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Fassadensanierung Boltzmannstraße 3

09.02.2022

Nordfassade

Nordfassade
Bildquelle: Adrian Schulz Architekturfotografie

Planung: seit 2017

Bauzeit: April 2018 – September 2021

Bausumme: insgesamt 2.810.000,- EUR

Flächen: Projektfläche 1. BA: ca. 2.750 m2 Fassadenfläche

Bauherr: Freie Universität Berlin

 

Objektplanung:

BEHLESJOCHIMSEN& Gesellschaft von Architekten mbH BDA

Tragwerksplanung:

Peter-Burckhard Baron

 

Projektbeschreibung:

Das heutige Instituts- und Verwaltungsgebäude des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Freien Universität Berlin in der Boltzmannstraße 3 in Berlin Dahlem war eines der Gründungsgebäude der „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft“ (dem Vorgänger der heutigen Max-Planck-Gesellschaft) und wurde 1914-15 als „Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie“ errichtet. Es ist den Architekten Ernst von Ihne und Max Guth zuzuschreiben und wird heute in der Denkmalliste Berlin als Bestandteil des Ensembles „Campus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und der Freien Universität Berlin“ sowie zusätzlich als Einzeldenkmal geführt.

An das neu gegründete „Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie“ wurden als Gründungsdirektoren der Pflanzengenetiker Carl Erich Correns, der maßgebliche Anteil an der modernen Vererbungslehre hatte, sowie der Zoologe und spätere Nobelpreisträger Hans Spemann berufen, welcher heute als Pionier in der Entwicklungsbiologie gilt. Insbesondere Correns nahm auch maßgeblichen Anteil an der funktionalen Gestaltung des Gebäudes.

Das Gebäude wurde gemeinsam mit der zugehörigen Direktorenvilla für Carl Erich Correns in der Boltzmannstraße 1 zwischen 1914 und 1915, in einer, insbesondere angesichts des Kriegsbeginns, sehr kurzen Bauzeit errichtet und nahm mit den, heute nicht mehr erhaltenen, zugehörigen Gewächshäusern, botanischen Versuchsgärten, Tiergehegen und Nebengebäuden einen großen Teil der Campusfläche ein. Es beherbergte ein erhebliches Programm an Forschungseinrichtungen, welche aufgrund des Flächenbedarfs der angrenzenden Versuchsgärten und Gewächshäuser zu einem, damals für die Institutsgebäude der KWG im ländlichen Dahlem unüblichen viergeschossigen Bau führten, dessen Größe Ihne und Guth geschickt mittels eines Mansard-Geschosses kaschierten und durch Lisenen, Rücksprünge und Loggien gliederten.

Nachdem die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1945 denn Standort aufgab, bezog die neu gegründete Freie Universität Berlin das Gebäude; zunächst als Hauptgebäude und für die Philosophische und Mathematische Fakultät, für die das bis dahin ungenutzte Dachgeschoß ausgebaut wurde. 1953 fanden maßgebliche Umbauten statt, in deren Zuge die Loggien auf der Südseite des Gebäudes geschlossen und ein zusätzliches Treppenhaus eingebaut wurden.

Weitere Umbauten folgten – so wurden beispielsweise im Inneren des Gebäudes Hörsäle und Teilbibliotheken eingerichtet oder vom Haupttreppenhaus in den Obergeschossen der Vorbereich abgeteilt. Viele weiter Instandsetzungen und kleine Umbauten veränderten das Erscheinungsbild des Gebäudes, z.B. durch das Zusammenlegen von Gauben oder den Einbau von gegenüber dem bauzeitlichen Bestand abweichenden Tür- und Fensterteilungen, Kunststofffenstern und den Einbau von Raffstores und Kunststoff-Panzerrollläden anstatt der historischen hölzernen Rollläden.

 

Südfassade Jalousien Detail

Südfassade Jalousien Detail
Bildquelle: Adrian Schulz Architekturfotografie

2009 begannen erste Sanierungsmaßnahmen im Inneren des Gebäudes mit dem Einbau neuer Sanitäranlagen; 2013 folgte die denkmalgerechte Sanierung des Haupttreppenhauses, in deren Zuge die Abmauerungen zurückgebaut wurden und der Vorflur auf den Etagen im Sinn eines offenen Hauses wieder zum Treppenhaus geöffnet wurde.

Im Frühjahr 2018 konnte die Sanierung der Fassade in Angriff genommen werden; eine Maßnahme, deren Dringlichkeit im Laufe der letzten Jahre immer deutlicher zu Vorschein getreten war:

So wies der Putz großflächige Schäden auf, die sich immer häufiger in Rissen und Abplatzungen zeigte (wie z.B. an den Bossierungen der ehemaligen Loggien); der Aufbau des Balkons war strukturell so stark geschädigt, dass er zeitweise gesperrt werden und zum Schutz der Nutzer unter ihm ein Schutzdach errichtet werden musste.

