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„Den Gründungsmythos verwandeln“

Akademischer Festakt für Professor Peter-André Alt zur Einführung in das Amt des Präsidenten der Freien Universität Berlin

31.05.2010

Feierstunde mit 700 Gästen. Der Präsident der Freien Universität Berlin, Peter-André Alt, mit seiner Ehefrau Sabine Alt und dem Kuratoriumsvorsitzenden Professor Hans-Uwe Erichsen (rechts) vor der feierlichen Amtseinführung.

Feierstunde mit 700 Gästen. Der Präsident der Freien Universität Berlin, Peter-André Alt, mit seiner Ehefrau Sabine Alt und dem Kuratoriumsvorsitzenden Professor Hans-Uwe Erichsen (rechts) vor der feierlichen Amtseinführung.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Seit dem 3. Juni ist der Literaturwissenschaftler Peter-André Alt Präsident der Freien Universität Berlin. Zur feierlichen Amtseinführung hat Alt den „produktiven Mythos“, der die 1948 gegründete Universität begleitet, beleuchtet und für die Zukunft interpretiert. Seine Antrittsrede im Henry-Ford-Bau verfolgten rund 700 Gäste, darunter der Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Professor E. Jürgen Zöllner, der Alt für sein neues Amt Erfolg und Zufriedenheit wünschte.

Die richtige Balance zwischen Wirklichkeitssinn und prognostischer Kraft — das würde er für sein neues Amt als Präsident benötigen, sagte Peter-André Alt im Max-Kade-Auditorium des Henry-FordBaus. Diese Balance herzustellen, heiße, beweglich zu sein und nicht nur am Bestehenden zu hängen, aber ebenso das Machbare im Auge zu behalten und nicht zu weit in die Zukunft zu schweifen.

Eine Herausforderung, die nicht leicht sein wird und für die Jürgen Zöllner dem neuen Präsidenten „auch aus egoistischen Gründen“ viel Erfolg wünschte – ebenso im Namen des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit. Egoistisch, weil Berlin den Erfolg der Hochschule genauso brauche wie die Universität selbst.

Unter dem Motto „Den Gründungsmythos in eine Zukunftsidee verwandeln“ spannte Alt den Bogen von der ungewöhnlichen Gründung der Freien Universität bis zu den Herausforderungen, denen sich die Hochschule in den kommenden Jahrzehnten gegenübersieht. So war die Gründung 1948, bei der „Partizipation, Dialogkultur und Gemeinschaftsgefühl“ die Eckpfeiler bildeten, nicht staatlich veranlasst, sondern von Studierenden ins Leben gerufen. Diese Herausforderungen zu meistern, gelinge nur in gemeinschaftlicher Anstrengung, mit wechselseitigem Respekt füreinander und dem Mut, institutionelle Grenzen zu überwinden. Nur so könne der manchmal „verklärte Gründungsmythos“ der Freien Universität in eine „Zukunftsgarantie“ verwandelt werden. Dass dies gelingen werde, davon zeigte sich Professor Hans-Uwe Erichsen überzeugt. „Wir haben einen neuen Präsidenten“, sagte der Kuratoriumsvorsitzende in Anlehnung an die mit weißem Rauch begleitete Papstwahl im Vatikan und brachte damit seine Freude zum Ausdruck, dass es gelungen ist, Peter-André Alt für diese Führungsposition gewonnen zu haben.

„Nur wenige Ämter im öffentlichen Sektor bieten ein solch hohes Maß an Gestaltungsmöglichkeiten“, sagte Senator Zöllner. Er freue sich auf eine neue Phase der Zusammenarbeit in seiner Funktion als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Wissenschaftspolitik.

Peter-André Alt ging in seiner Rede auf die besondere Bedeutung des Wissenschaftsstandortes Dahlem einerseits und der Lehre anderseits ein. Beides gehe aus dem Gründungsmythos der Freien Universität hervor und solle für „unser Handeln an dieser Hochschule leitend sein“.

So verfüge der „Forschungscampus Dahlem“, zu dem Alt auch die vier in Dahlem angesiedelten Max-Planck-Institute zählt, mehr als 3400 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, davon 2400 Mitglieder der Freien Universität. Geballte Expertise, die auf einem Radius von rund 1,5 Kilometern ein großes Potenzial berge.

Zukünftig sollten weitere Forschungskooperationen und gemeinsame Nachwuchsgruppen mit den Max-Planck-Instituten etabliert werden, um die „internationale Ausstrahlungskraft“ des Forschungsstandortes Dahlem zu erhöhen, sagte Alt. Auch mit der Humboldt-Universität und der Technischen Universität sowie mit anderen außeruniversitären Einrichtungen wie der Fraunhofer-Gesellschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft sollten verstärkt Kooperationen auf den Weg gebracht werden. Eine neue Kultur der Lehre zu etablieren, betrachtet Alt als dringliche Aufgabe. Dies schließe auch ein, die pädagogische Leistung der Lehrenden anhand bestimmter Normen zu überprüfen; Normen, die überhaupt erst einmal zu definieren seien. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses bleibt für ihn ein zentrales Thema. Deshalb sei die „Aufwertung der Lehre“ eine wichtige Aufgabe für das kommende Jahrzehnt, so Alt. Konkret lasse sich das Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden durch neu einzurichtende Stiftungs-, Senior- und Juniorprofessuren sowie durch vorgezogene Neuberufungen verbessern.

Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit: Die das Siegel der Freien Universität umrahmenden Werte bergen ein Versprechen. In den Leitbegriffen stecke ein Handlungsauftrag, ein „Horizont des Sollens“. Nur das Zusammenspiel der Begriffsinhalte ermögliche, was eine Universität sein müsse: „ein Ort für intellektuelle Gemeinschaft, für offenen Diskurs und produktiven Streit im ambitionierten Austausch der Gedanken“. Alt rief dazu auf, „pragmatisch und möglichkeitsoffen“ die Zukunft gemeinsam zu gestalten – ganz im Sinne des Soziologen Niklas Luhmann, der über die prinzipielle Offenheit der Dinge sagte, dass alles, „was in der Welt ist, auch anders möglich ist“.