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Sichere Lebensmittel

Veterinärmediziner wollen die Übertragung krankmachender Erreger vom Tier auf den Menschen verhindern

13.02.2010

Sie leben häufig unbemerkt in den Tieren und sind für das bloße Auge nicht sichtbar. Dennoch können sie für die Menschen gefährlich werden. Denn zahlreiche Erreger tierischen Ursprungs können auf Kinder und Erwachsene übertragen werden und sie infizieren – teilweise mit lebensgefährlichen Konsequenzen. Wie das geht? Diese Erreger sitzen nicht nur in Tieren, sondern können sich auch in tierischen Produkten wie Eiern, Milch oder Fleisch verstecken. Sie können so durch die Nahrungsmittelaufnahme in den menschlichen Körper gelangen. Dazu gehören beispielsweise Salmonellen, enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) oder Campylobacter. Um die Übertragung dieser Krankmacher zu verhindern, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit Januar 2008 unter anderem an der Freien Universität Berlin das Projekt „FBI-Zoo“ (Food-Borne Zoonotic Infections of Humans), in dem sich Wissenschaftler mit der Übertragung lebensmittelbedingter Infektionskrankheiten beschäftigen.

Im Mittelpunkt stehen dabei die sogenannten Zoonosen, also Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden und umgekehrt. „Das ist kein neues Problem, hat sich aber in den vergangenen Jahrzehnten bedingt durch unsere Art der Ernährung verschärft“, erklärt Professor Lothar H. Wieler, geschäftsführender Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Tierseuchen der Freien Universität. Schließlich gelte: Wo Tiere in großer Zahl eng beieinander gehalten werden, haben Erreger größere Chancen, sich schnell auszubreiten und viele Tiere gleichzeitig zu infizieren. Durch die häufigen Wirtswechsel verändern die Erreger ihr Erbgut. Und wenn die Produkte eines einzigen Tieres nicht nur von einer Familie, sondern – wie heute oft üblich – von bis zu 150 Menschen in unterschiedlichen Regionen gegessen werden, können die Erreger auf zahlreiche Verbraucher übertragen werden. „Das Problem ist, dass die Nutztiere durch einen Erreger häufig nur infiziert sind, aber selbst nicht erkranken“, sagt Veterinärmediziner Wieler. „Es ist daher eine große Herausforderung, die Erreger überhaupt zu entdecken.“ Hinzu kommt die große Anzahl potenzieller Keime: Allein vom Campylobacter beispielsweise, durch den in Deutschland jedes Jahr rund 100 000 Menschen vor allem an starkem Durchfall erkranken, existieren Tausende Untertypen. Nicht jeder davon ist für den Menschen gefährlich, und nicht jeder macht Menschen schwer krank.

Am Verbundprojekt „FBI-Zoo“ sind neben der Freien Universität 14 Institutionen beteiligt, darunter das Robert-Koch-Institut und das Bundesinstitut für Risikobewertung. Die mehr als 50 Mitarbeiter bestimmen in einem ersten Schritt, welche Untertypen es von vier wichtigen bakteriellen Erregern gibt. Wieler und seine Kollegen wollen erforschen, welche davon in welchen Tieren leben und welche auf Kinder und Erwachsene übertragbar sind.

Ist das einmal bekannt, sollen Diagnostikmethoden entwickelt werden, mit denen man feststellen kann, ob ein Tier oder ein tierisches Produkt mit einem bestimmten Subtyp infiziert ist. „Wir wollen diese diagnostischen Methoden soweit etablieren, dass sie in der gesamten Lebensmittelkette eingesetzt werden können“, sagt Lothar H. Wieler. Dann könnten Kontrolleure auf Bauernhöfen, in Supermärkten und Lebensmittelfabriken relativ einfach und schnell testen, ob Erreger vorhanden sind – und die Ware vom Markt nehmen, bevor Menschen daran erkranken.

Der Veterinärmediziner hält es für bedeutsam, dass auch die Verbraucher die Risiken dieser Krankheiten wahrnehmen. Immerhin sind nicht, wie vielfach angenommen, Salmonellen das größte Übel. Zwar erkranken daran pro Jahr rund 50 000 Menschen, doch selten lebensgefährlich. Durch die deutlich seltener vorkommenden EHEC-Bakterien dagegen können bis zu fünfzehn Prozent der erkrankten Kleinkinder schwere Nierenschäden erleiden. Bei bis zu fünf Prozent der betroffenen Kinder verläuft die Krankheit tödlich.

Bei diesen akuten Krankheitsfällen haben die behandelnden Humanmediziner eine wichtige Aufgabe. Denn nur, wenn Veterinär- und Humanmediziner zusammenarbeiten, kann die Bevölkerung geschützt werden. Ein weiteres langfristiges Ziel des „FBI-Projekts“ ist daher, Ärzten bei der Pflege erkrankter Menschen zu helfen.

„Es reicht nicht aus, wenn ein Arzt nur weiß, dass sein Patient einen bestimmten Erreger in sich trägt, der wiederum in einigen Fällen lebensbedrohliches Nierenversagen auslösen kann“, erläutert Wieler. Für die gezielte Behandlung wäre es besser, wenn bekannt wäre, welcher Subtyp des Erregers im Körper steckt, und welche Folgen diese Unterart für den Menschen hat. „Diese risikoorientierte Medizin steckt derzeit noch in den Kinderschuhen“, sagt Wieler. „Durch unser Projekt wollen wir beispielsweise mit einer guten Diagnostik die Voraussetzungen dafür schaffen.“