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Brücke zwischen Freund und Feind

Historiker erforschen Beziehungen zwischen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und kommunistischen Parteien in West- und Südeuropa bis 1989

31.05.2010

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands war allgegenwärtig im Leben der DDR-Bürger: Sie betrachtete sich als die Avantgarde, unter deren politischem Wirken die Gesellschaft zum Kommunismus geführt werden sollte. Ihre Ideologie des Marxismus-Leninismus sollte den Bürgern der DDR eingeimpft werden, ihr Leben vollkommen erfassen und sie für die Ziele der Partei vereinnahmen. Auch in der Bundesrepublik war die Staatspartei der DDR aktiv, nicht zuletzt durch ihr „Schild und Schwert“, die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Dass die SED ihre Fühler auch nach anderen Staaten West- und Südeuropas ausstreckte, ist bislang weitaus weniger bekannt und kaum erforscht. Deshalb organisierten Historiker der Freien Universität vor wenigen Wochen eine Tagung, die sich den Beziehungsgeflechten zwischen der SED und den kommunistischen Parteien West- und Südeuropas widmete.

„Die DDR-Forschung war bisher sehr auf das Binnenverhältnis der beiden deutschen Teilstaaten fixiert“, sagt Arnd Bauerkämper, Professor für die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Freien Universität, „der Vergleich mit West- und Südeuropa ist noch nicht untersucht.“ Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter, Francesco Di Palma, und mit Unterstützung der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur trommelte er Wissenschaftler aus Frankreich, Großbritannien, Griechenland, Italien und Spanien zusammen – sie alle berichteten und diskutierten in den Räumen der Stiftung, was sie über die Beziehungen der SED zu den Parteien und Regierungen ihres Landes wissen.

In den Vorträgen wurde gezeigt, welche Auswirkungen die Verbindungen der SED zu den Regierungen anderer Staaten hatten, aber auch, wie sich die Beziehungen zwischen der SED und anderen sozialistischen oder kommunistischen Parteien auf die jeweilige Politik auswirkten. „In jedem Fall waren die Beziehungen der SED zu anderen gleichgesinnten Parteien in West- und Südeuropa meist asymmetrisch, weil die Kommunisten dort im Gegensatz zur SED allenfalls vorübergehend an der Regierung beteiligt waren“, sagt Bauerkämper. Im Mittelpunkt der Forschungen steht der Zeitraum zwischen 1968 und 1989, als die Niederschlagung des „Prager Frühlings“, die Entspannungspolitik und der sogenannte Eurokommunismus – die Abkehr vieler europäischer Kommunisten vom sowjetischen Sozialismus – die ursprüngliche Doktrin der Kommunisten einer ernsthaften Belastungsprobe aussetzten.

„Es ist bekannt, dass sich die SED und die PCI, die kommunistische Partei Italiens, zu ihren jeweiligen Parteitagen besucht haben“, sagt Bauerkämper, „und zwischen der kommunistischen Partei Griechenlands und der SED bestanden beispielsweise kulturelle Verbindungen.“ Auch Städtepartnerschaften zwischen Gemeinden der DDR und Kommunen Süd- und Westeuropas gab es. Aus ihren Beziehungen zu den Parteien und Regierungen anderer Staaten habe die SED keinen Hehl gemacht, sagt Bauerkämper, ganz im Gegenteil: „Vor allem in den siebziger Jahren versuchte sich die Sozialistische Einheitspartei auch gegenüber Moskau zu profilieren als Brücke und Vermittler nach West- und Südeuropa.“

Da sich die SED zunehmend um die Anerkennung anderer, auch nicht-kommunistischer Staaten bemühte, knüpfte sie Kontakte zu Regierungsvertretern West- und Südeuropas. Enge Verbindungen gab es etwa zu Großbritanniens konservativer Regierung unter Margaret Thatcher in den achtziger Jahren. Doch nicht immer war das Motiv Völkerfreundschaft: „Die britische Führungsriege war sehr an Beziehungen zur DDR interessiert, weil Großbritannien ein Interesse an einem geteilten Deutschland hatte“, sagt Bauerkämper. Thatcher sei klare Gegnerin einer Wiedervereinigung gewesen, weil diese die Kontrolle Deutschlands durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg und damit den britischen Weltmachtstatus gefährdet hätte. Außerdem habe man die Wirtschaftsmacht eines geeinten Deutschlands, die auch einen gestärkten politischen Status zur Folge hehabt hätte, gefürchtet. Die britische Labour Party nahm sogar bereits in den sechziger Jahren Kontakt zur DDR auf: „Das lag daran, dass die DDR in den Augen der Briten besser mit der nationalsozialistischen Vergangenheit umging und daran, dass man sich von der wirtschaftlich starken Bundesrepublik distanzieren wollte“, erklärt Bauerkämper.

Nachdem sich die europäischen Zeithistoriker nun vernetzt und ihr Wissen zusammengetragen haben, sollen neue Forschungsfelder erschlossen werden. Außerdem erhoffen sie sich für die nahe Zukunft Erkenntnisse darüber, zu welchen konkreten Ergebnissen die Beziehungen der SED mit den kommunistischen Parteien und Regierungsvertretern Süd- und Westeuropas im politischen Tagesgeschäft geführt haben. Die Beiträge während der Tagung haben aber bereits gezeigt, dass die Kontakte keineswegs ausschließlich auf die Spitzen-Ebene der Parteiführungen begrenzt waren, sondern trotz strenger staatlicher Kontrollen vor allem in der DDR auch von gesellschaftlichen Gruppen getragen wurden.