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Ton ab, Kamera läuft… und Action, bitte!

Geheimagenten, Bösewichte und Revolutionäre: Seit Jahrzehnten dient der Campus der Freien Universität Berlin immer wieder als Filmkulisse

18.12.2010

Die stockfinstere Ihnestraße wirkt in dieser Nacht wie ausgestorben. Wo tagsüber Studierende, Mitarbeiter und Besucher den Campus der Freien Universität bevölkern, ist um diese Uhrzeit keine Menschenseele mehr unterwegs. Plötzlich zerreißen hallende Schritte die nächtliche Dahlemer Stille. In der Dunkelheit taucht ein Mann auf. Er eilt die Straße in Richtung Otto-Suhr-Institut entlang. Immer wieder dreht er sich um, scheint sich verfolgt zu fühlen. Nach wenigen Metern erreicht der Unbekannte eine Telefonzelle, tritt ein und hebt den Hörer ab. In dem Moment knallt ein Schuss – und der Mann sackt tödlich getroffen zusammen. Mord auf dem Gelände der Freien Universität? Ja – allerdings nur im 60er-Jahre-Agententhriller „Das Quiller-Memorandum – Gefahr aus dem Dunkel“.

Seit ihrer Gründung 1948 war die Freie Universität immer wieder Schauplatz nationaler und internationaler Filmproduktionen, wie im Spionage-Streifen um den Super-Agenten Quiller. Im April 1966 drehte das englische Filmteam zwei Tage lang an der Freien Universität. Vor allem der Henry-Ford-Bau wurde als Kulisse genutzt, und mit den Hauptdarstellern Senta Berger, George Segal und Sir Alec Guinness zog für wenige Tage ein Hauch von Hollywood-Glamour in die Garystraße 35 ein. Im Film ist das Hörsaalgebäude eine Schule, in der Senta Berger unterrichtet.

Warum hatte man sich für die Freie Universität als Drehort entschieden? „Dieser Film zeigt das Berlin von heute mit moderner Architektur, das ist auch der Grund, weshalb der Regisseur den Henry-Ford-Bau ausgewählt hat“, begründete Aufnahmeleiter Klaus Gotthardt die Wahl der Drehkulisse in seiner damaligen Anfrage an das Präsidium.

Auf dem Campus der Freien Universität wurden aber nicht nur Helden wie der US-Geheimdienstler Quiller filmisch in Szene gesetzt. Auch niederträchtige Bösewichte hatten in Dahlem ihren großen Auftritt. Wie das größenwahnsinnige Genie Dr. Mabuse. Der Berliner Produzent Artur „Atze“ Brauner hatte sich 1962 mit seiner Firma „CCC-Film“ an das Präsidium der Universität gewandt und um Drehgenehmigung für den Spielfilm „Das Testament des Dr. Mabuse“ gebeten. Für eine Szene des Films, in der ein Professor Studierenden die Anatomie des menschlichen Gehirns erklärt, wurde ein Hörsaal gesucht – und 100 Studierende, die als Komparsen wirken sollten. Die Drehanfrage wurde genehmigt. Am 2. Juni 1962 begannen um 7.00 Uhr morgens die Aufnahmen in der Königin-Luise-Straße im damaligen Anatomischen Institut. 16 Monate später kehrte Produzent „Atze“ Brauner noch einmal für ein Filmvorhaben an die Freie Universität zurück: Im „Audimax“ im Henry-Ford-Bau drehte der Produzent am 4. Oktober 1963 Szenen des Krimis „Der Henker von London“.

Artur Brauners Dreharbeiten waren allesamt reibungslos abgelaufen. Das traf jedoch nicht auf alle an der Freien Universität umgesetzten Produktionen zu, von denen in diesem Artikel nur die spektakulärsten erwähnt werden können. Teilweise waren bereits die Drehtage in Dahlem so spannend wie das filmische Endprodukt. Besonders turbulent ging es bei den Aufnahmen zum Fernsehfilm „Alma Mater“ zu. Angesichts des Plots war das eigentlich nicht anders zu erwarten: 1968/69, auf dem Höhepunkt der bundesweiten studentischen Proteste, thematisierte die umstrittene TV-Produktion das Gewaltpotenzial der Bewegung – und goss damit Öl ins Feuer, wie die heftig entbrannten Diskussionen nach der Uraufführung des Films belegen.

Drehbuchautor Dieter Meichsner, selbst Gründungsstudent der Freien Universität, sah sich bei den Dreharbeiten an seiner „Alma Mater“ gemeinsam mit Regisseur Rolf Hädrich unzähligen Schwierigkeiten ausgesetzt. Im Juli 1969 mussten die Aufnahmen in der Garystraße 21, der damaligen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, abgebrochen werden. „Unbekannte bespritzten die Filmgruppe mit einem Feuerwehrschlauch und warfen Gipspulver“, schrieb ein Professor dem damaligen Rektor der Universität. Bereits fünf Tage zuvor hatte das Filmteam versucht, in der Boltzmannstraße 3 zu drehen – auch hier mit wenig Erfolg. „Zu den eigentlichen Dreharbeiten sind (…) wir an dem Tag nicht mehr gekommen (…). Der damalige AStA (…) forderte uns auf, erst einmal mit ihnen über a) das Drehbuch zu diskutieren und b) die Forderung, täglich DM 1000 an das Sozialistische Zentrum zu zahlen“, erinnerte sich ein Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks in einem Schreiben an den Universitätspräsidenten. Doch schließlich wurden – allen Widerständen zum Trotz – auch die Dreharbeiten für den Film „Alma Mater“ erfolgreich zu Ende gebracht. Mit dem Abzug der Kameraleute, Schauspieler und Maskenbildner verwandelte sich das Filmset wieder zurück in die Freie Universität. Zumindest so lange, bis es das nächste Mal wieder auf dem Campus heißt: „Ton ab, Kamera läuft … und Action, bitte!“