Die Bewusstmacher
Imad Alsoos und Katarzyna Lisowska forschten im Rahmen des Forscher-Alumni-Programm der Freien Universität in Berlin und Amsterdam
17.12.2015
Welchen Nutzen können Gruppen aus dem Erzählen der gemeinsamen, traumatischen Geschichte gewinnen? Wie spricht man in der Literatur von dem, was in der Öffentlichkeit im Verborgenen liegt? Es sind große Fragen, die sich die Doktoranden Imad Alsoos und Katarzyna Lisowska stellen.
Imad Alsoos beschäftigt sich mit der Ideologie der Hamas, Katarzyna Lisowska forscht zu Metaphern im Gender Studies-Diskurs. Beiden hilft in diesem Jahr das Forscher-Alumni-Programm der Freien Universität ihre Projekte während eines Forschungsaufenthaltes voranzutreiben.
Forscher-Alumni, das sind Wissenschaftler, die eine Zeit lang als Gäste an der Freien Universität gearbeitet haben und nun im Ausland ihre Forschung fortsetzen. Für den Ausbau und den Erfolg internationaler Forschungskooperationen können Forscher-Alumni sehr bedeutsam sein. Und insbesondere können diese Alumni, die zumeist schon in etablierten Positionen sind, für Nachwuchswissenschaftler als Türöffner und Partner für den Aufbau eigener Kooperationen fungieren. Hier setzt das Forscher-Alumni-Programm der Freien Universität mit gezielter Förderung von Gastaufenthalten für Nachwuchswissenschaftler an.
Auch Katarzyna Lisowska und Imad Alsoos haben über Forscher-Alumni vom Austauschprogramm erfahren. Imad Alsoos, der ursprünglich aus Palästina stammt, arbeitet seit einigen Jahren am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität, wo er kurz vor dem Abschluss seiner Dissertation steht. Dort lernte er den Gastwissenschaftler Ihab Saloul kennen, der nach seinem Aufenthalt an der Freien Universität seine Forschung in Amsterdam fortsetzte. Auf seine Einladung hin war Alsoos nun im vergangenen Sommer für acht Wochen mit dem Forscher-Alumni-Programm in den Niederlanden.
Bilder für das Unsichtbare
Katarzyna Lisowska hat im polnischen Wroclaw studiert, wo sie nun auch promoviert. In ihrem Fall war es der Betreuer ihres Doktorandenkolloquiums, Wojciech Malecki, der selbst am John-F.-Kennedy-Institut geforscht hatte. Hier recherchierte Lisowska auf Einladung von Frank Kelleter – damals der Kooperationspartner ihres Doktorvaters – im Oktober vier Wochen für ihre Dissertation. Zusätzlich besuchte sie Seminare zum Feminismus, denn während ihres Studiums der Literaturwissenschaft hat sich Lisowska besonders auf den Teilbereich der Gender Studies konzentriert.
In ihrer Dissertation verknüpft sie beides: Sie schreibt über Metaphern im polnischen Gender Studies-Diskurs. Dazu analysiert sie zum einen Texte polnischer Gegenwartsautoren wie Izabela Filipiak oder Piotr Sobolczyk und zum anderen den Einfluss des amerikanischen Diskurses auf die polnischen Gender Studies erforscht sie. „Hier am Institut konnte ich dafür viele amerikanische Quellen in der Originalsprache einsehen“, sagt sie.
Ein Beispiel: „Coming out of the closet.“, ist eine gängige Metapher im englischsprachigen Gender-Diskurs. Wörtlich übersetzt heißt es „aus dem Wandschrank heraus kommen“ und meint den Vorgang, wenn sich Menschen – meist Schwule und Lesben – ihrer Sexualität bewusst werden und dies ihrem Umfeld mitteilen. Im Polnischen gibt es ein Äquivalent: „aus der Garderobe heraus kommen.“ Andere Sprachbilder beziehen sich auch auf die Zwischenwelt des Theaters. „Die Metaphern zeigen etwas Unklares oder Unsichtbares“, erklärt die Doktorandin.
Durch Erzählungen berühren
Auch Alsoos hat Literatur studiert und einen Master in International Studies angeschlossen. In seiner Dissertation untersucht Alsoos nun die sozio-politische Mobilisation der Hamas. Zusammen mit Ihab Saloul fragte er sich in Amsterdam, wie die Hamas die kollektive Erinnerung der Palästinenser zur Mobilisation der Bevölkerung nutzt. Das Ergebnis wird in einem gemeinsamen Artikel publiziert werden.
„Nach der Gründung Israels mussten viele Palästinenser ihre Heimat verlassen“, erzählt Alsoos. Auch seine Eltern waren davon betroffen. Es sind die Erzählungen über diese Zeit und die Art wie sie erzählt werden, die ihn besonders interessieren. „Die Menschen berichten davon, wie sie ihr Haus, ihr Geld oder sogar ihre Kinder verloren haben“, sagt Alsoos. Die Hamas will die Erinnerung an die traumatische Vergangenheit aufrechterhalten. Sie ist Teil des Mobilisierungsprozesses. Denn mit Erzählungen, so Alsoos könne man „Menschen berühren.“
Die positive Resonanz auf sein Dissertationsprojekt in Amsterdam und die Anregungen der Wissenschaftler dort waren für Alsoos eine große Ermutigung. Und auch Katarzyna Lisowska kehrt nach ihrem Aufenthalt an der Freien Universität bereichert an die Uni Wroclaw zurück. Und vielleicht ergeben sich aus ihren Verbindungen noch weitere spannende Projekte, wodurch das Netzwerk der Nachwuchswissenschaftler und Forscher-Alumni sich weiter vergrößert.