Springe direkt zu Inhalt

Schlacke, Skelett und Sonnengott

Archäologen der Freien Universität erforschen im südlichen Brandenburg die Eisenverhüttung in der vorrömischen Eisenzeit

31.05.2010

Zufallsprodukte der Grabung: Das freigelegte Pferdeskelett verweist vermutlich auf eine Opfergabe.

Zufallsprodukte der Grabung: Das freigelegte Pferdeskelett verweist vermutlich auf eine Opfergabe.
Bildquelle: Sabrina Wendling

Die eisenzeitliche Tonscherbe zeigt einWagenrad. Es symbolisiert den Glauben der Siedler an den Sonnengott, der von Osten nach Westen über den Himmel fährt.

Die eisenzeitliche Tonscherbe zeigt einWagenrad. Es symbolisiert den Glauben der Siedler an den Sonnengott, der von Osten nach Westen über den Himmel fährt.
Bildquelle: Sabrina Wendling

Fünf Tonnen Eisenschlacke oder 300 Eimer voll: Die Archäologen der Freien Universität graben sich bei Glienick im brandenburgischenWald bis in die vorrömische Eisenzeit.

Fünf Tonnen Eisenschlacke oder 300 Eimer voll: Die Archäologen der Freien Universität graben sich bei Glienick im brandenburgischenWald bis in die vorrömische Eisenzeit.
Bildquelle: Sabrina Wendling

Der brandenburgische Wald zwischen Glienick und Groß-Schulzendorf wird nur von Füchsen, Rehen und Hasen bewohnt. Der ganze Wald? Nein, auf einer kleinen Lichtung hat ein Archäologenteam der Freien Universität sein Zelt aufgeschlagen. Die Wissenschaftler haben Schicht um Schicht das Erdreich abgetragen und sich so durch die Jahrhunderte bis in die vorrömische Eisenzeit gegraben – eine Epoche wenige hundert Jahre vor Asterix und Obelix. Ihr Fund: der älteste Nachweis für Eisenverhüttung im gesamten nördlichen Mitteleuropa – aus der Zeit zwischen dem 6. bis 1. Jahrhundert vor Christus.

Markolf Brumlich hält einen braunen Klumpen in der Hand: Er glänzt nicht, ist kein Gold wert und auch nicht schmuck – vielmehr grob und rostig. Aber er erzählt eine jahrhundertealte Geschichte: Der Klumpen ist Eisenschlacke, ein Überbleibsel aus dem Prozess der Eisengewinnung. Brumlich leitet die Grabungen des Instituts für Prähistorische Archäologie der Freien Universität. Gemeinsam mit einem Team von 15 Studierenden will er herausfinden, auf welchen Wegen die Menschen im nördlichen Mitteleuropa während der vorrömischen Eisenzeit an das Element herangekommen sind und wie sie es genutzt haben. Für die Forschung wurde eine alte Siedlung südlich von Berlin nahe des Rangsdorfer Sees bei Glienick ausgewählt.

„Bisher liegen vor allem Erkenntnisse über die Verarbeitung des Eisens vor“, sagt Michael Meyer, Professor am Institut für Prähistorische Archäologie und Leiter des Projekts, „wir wissen aber noch nicht sehr viel darüber, wie und in welchem Umfang Eisen gewonnen wurde.“ Diese Lücke soll mit dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt geschlossen werden.

Mehr als 300 Eimer haben die Archäologen bereits mit den braunen Brocken Eisenschlacke gefüllt – das entspricht dem Gewicht von fünf Tonnen. „Die Schlacke wird gewogen, dann können wir später berechnen, wie viel Eisen insgesamt in der Siedlung gewonnen wurde“, sagt Brumlich. An der Form der Schlacke lässt sich auch erkennen, ob sie aus dem Prozess der Herstellung oder der Verarbeitung des Eisens stammt.

Zwar graben die Archäologen nach Eisenschlacke, doch finden sie dabei zuweilen auch ganz andere Dinge: zum Beispiel ein Pferdeskelett. Das Tier war geradezu kunstvoll unter die Erde gelegt, nichts deutet auf eine Schlachtung hin. „Wahrscheinlich hat man das Pferd geopfert“, vermutet Brumlich, „es lag zwischen Gruben voller Eisenschlacke vergraben und sollte vielleicht Glück für die Eisenproduktion bringen.“

Auch weitere Funde geben Aufschluss über den Götterglauben der Siedler in der Eisenzeit: Auf einer Tonscherbe ist eine Verzierung zu sehen, die einem Wagenrad ähnelt. „Das Wagenrad war sicherlich ein Symbol für den Sonnengott, vergleichbar mit dem griechischen Helios“, sagt Brumlich. Dieser habe dem Glauben der Siedler zufolge die Sonne mit einem Wagen von Osten in den Westen gefahren. So scheinen sich die Menschen jener Zeit die „Wanderung“ der Sonne am Himmelszelt erklärt zu haben.

Mehr als sechs Monate haben die Archäologen in der Nähe des Rangsdorfer Sees bisher gegraben: Vier Tage pro Woche, zehn Stunden am Tag. „Ja, es war ganz schön anstrengend“, sagen die beiden Studenten Eik Jagemann und Paul Fischer, „aber es hat Spaß gemacht.“ Im Stehen, in der Hocke und auf allen Vieren haben sie die vergangenen Monate gearbeitet. Nun müssen sie sich nur noch buchstäblich in die Grabung hineinknien: Die Fundstücke werden mit anderen Quellen abgeglichen und sollen bald ein Stück Eisengeschichte schreiben.