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Die Jagd nach dem goldenen C(o)up

Politikwissenschaftlerin der Freien Universität untersucht Sicherheit in afrikanischen Bergbauregionen

31.05.2010

Bohrungen in der Mponeng-Goldmine der multinationalen Anglogold Ashanti in Carletonville.

Bohrungen in der Mponeng-Goldmine der multinationalen Anglogold Ashanti in Carletonville.
Bildquelle: Anglogold Ashanti www.mediaclubsouthafrica.com

Die Politilogin und Afrikanistin Jana Hönke forscht zu den Sicherheitsbedingungen im südafrikanischen Bergbau. In den Jahren 2007 und 2008 war sie dafür selbst vor Ort.

Die Politilogin und Afrikanistin Jana Hönke forscht zu den Sicherheitsbedingungen im südafrikanischen Bergbau. In den Jahren 2007 und 2008 war sie dafür selbst vor Ort.
Bildquelle: Freie Universität Berlin

Das monotone Brummen der Vuvuzelas wird morgen wohl lauter als jemals zuvor aus dem Stadion Soccer City in Johannesburg schallen, wenn das Gewinnerteam dieser Fußballweltmeisterschaft die glänzende Siegertrophäe in den Himmel reckt. Nach 30 Tagen geht sie zuende, die Jagd nach dem goldenen Cup. Die Jagd nach dem Gold und anderen Edelmetallen in der südafrikanischen Erde wird jedoch auch lange nach dem Abschluss dieser Fußballweltmeisterschaft weitergehen. Mit zum Teil verhängnisvollen Auswirkungen auf Anwohner, Arbeiterschaft und Gesellschaft, wie Jana Hönke, Politologin und Afrikanistin an der Freien Universität Berlin, in ihrer Dissertation beschreibt.

Etwa 50 Kilometer nordwestlich von Johannesburg liegt der Distrikt West Rand, Teil der südafrikanischen Goldbergbauregion Witwatersrand. Seit dem späten 19. Jahrhundert wird hier in etwa 3000 Metern Tiefe nach dem wertvollen Edelmetall gegraben. Südafrika besitzt knapp 40 Prozent der weltweiten Goldvorkommen. Heute ist das Landschaftsbild um die Stadt Carltonville von den Minen international agierender, weltweit vernetzter Bergbauunternehmen geprägt.

In den Fokus ihrer Dissertation hat Jana Hönke die Sicherheitspraktiken solcher Firmen in Südafrika und im Kongo gestellt. Denn es sind wirtschaftliche Akteure wie diese Bergbauunternehmen, die in der politikwissenschaftlichen Debatte über die Verschiebung von Machtverhältnissen innerhalb eines Staates – die sogenannte Transformation von Staatlichkeit – eine immer wichtigere Rolle spielen. „Früher ist man davon ausgegangen, dass wichtige politische Entscheidungen von den offiziellen Regierungsstellen getroffen werden. Seit den siebziger Jahren ist die wissenschaftliche Debatte eher von der Idee geprägt, dass Staaten für solche Prozesse allein gar nicht mehr ausschlaggebend sind. Es gibt neue Akteure, wirtschaftlicher und politischer Natur, die unabhängig von staatlichen Behörden und Regierungen zu wichtigen Entscheidungsträgern geworden sind“, sagt Jana Hönke.

In Afrika zeigt sich diese Entwicklung besonders deutlich: „Viele Staaten sind nur vordergründig institutionalisiert. Abseits der offiziellen Ebene der Politik wie dem Parlament, dem Premierminister und dem Präsidenten werden wichtige Entscheidungen oft in einem eher informellen Bereich getroffen, der nicht immer der sehr rationalen, bürokratischen Logik eines Staates nach dem Lehrbuchverständnis entspricht“, sagt die Politologin, deren Dissertationsprojekt am Sonderforschungsbereich 700 der Freien Universität Berlin „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“ angesiedelt ist.

So ist der gesamte Bereich der Sicherheit längst nicht mehr allein in staatlicher Hand. Wie und wo Unternehmen selbst aktiv werden oder Einfluss auf staatliche Akteure nehmen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten, hat die Wissenschaftlerin genauer untersucht. „Dabei ist die Verquickung zwischen der Privatisierung von Sicherheit und der Bergbauindustrie in Südafrika besonders stark“, sagt Jana Hönke. 2007 und 2008 überzeugte sie sich davon selbst vor Ort: Sieben Monate lang war sie in den Gebieten der südafrikanischen und kongolesischen Gold-, Platin- und Kupferminen unterwegs. Im engeren Kreis um die eingezäunten Minen setzen die Firmen nach Untersuchungen der Doktorandin auf klassische Sicherheitsstrategien: Um das Gelände patrouillieren bewaffnete private Sicherheitstrupps, das Minen-Terrain und die Arbeiter werden mit Kameras überwacht.

Jana Hönke hat vor allem die Frage interessiert, „wie die Firmen außerhalb ihres ganz engen Bereichs agieren.“ Auch wenn sich seit dem Ende der Apartheid vieles für die Bevölkerung verbessert hat, bot sich der Wissenschaftlerin jenseits der gut gesicherten Firmengrenzen ein trauriges Bild: Menschen, die in Wellblechhütten leben, ohne Sanitäranlagen, Elektrizität, Zugang zu Straßen oder Gesundheitseinrichtungen. Die Kriminalitätsraten in diesen informellen Siedlungen ohne jede Infrastruktur sind die höchsten im ganzen Land. Regelrecht inflationär entstehen diese Siedlungen entlang der Gold- und Platinabbauregionen in Südafrika. Aber eine Alternative haben die Arbeiter nicht. Die durchschnittlich 835 Südafrikanischen Rand, knapp 90 Euro, die ein Minenarbeiter im Monat verdient, reichen nicht für eine Wohnung in der Stadt.

Gerade beim Problem der informellen Siedlungen werden staatliche Transformationsprozesse offensichtlich: Ist es Aufgabe des Staates, in den Slums für Infrastruktur und menschenwürdige Lebensverhältnisse zu sorgen? Oder ist das Unternehmen in der Pflicht? Wo liegt die Grenze der Zuständigkeit? „Es gibt ein Regierungsprogramm, dessen Ziel es ist, bis 2014 die Hälfte aller informellen Siedlungen unter staatliche Verwaltung zu bekommen und mit Wasser- und Strom zu versorgen. Davon ist die südafrikanische Regierung jedoch meilenweit entfernt“, sagt Jana Hönke. Gleichzeitig formiert sich eine starke Bewegung in der Bevölkerung, die die Firmen zu mehr sozialer Verantwortung heranziehen möchte. Bisher allerdings mit wenig Erfolg. Das Engagement der Unternehmen in den informellen Siedlungen beschränkt sich derzeit auf den Versuch, die staatliche Polizei zum eigenen Vorteil einzusetzen. „Die Unternehmer haben zum Beispiel ein großes Problem mit organisiertem Gold- und Kupferdiebstahl. Deshalb haben die Firmen versucht, mit lokalen Polizeistationen zusammenzuarbeiten. Oder sie haben eine Menge Geld in die Gründung einer Spezialeinheit investiert, die sich eigens um Gold- und Kupferdiebstahldelikte kümmert.“