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Frühe Warnung

Forscher der Freien Universität bestimmen saisonales Sturmrisiko

13.02.2010

Als am 16. Januar 2007 warme Luftmassen aus dem Golf von Mexiko auf kalte Luftmassen aus dem Norden trafen und einen Wirbel bildeten, war das Tiefdruckgebiet „Kyrill“ geboren. Mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometern pro Stunde fegte der Orkan über Europa hinweg. Obwohl der vom Deutschen Wetterdienst alarmierte Katastrophenschutz das Personal in den Leitzentralen aufgestockt hatte, hinterließ „Kyrill“ nach nur zwei Tagen ein Bild der Zerstörung: Allein in Deutschland richtete der Sturm Schäden in Höhe von etwa einer Milliarde Euro an, knickte über 500 Strommasten um und beschädigte mehr als 1,7 Millionen Häuser. Europaweit starben durch „Kyrill“ mehr als 30 Menschen.

Stürme wie „Kyrill“ sind in unseren mittleren Breiten die Naturkatastrophen mit dem höchsten Schadenspotenzial – zerstörerischer sind nur Wirbelstürme in den Tropen. Mit einer frühzeitigen Warnung und Vorsichtsmaßnahmen vor Sturmereignissen wie „Kyrill“ könnten Schäden und Gefahren minimiert werden. Hier setzt das Projekt „Saisonale Vorhersagbarkeit von Sturmrisiko im Bereich Nordatlantik-Europa“ der Meteorologen Professor Uwe Ulbrich, Gregor Leckebusch und des Doktoranden Dominik Renggli an.

Saisonale Vorhersagen lassen sich derzeit noch nicht mit detaillierten Wettervorhersagen vergleichen, die Temperatur und Niederschlagswahrscheinlichkeit für einen bestimmten Tag und Ort voraussagen können. Derart konkrete Vorhersagen sind nur bis zu zehn Tage im Voraus möglich, da die Atmosphäre ein hochchaotisches System sei, in dem sich kleinste Veränderungen sofort bemerkbar machten, erklären die Wissenschaftler der Freien Universität. Deshalb könnten die Meteorologen auch noch keine spezifischen Stürme und ihre exakte Route Monate im Voraus vorhersagen. „Wir konzentrieren uns auf die saisonale Vorhersagbarkeit des Sturmrisikos und betreiben großraumbezogene Risikoabschätzung: Wir erforschen, ob man beispielsweise in den nächsten zwei Monaten in Norddeutschland, Nordfrankreich oder den Britischen Inseln mit einem erhöhten Sturmrisiko rechnen muss“, erklärt der promovierte Meteorologe Leckebusch.

Physikalische Grundlage für die saisonale Sturmvorhersage ist das Ursache-Wirkungs-Prinzip. Die Meteorologen untersuchen, welche Faktoren die Häufigkeit von Stürmen in der bevorstehenden Saison beeinflussen können. Zu diesen Faktoren zählen die kontinentale Schneebedeckung und vor allem der Zustand der Ozeane. Ist man in der Lage, die Wirkung dieser Faktoren korrekt zu erfassen, kann man auch Aussagen über das jahreszeitliche Sturmrisiko machen. So können schon geringe Wärmeschwankungen des Ozeans für stärkere Temperaturgegensätze oder mehr Luftfeuchtigkeit in der Atmosphäre über dem Nordatlantik verantwortlich sein und damit zu besseren Wachstumsbedingungen für Tiefdruckgebiete führen. Sehr starke Tiefdruckgebiete wiederum können zu Winterstürmen führen.

Bei frühzeitigem Hinweis auf ein erhöhtes Sturmrisiko könnten dann rechtzeitig präventive Maßnahmen eingeleitet werden. Dies ist beispielsweise für Organisationen wie das Technische Hilfswerk wichtig. Falls für eine bestimmte Jahreszeit ein erhöhtes Sturmrisiko vorhergesagt wird, können sich die Organisationen rechtzeitig mit genügend Rettungsmaterialien ausstatten, etwa mit Sandsäcken gegen Sturmfluten.

„Saisonale Vorhersagen haben jedoch auch einen sozioökonomischen Wert“, sagt Gregor Leckebusch. Wenn sich Regierungen, Unternehmen und Privatpersonen aufgrund der Vorhersagen rechtzeitig auf einen kalten und stürmischen Winter einstellen könnten, helfe das, Produkte wie Heizöl und Erdgas frühzeitig einzukaufen und damit günstiger. „Sind wiederum genügend Rohstoffe im eigenen Land, minimiert das gleichzeitig auch das Problem der Abhängigkeit etwa von russischen Erdgasimporten.“