „echte“ von „falschen“ Gefühlen unterscheiden? Ein Expertenkarussell dreht sich unaufhaltsam, und Besucher können Künstler und Wissenschaftler, darunter viele Clusterforscher, beim Gespräch über diese und andere Fragen belauschen. In einem Film wird eine zeitgenössische Variation von Arthur Schnitzlers „Reigen“ erzählt, und die Zuschauer haben so Gelegenheit, das Gefühlsleben anderer zu beobachten. In Kabinetten, Logen und Gängen werden „charismatische Beratungen“ unter anderem von Dichtern angeboten.

Muss man über alle Gefühle reden? Und welche Sprache und welche Geschichten sind dabei unser Modell? Gibt es Empfindungen, die man gar nicht in Worte fassen kann? Nach einem Abend im HAU hat der Zuschauer Antworten auf diese Fragen – oder er stellt sie sich zumindest neu. nd

„Am Schauplatz der Intimität. Eine Phantasmagorie“, Hebbel am Ufer, 3. bis 5. Dezember, jeweils 19.30 Uhr bis Mitternacht, Einlass jederzeit möglich