Die Fenster waren im Zuge der langen Nutzungsdauer und fehlender Instandhaltung mittlerweile ebenfalls stark geschädigt; wiesen vielfach Undichtigkeiten auf und entsprachen in ihrem Wärmeschutz auch in keiner Form den Anforderungen. Ähnliches galt für die Türen, die nach mehr als 60-jähriger intensiver Nutzung schwergängig und störanfällig geworden waren. Zudem entsprachen die Umbauten der Nachkriegszeit in Form und Materialien nicht dem bauzeitlichen Vorbild.

In intensiven Abstimmungen mit der Denkmalpflege wurde ein Sanierungskonzept entwickelt, in dessen Rahmen die Mängel behutsam instandgesetzt und ein homogenes Fassadenbild wiederhergestellt wurde. Hierbei wurde der bauzeitliche Zustand recherchiert und die historische Farbigkeit des Putzes und der Fenster anhand von restauratorischen Befunden festgestellt und der Sanierung zugrunde gelegt.

Der Putz wurde dabei aufgrund seiner starken strukturellen Schädigung umfassend erneuert, wobei die bauzeitlichen Stuckelemente erhalten werden konnten. Nachträglich erstellte Lüftungsöffnungen in der Fassade wurden verschlossen, Änderungen der Profilierung wurden zurückgebaut und entsprechend historischem Vorbild wiederhergestellt. Dort, wo die inzwischen vollständig abgebrochenen Anbauten und Gewächshäuser zu Anpassungen im Sockelputz geführt hatten, wurde die Profilierung des Putzes im Sinne eines homogenen Fassadenbildes sinngemäß übertragen. In diesem Zuge wurden auch die stark ausgetretenen und gebrochenen Natursteinstufen am Haupteingang ersetzt.

Westfassade Detail

Westfassade Detail
Bildquelle: Adrian Schulz Architekturfotografie

Bei den auszutauschenden Fenstern und Türen sollten, wo möglich, die bauzeitliche Gliederung und Profilierung wiederhergestellt werden. Die erhaltenen, bauzeitlichen Fenster sollten aufgearbeitet werden. Bei Elementen, für die kein bauzeitliches Vorbild vorhanden war, namentlich die Fenster und Türen beim mittleren, nachträglich bei den Loggien eingebauten Treppenhaus, wurden den Proportionen des Bestands und der historischen Teilung der dahin liegenden Verglasungsebene entsprechende Elemente entwickelt.

Im Zuge der Baumaßnahme zeigte sich allerdings, dass die Bestands-Holz-Kastenfenster zum einen in erheblichem Umfang geschädigt waren, zum anderen, und dies war schwerwiegender, so erheblich schadstoffbelastet waren (Bleifarbe), dass eine Bearbeitung und Restaurierung aus Arbeitsschutzgründen kaum möglich war. Letztendlich wurde hier nach intensiven Abstimmungen und unter Einbeziehung der oberen Denkmalschutzbehörde beschlossen, die Kastendoppelfenster großflächig gegen in Profilierung und Teilung denkmalschutzkonforme Kastendoppelfenster mit einer Isolierverglasung in der inneren Fensterebene auszutauschen und je historischem Fenstertyp ein bis zwei Elemente zu erhalten, welche nur eine minimale, mit dem Arbeitsschutz zu vereinbarende, oberflächliche Überarbeitung erfahren sollten.

Westfassade

Westfassade
Bildquelle: Adrian Schulz Architekturfotografie

Ebenfalls zu erneuern waren auch die erheblich geschädigten Holzverkleidungen der Gauben des Mansarden-Geschosses; die zusammengefassten Gauben der Südfassade wurden im Zuge der Maßnahme wieder separiert. Im Zuge dieser Maßnahmen wurde die angrenzende Schieferbedachung angepasst und fachgerecht erneuert; kleine stark geschädigte Teildachflächen, wie z.B. die Überdachung des halbrunden Treppenhauses, wurden im Zuge der Maßnahme ebenfalls erneuert. Die Blechabdeckungen der Gesimse, Giebel und Voluten, alle Fensterbänke einschließlich die gesamte Regenentwässerung, welche aufgrund diverser Undichtigkeiten für einige der Putzschäden mit verantwortlich war, wurden ebenfalls vollständig erneuert.

Nord/Westfassade Jalousien

Nord/Westfassade Jalousien
Bildquelle: Adrian Schulz Architekturfotografie

Der teilweise noch vorhandenen, aber weitgehend defekten Raffstore-Sonnenschutzanlagen und die Kunststoff-Panzerrollläden im EG wurden in Abstimmung mit der Denkmalpflege und vor dem Hintergrund, dass der historische Sonnenschutz bereits vor langem verloren ging, durch einen textilen, ausstellbaren Sonnenschutz ersetzt, der sich in seiner Farbigkeit auf die Putzfarbe bezieht und dem Gebäude einen zeitgemäßen, öffnenden Gestus verleiht, welcher die verschiedenen Fassadenteile optisch verbindet.