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"Umweltpolitik sollte mehr Ehrgeiz zeigen"

Interview mit Klaus Jacob vom Forschungszentrum für Umweltpolitik

19.11.2010

Im Oktober fand am Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) der Freien Universität die „Berlin Conference on Human Dimensions of Global Environmental Change“ statt. Initiiert wurde die Konferenz, die in diesem Jahr zum zehnten Mal internationale Wissenschaftler eingeladen hatte, 2001 von Klaus Jacob, Forschungsleiter am FFU, und Frank Biermann, Professor für Politikwissenschaft und Umweltpolitik an der Vrije Universiteit Amsterdam. Die Konferenz gilt als wichtiges Forum für Fragen zum globalen Umweltwandel und wird jährlich abwechselnd von Berlin und Amsterdam ausgerichtet. Kooperationspartner sind unter anderem das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik in Bonn (DIE) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Bastienne Schulz sprach mit Klaus Jacob über die Auswirkungen des Umweltwandels auf die Gesellschaft.

Herr Jacob, im Mittelpunkt der Konferenz 2010 stand die „soziale Dimension des globalen Umweltwandels“. Was bedeutet das?

Bisher wurde der Umweltwandel in der Sozialwissenschaft überwiegend unter wirtschaftlichen Aspekten betrachtet. Das jetzige Wirtschaftsmodell aber ist an seine Grenzen gestoßen, global wie national. Denn der Umweltwandel hat natürlich Auswirkungen auf die Gesellschaften, die Menschen, die die Konsequenzen tragen müssen. Wir haben uns gefragt, wie sich politisch handeln lässt, so dass der ökologische Wandel akzeptiert und sozial ausgewogen gestaltet wird.

Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Wir haben viel darüber diskutiert, wie nach der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 nun „Rio plus 20“ aussehen kann. Dabei gab es zwei entgegengesetzte Perspektiven: Die einen befürworten einen globalen Wohlfahrts- oder Rechtsstaat, der Klimapolitik auf internationaler Ebene durchsetzt; die anderen lehnen ein solches Modell ab, weil es mit vielen Staaten – etwa den USA, China oder Indien – nicht umzusetzen sei. Abzuwarten, bis diese Länder bereit sind für konsequentere Schritte in der Klimapolitik, ist natürlich nicht sinnvoll. Ein Lösungsansatz wäre, eine Dynamik von unten zu erzeugen und zu stärken. Das bedeutet, bestehende lokale Initiativen – etwa Städte, die kohlendioxidneutral werden wollen – miteinander zu verbinden. Gleichzeitig sollten die internationalen Institutionen gestärkt und internationale Prozesse nicht ausgeblendet werden.

Wie steht es in Deutschland um konkrete Lösungsansätze?

Deutschland hat, was den ökologischen Transfer betrifft, eine gute Ausgangsposition und einen hohen Weltmarktanteil an umwelteffizienten Produkten. Das wurde auf der Konferenz einmal mehr deutlich. Leider wird hier ignoriert, dass es einen Wettbewerb mit anderen Ländern gibt – einen wirtschaftlichen und einen politischen. Um ihre Exportchancen zu erhöhen, haben andere Länder teilweise eine viel anspruchsvollere Umweltpolitik. Deutschlands Umweltpolitik sollte also ehrgeiziger und darüber hinaus strategisch mit der Außenpolitik verbunden werden. Problematisch ist beispielsweise, dass die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke den Innovationsdruck und die Marktchancen für Erneuerbare Energien mindert, oder dass die Standards zur Erzwingung von niedrigeren Kohlendioxid-Werten bei Autoabgasen abgeschwächt wurden. Auch bei der Förderung der Elektromobilität sind uns andere Länder voraus, zum Beispiel China.

Wie gehen die Menschen hierzulande mit den Auswirkungen des Umweltwandels um?

Wir sehen es: Es gehen immer mehr Menschen auf die Straße – sei es, um gegen unterirdische Kohlendioxid-Endlager in Brandenburg zu protestieren oder gegen die Lagerung von radioaktivem Abfall in Niedersachsen. Diese Proteste zeigen die Sorge in der Bevölkerung und sind ein Zeichen dafür, dass das Bewusstsein für eine notwendige Anpassung an den Klimawandel in der Bevölkerung angekommen ist. Das wirkt sich anregend auf Politik und Forschung aus: Der Druck, nachhaltige Lösungen für die Zukunft zu entwickeln, steigt.