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Auf den Notfall vorbereitet

Workshop des Forums Öffentliche Sicherheit

14.10.2011

Hunderttausende Todesopfer forderte im Januar 2010 das Erdbeben auf Haiti. Ebenso viele Menschen wurden im Frühjahr dieses Jahres nach den heftigen Erdstößen in Japan und dem Reaktorunglück in Fukushima obdachlos. Die Medien bringen die Natur- und Umweltkatastrophen dieser Welt direkt ins Wohnzimmer. Und werfen Fragen auf wie: Hätte man das Ausmaß der Katastrophen vorhersehen oder wenigstens deren Auswirkungen auf die Bevölkerung mildern können? Wo lag der „Fehler im System“? Wie können gefährdete Regionen besser auf den Ernstfall vorbereitet werden?

Im Rahmen des Workshops „Naturereignisse und Naturkatastrophen“, der am 14. und 15. November 2011 vom Forschungsforum Öffentliche Sicherheit der Freien Universität im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages veranstaltet wird, gehen Wissenschaftler, Politiker und Praktiker aus der Sicherheits- und Katastrophenforschung diesen Fragen nach.

Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Forum bearbeitet seit zwei Jahren Fragen der Öffentlichen Sicherheit – Natur- und Umweltkatastrophen sind nur ein Aspekt davon – und ist damit ein zentraler Ansprechpartner in Deutschland.

Geht es beispielsweise um Naturereignisse, ist nicht nur das Wissen von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren gefragt, sondern auch der „Input“ aus den Sozialwissenschaften. „Es gibt eigentlich nur soziale Katastrophen“, erläutert Lars Gerhold, promovierter Psychologe und wissenschaftlicher Koordinator des Forums. „Denn Erdbeben, Hurrikans oder Tsunamis sind zunächst einmal nichts weiter als Natur- oder Wetterphänomene. Erst wenn sie auf den sozialen Raum des Menschen treffen, kann daraus eine Katastrophe werden.“

Der Soziologe Wolf Dombrowsky, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Forums und Professor an der privaten Steinbeis-Hochschule in Berlin, ergänzt: „Der Mensch befindet sich in einem Stoffwechselprozess mit der Natur. Nicht die Natur bewirkt Schlimmes, sondern der – schlechte – Metabolismus des Menschen mit der Natur.“

Am Beispiel Haitis, das permanent von Erdbeben bedroht werde, könne man gut sehen, wie verheerend sich dies auswirke: Das Land sei in keiner Weise auf ein Erdbeben vorbereitet gewesen – weder in Bezug auf die Bauweise der Gebäude noch auf ein funktionierendes Nothilfe- und Rettungssystem. Schuld an diesem „schlechten Stoffwechsel“ sei das Versagen der politischen Führung, das in Haiti zu einem korrupten System, zu Armut und Kriminalität geführt habe.

„Einen recht ‚guten Stoffwechsel' findet man dagegen in Japan“, sagt Dombrowsky. „Gerade weil die Japaner so vorbildhaft mit Naturkatastrophen umgehen und stets den Ernstfall proben, ist das Land, gemessen an dem, was im März passiert ist, noch glimpflich davongekommen.“

Das Forschungsforum ist Partner des kürzlich gestarteten Forschungsprojekts „Wexicom“, in dessen Fokus Extremwettervorhersagen stehen. Am Beispiel des Großraums Berlin wird untersucht, wie man Bevölkerung und Institutionen im Ernstfall besser informieren kann.

Das von Uwe Ulbrich, Professor am Institut für Meteorologie der Freien Universität, koordinierte Projekt wird in Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst ausgeführt. Zwar zählt Deutschland weltweit zu den sichersten Regionen. Dessen ungeachtet können Stürme oder Überschwemmungen hohe Sach- und Personenschäden verursachen, auf die sich Bevölkerung und Institutionen von den Berliner Verkehrsbetrieben bis zur Polizei einstellen müssen.

Ein anderes Projekt beschäftigt sich mit „Ernährungsnotfallvorsorge“: Wie lässt sich die Versorgung der Bevölkerung bei einem längeren Stromausfall oder während einer schweren Epidemie aufrechterhalten?

Das Forum Öffentliche Sicherheit erarbeitet Einschätzungen und Empfehlungen für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Im wissenschaftlichen Beirat sind renommierte Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen vertreten, im strategischen Steuerungskreis je ein Vertreter der fünf Bundestagsfraktionen, des Bundesforschungs- und des Bundesinnenministeriums sowie des Vereins Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit. Die gebündelte Expertise in Berlin hat im Oktober Zuwachs bekommen: Die Katastrophenforschungsstelle, bislang an der Uni Kiel beheimatet, hat nun ebenfalls an der Freien Universität ihren Sitz.

Im Internet:

www.sicherheit-forschung.de