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Kerstin Leitner

Mit 30 Jahren Arbeitserfahrung bei den Vereinten Nationen kehrte Alumna Kerstin Leitner an die Freie Universität zurück, um ihre Erfahrungen an Studierende weiterzugeben.

04.01.2018

Zuletzt war Dr. Kerstin Leitner als Beigeordnete Generaldirektorin der WHO tätig

Zuletzt war Dr. Kerstin Leitner als Beigeordnete Generaldirektorin der WHO tätig
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Dr. Kerstin Leitner promovierte 1975 am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft. Drei Tage später trat sie ihren Dienst für die Vereinten Nationen an, für die sie 30 Jahre tätig war. Nach ihrer Rückkehr nach Berlin 2005 gab sie am Otto-Suhr-Institut ihre internationalen Berufserfahrungen an Studierende weiter. Nun möchte sie einen Schritt weitergehen und ein Stipendienprogramm für Studierende ins Leben rufen, deren Heimatländer ihr Leben besonders bereichtert haben.

Was ist Ihnen aus Ihrer Zeit an der Freien Universität besonders in Erinnerung geblieben und was haben Sie hier gelernt?

Während meines Studiums haben drei Ereignisse eine nachhaltige Wirkung auf meinen weiteren Lebensweg gehabt. Das erste Ereignis war der gewaltsame Tod Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967. Ich war im April von Freiburg im Breisgau nach Berlin gekommen, um mein Studium fortzusetzen. Am 3. Juni sollte die Immatrikulationsfeier für die neu eingeschriebenen Studierenden stattfinden, aber als ich zum Henry Ford Bau kam, war dieser verschlossen. Unter den dort Wartenden kursierte das „Gerücht“, dass am Vorabend bei den Demonstrationen gegen den Shah von Persien ein Student von einem Polizisten erschossen worden sei, und deshalb die Feier abgesagt wurde. Wir konnten es nicht glauben, dass solche polizeiliche Gewalt in Berlin passiert sein sollte, 22 Jahre nach dem Kriegsende und dem Ende der Naziherrschaft. Ratlos zog ich von dannen, ging aber wenige Tage später zum Justitiar der britischen Besatzungsmacht (unter dem Vorwand einer Seminararbeit über gewaltfreien Widerstand bei Prof. Ossip Flechtheim am OSI) und beklagte mich bitterlich über die nachlässige Aufsicht der Besatzungsmächte, die solche Polizeigewalt zuließen, die in Großbritannien undenkbar sei. Der Pfeife rauchende britische Beamte, der mich empfing, gab mir indirekt recht und informierte mich, dass die drei westlichen Besatzungsmächte im Gespräch seien über eine Polizeischulung der deutschen Polizisten. Diese Erfahrung lehrte mich, bei Missständen an die zu wenden, die etwas verändern können, um Wiederholungen zu vermeiden.

Das zweite Ereignis war ein Seminar am Friedrich Meinecke Institut über den Versailler Vertrag von 1919. Lautstark hatten wir in einer Gruppe die Ansicht vertreten, dass der Vertrag von wirtschaftlichen Interessen bestimmt war. Der Seminarleiter, Prof. Diekmann, forderte uns auf, diese Behauptung zu belegen. Guter Rat war teuer. Aber dann sahen wir uns die Delegationslisten an, und sahen, dass Führungskräfte von namhaften Firmen die Politiker aus Frankreich, Großbritannien und den USA begleiteten. Als wir darüber referierten, reagierte Prof. Diekmann mit Anerkennung, und gab zu, dass er sich diese Listen noch nie näher angesehen hatte. Aus dieser Erfahrung habe ich gelernt: Belege Behauptungen, und zolle denen, die es mit Fakten und Wissen tun, die nötige Anerkennung.

Das dritte Ereignis war die Teilnahme an einem Seminar der Kritischen Universität am OSI. Frustriert über veraltete Formen der Lehre organisierten wir in Studentengruppen mit Hilfe wissenschaftlicher Assistenten unsere eigenen Seminare, meistens über Themen des Kolonialismus und Imperialismus. Diese Erfahrung motivierte mich über die Entwicklung im postkolonialen Kenia zu promovieren, und um eine Sondergenehmigung zu ersuchen, meine Doktorarbeit 1975 in englischer Sprache einzureichen. Ich bekam die Genehmigung und reiste zwei Tage nach meinem Rigorosum nach Westafrika aus, um eine Stelle bei den Vereinten Nationen anzutreten. Diese Entscheidung führte zu einer Tätigkeit bei den Vereinten Nationen, die 30 Jahre dauerte und mich von Afrika nach China, New York und Genf führte. Meine akademische Ausbildung an der FU gab mir das intellektuelle und moralisch-ethische Rüstzeug bei den Vereinten Nationen eine erfolgreiche Karriere zu verfolgen zu einer Zeit, wo dies als Deutsche und als Frau keineswegs selbstverständlich war.

Wenn ich meiner Uni zum 70. Geburtstag etwas schenken dürfte,…:

Stipendien für Studentinnen aus Afrika und den Inlandprovinzen Chinas