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Die Freiheit der Forschung sichern

Internationale Tagung an der Freien Universität

12.12.2011

Wer bestimmt künftig, was geforscht wird? Die Politik, die Wirtschaft oder die Wissenschaft? Wird der Druck, den Politik und Gesellschaft auf die Wissenschaft ausüben, zur Herausbildung gezielter Themenschwerpunkte führen – und damit die Freiheit der Forschung einschränken? Über Möglichkeiten und Grenzen der Forschungsplanung diskutierten 155 Teilnehmer der international besetzten Tagung „Planning Research for the Future?“ an der Freien Universität Berlin.

Die Stimmung unter den Wissenschaftlern war angeheizt: Wenige Tage vor der vom Center for Cluster Development (CCD) der Freien Universität organisierten Tagung hatte die Europäische Kommission die Universitäten in einer Mitteilung aufgefordert, die Zahl der Hochschulabgänger und „die Qualität der Humankapitalentwicklung arbeitsmarktgerecht“ zu steigern und die Bildung zu internationalisieren.

Für Carsten Dreher, Professor für Innovationsmanagement am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität und Direktor des CCD, ist diese Rollenreduzierung problematisch: „Damit weist die Kommission den Universitäten eine Rolle ausschließlich als Ausbilder und Zulieferer von qualifiziertem Personal für Unternehmen zu“, kritisiert er. „Universitäten als eigenständig forschende Einrichtungen kommen in dem Papier so gut wie nicht mehr vor.“ Die Tagung wollte Carsten Dreher daher als Beitrag verstanden wissen, der politischen Debatte mit Ideen aus der Wissenschaft zu begegnen. Unter den Teilnehmern, von denen fast ein Drittel aus dem Ausland kam, waren unter anderem Arthur Bienenstock, persönlicher Berater von US-Präsident Barack Obama in Wissenschaftsfragen, und Xiaonan Cao von der Weltbank.

Im Fokus der Tagung standen die deutsche und europäische Perspektive. Welche Anforderungen müssen Universitäten gegenüber ihren Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern erfüllen? Welche Rolle können Stiftungen spielen? Und beeinflussen sie mit ihren Zahlungen die Forschungsagenda? Wie eigenständig können und sollen Universitäten Forschung planen, und welchen Einfluss hat die Wirtschaft?

Ein besonderer Schwerpunkt lag auf dem Potenzial, das sich aus der Internationalisierung der Forschungsverbände ergibt: „Wir unterschätzen noch immer, wie sehr die Forschung außerhalb der Vereinigten Staaten, Japans und Europas in Zukunft die Welt der Wissenschaft mitprägen wird“, sagte Dreher.

Als Vertreter der Europäischen Kommission diskutierten zunächst Stefaan Hermans, Referatsleiter in der Generaldirektion für Forschung und Innovation, mit Gästen aus Politik und Forschung. Anschließend tauschten sich Obama-Berater Bienenstock, Xionan Cao von der Weltbank, Rongping Mu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften sowie Forscher aus Indien, Brasilien und Singapur über ihre Strategien aus, den Forderungen aus der Politik an die Forschung zu begegnen. Dabei verwies Stefaan Hermans darauf, dass der Beschluss der EU-Kommission nicht in dieser Ausschließlichkeit zu interpretieren sei, sondern dass durchaus auch eine gestalterische Rolle der Universitäten in der Forschung vorgesehen sei. Arthur Bienenstock sah im absoluten Forschungsbezug der privaten US-amerikanischen Universitäten einen Vorteil.

„Da treffen sehr unterschiedliche Kulturen aufeinander“, sagte Dreher, „aber der Austausch kann auch dabei helfen, Lösungen für eigene Probleme zu finden.“ Andere Länder, andere Sitten: In Brasilien etwa wird die Forschung gestärkt, indem ein Prozent aller Steuereinnahmen wissenschaftlichen Einrichtungen zur freien Verfügung gestellt werden. Indien investiert pro Jahr eine Milliarde US-Dollar in die Forschungskooperation mit internationalen Partnern, die meisten stammen aus der südlichen Hemisphäre.

Deutsche und europäische Universitäten kämpften dagegen noch immer gegen Sparzwänge, sagte Dreher; davon betroffen seien vor allem Institute, an denen die Wirtschaft wenig Interesse zeige. „Wir müssen den Utilitarismus wieder etwas zurücknehmen“, betonte Dreher und nannte als Beispiel die Kultur- und Sozialwissenschaften: „Dort werden grundsätzliche Fragen erforscht, die unsere Gesellschaft betreffen. Und auch wenn sich die Ergebnisse nicht immer absehbar ökonomisch auszahlen, liefern sie einen wichtigen Beitrag für die Lösung von Problemen unserer Gesellschaft.“