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Tierisch viel zu tun mit kleinen Patienten

Veterinärmediziner der Freien Universität stärken den deutsch-russischen Austausch in Wissenschaft und Praxis

15.08.2011

An künstlichen Präparaten übten sich internationale Studierende und praktizierende Tierärzte bei einem Workshop darin, Knochenbrüche zu versorgen.

An künstlichen Präparaten übten sich internationale Studierende und praktizierende Tierärzte bei einem Workshop darin, Knochenbrüche zu versorgen.
Bildquelle: Uwe Leinen

In der Klinik für Kleine Haustiere der Freien Universität herrscht rege Betriebsamkeit: Hunde bellen, Menschen in weißen Kitteln eilen durch die Gänge, es riecht nach Tierfutter. Irina Medvedeva hat alle Hände voll zu tun. Im Labor der Klinik bereitet sie eine Medikamentendosis für einen erkrankten Schäferhund vor. Gleich steht außerdem die Operation eines weiteren tierischen Patienten an, den Medvedeva in Narkose versetzen wird. „Es gibt hier wahnsinnig viel zu tun“, sagt die Russin, die in St. Petersburg an der Staatlichen Akademie Veterinärmedizin studiert hat. Im September vergangenen Jahres kam sie nach Deutschland, um an der Freien Universität zu promovieren.

Den Arbeitsalltag eines Veterinärmediziners lernt sie an der Tierklinik in Düppel nun zum ersten Mal kennen: „Mein Studium in Russland vermittelte vor allem theoretische Grundlagen, hier sammle ich jetzt endlich praktische Erfahrungen“, sagt die 27-Jährige. Während ihrer Zeit als Doktorandin durchläuft sie mehrmals die verschiedenen Abteilungen und Schichtdienste der Kleintierklinik, sie hilft bei Notfällen, entnimmt Blutproben, verordnet Medikamente. Fünf Wochen hektischen Klinikalltags wechseln sich ab mit vierzehntägigen Phasen, in denen sie sich ganz ihrer Doktorarbeit über Komplikationen in der Weichteilchirurgie widmen kann. Zudem strebt Medvedeva wie viele Promovenden der Kleintierklinik einen Abschluss in dem internationalen Masterstudiengang „Small Animal Science“ an. Der Studiengang ist international anerkannt und wird in der Fachwelt zuweilen noch höher gewertet als der Titel „Deutscher Fachtierarzt“.

Deutsch hat Irina Medvedeva in einem Vorbereitungskurs in Berlin gelernt: „An meiner Universität in Russland ist vielen Studierenden gar nicht bewusst, dass sie ins Ausland gehen könnten“, sagt sie, „hier in Europa bieten nahezu alle Universitäten Austauschprogramme wie Erasmus an, sodass die internationale Atmosphäre mit Kommilitonen aus verschiedenen Ländern zum Studienalltag gehört“. Sprachkenntnisse seien eine wesentliche Grundlage für den wissenschaftlichen Austausch sowie für ein Studium oder die Promotion in Deutschland, betont Professor Leo Brunnberg, geschäftsführender Direktor und Dekan des Fachbereichs Veterinärmedizin.

 

An der Kleintierklinik in Düppel betreut er seit Ende vergangenen Jahres zwei russische Doktorandinnen und setzt damit einen von mehreren Punkten in die Tat um, die im Januar 2010 in einem Vertrag zwischen der Staatlichen Akademie für Veterinärmedizin St. Petersburg und dem Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität festgehalten wurden. Dieser Vertrag ergänzt die allgemeinen Kooperationsvereinbarungen zwischen der Staatlichen Universität St. Petersburg und der Freien Universität, die bereits seit den 1960er Jahren bestehen. Der Studierenden- und Wissenschaftleraustausch ist ebenso Bestandteil des Übereinkommens wie gemeinsame Konferenzen, Unterrichtsprogramme oder kulturelle Projekte.

„Die russische Veterinärmedizin hat ihren Schwerpunkt in der Wissenschaft, die Praxis ist nicht mit den Bedingungen in Deutschland zu vergleichen“, sagt Brunnberg, „der Markt dort folgt eigenen Regeln.“ Seiner Erfahrung nach halten vor allem gut situierte Menschen in den Metropolen wie Moskau und St. Petersburg Haustiere. Manche von ihnen kommen für tierärztlichen Rat sogar bis nach Berlin. „Die russischen Veterinärmedizin-Professoren finanzieren ihren Lebensunterhalt über Nebenjobs, weil sie ungefähr so viel verdienen wie die Doktoranden bei uns“, sagt Brunnberg. „Es existieren außerdem kaum Kontakte und Kooperationen zwischen Universitäten und der Industrie, wie es bei uns der Fall ist.“

Die Veterinäre der Freien Universität helfen den Partnern in Russland beim Ausbau der Strukturen und geben ihr Fachwissen weiter: Im Rahmen mehrerer Vorträge und Konferenzbesuche in russischen Städten, darunter St. Petersburg, Moskau und Sotschi am Schwarzen Meer, setzte sich Brunnberg für den wissenschaftlichen Austausch ein. Es gibt aber auch eine ganz handfeste Unterstützung. „Wir haben uns entschlossen, der Akademie für Veterinärmedizin in St. Petersburg neben den Fortbildungen auch technische Ausrüstung wie Computerhardware und unsere Kliniksoftware zur Verfügung zu stellen“, sagt der Professor. Zusätzlich zu längerfristigen Studien- und Forschungsaufenthalten können russische Studierende auch für einzelne Kurse an die Freie Universität kommen.

Auf große Resonanz stieß etwa ein mehrtägiger Workshop in Düppel über die Grundlagen und Techniken der Behandlung von Knochenbrüchen bei Hunden und Katzen. Internationale Studierende und praktizierende Tierärzte übten sich dabei gemeinsam mit deutschen Studierenden darin, verschiedene Arten von Frakturen an künstlichen Knochenpräparaten zu versorgen.

Für eine russische Delegation von Dozenten und Studenten aus Moskau hat Brunnberg nun auch die Teilnahme an einem Kongress der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft organisiert, der im Herbst in Berlin stattfinden wird. Eine Gelegenheit, durch die womöglich weitere russische Studierende den Weg an die Kleintierklinik in Düppel finden.