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Erforschen, was die Welt im Innersten zusammenhält

Das deutsch-russische Strahlrohr wurde vor zehn Jahren erbaut – „Eine weltweit einmalige Kooperation“

23.05.2011

Im Zentrum, des deutsch-russischen Labor in Adlershof, wird ein Strahlrohr für weiche Röntgenstrahlung betrieben.

Im Zentrum, des deutsch-russischen Labor in Adlershof, wird ein Strahlrohr für weiche Röntgenstrahlung betrieben.
Bildquelle: Eckart Rühl

Von Sven Lebort

Dass Röntgenstrahlung weich sein kann, dass ein Strahlrohr ein hoch begehrtes Forschungsinstrument ist und dass deutsch-russische Zusammenarbeit nicht nur auf dem Papier, sondern gerade in der Praxis eine sehr gewinnbringende Angelegenheit darstellt, das erfährt, wer zu Eckart Rühl kommt. Der Professor für Physikalische Chemie an der Freien Universität Berlin gerät unversehens ins Schwärmen, wenn er vom deutsch-russischen Labor spricht, das in seinem Zentrum ein Strahlrohr für weiche Röntgenstrahlung betreibt. Das Strahlrohr, ein Gerät zur Erforschung der atomaren Struktur von Stoffen, wird in diesem Jahr zehn Jahre alt. Es steht an der Strahlungsquelle „BESSY-II“ in Adlershof und wird betrieben von der Freien Universität als federführendem Gründungsmitglied sowie von weiteren deutschen und russischen Universitäten und Instituten.

Mithilfe der Röntgenstrahlung erforschen Wissenschaftler aus beiden Ländern dort, wie die atomare Struktur eines Stoffes aufgebaut ist, wie weit die Atome voneinander entfernt liegen, wie sich die Elektronen um die Atomkerne anordnen und wie schnell Prozesse innerhalb der Stoffe ablaufen. Vor allem für Physiker und Chemiker sind diese Versuche von großer Bedeutung, aber auch für Biologen ist die Anlage nützlich. „Diese Versuche mit Synchrotronstrahlung spielen in der Material- und Grundlagenforschung eine sehr große Rolle“, sagt Eckart Rühl. Der Physiknobelpreis 2010 etwa wurde für Fortschritte in der Erforschung von Graphenen verliehen – das sind spezielle Kohlenstoffverbindungen, über die ohne Synchrotronstrahlungs-Versuche weit weniger bekannt wäre.

Entsprechend groß ist der Andrang der Forscher auf das Labor. Doch die Anlagen sind teuer, nicht nur in der Anschaffung, sondern auch in den Betriebskosten. Das deutsch-russische Strahlrohr in Adlershof wurde zunächst mit Lottogeldern aufgebaut. Mit Mitteln des Bundesforschungsministeriums konnte es komplettiert werden, derzeit wird es umfassend ausgebaut. Ziel ist es, künftig mit 1000-fach höherer Leuchtdichte noch mehr Details aus noch stärker verdünnten Proben herauszufiltern.

Maximal eine Woche Zeit haben die Forscher jeweils am Gerät zur Verfügung. Ihre Proben bringen sie mit, und sie werden von einem Mitarbeiter des Strahlrohr-Teams wissenschaftlich betreut. Mit den Messdaten im Gepäck reisen die Wissenschaftler zur Auswertung wieder nach Russland oder an ihr deutsches Institut zurück. Um Messzeit am Strahlrohr muss man sich bewerben. Die Nachfrage ist zwei- bis dreimal so hoch wie die Kapazität, daher wählt eine Expertenkommission die wissenschaftlich interessantesten Projekte aus. Die Zusammenarbeit sei „weltweit einmalig“, sagt Rühl stolz und verweist auf mehr als 250 Publikationen in renommierten Fachmagazinen, deren Resultate auf Arbeiten im deutsch-russischen Labor zurückgehen.

Natürlich gibt es auch in Russland Synchrotronstrahlung und Strahlrohre, doch das Besondere am Berliner Projekt sei die Kooperation. „Die Expertise auf diesem Gebiet ist in beiden Ländern sehr hoch, daher ist auch der wissenschaftliche Gewinn enorm“, sagt Eckart Rühl. Manchmal liefere die eine Seite die Theorie und die andere übernehme das Experiment, um die Theorie zu belegen. Manchmal stellten die Russen die Proben her, und die Deutschen untersuchten sie. Und häufig planten und experimentierten Wissenschaftler beider Länder gemeinsam.