Karrierewege 2023
Wie kann ich erste internationale Erfahrung sammeln? Was sind Tipps für eine erfolgreiche Bewerbung und sind Netzwerke wirklich wichtig? Wie ist es mit der Vereinbarkeit einer internationalen Karriere mit Partnerschaft und Familie? Und wie kann ich mir den Arbeitsalltag in einer internationalen Organisation vorstellen? Vier Alumni der Freien Universität, aktuell tätig bei der Europäischen Kommission in Brüssel, bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Tbilissi, bei den Vereinten Nationen in New York und bei airbnb in Washington berichten von ihren persönlichen Erfahrungen, Strategien, Hürden, Umwegen und Erfolgen. Rund 45 Studierende nutzten die Gelegenheit Fragen zu stellen und sich über Möglichkeiten internationaler Karrierewege zu informieren und inspirieren zu lassen.
Praktika als erste Auslandserfahrung und wichtige Orientierung
16:00 Uhr in Berlin und Brüssel, 18:00 in Tbilissi, 10:00 in New York und Washington D.C. – zeitgleich sind Anni, Marit, Marlien und Rafael von ihren Büros und aus dem Home Office zugeschaltet. Alle vier verbindet das frühe Interesse international zu arbeiten, schon während ihres Studiums sammelten sie über Studienaufenthalte und Praktika erste Auslandserfahrungen. Christiane, ebenfalls Alumna, moderiert.
Grundsätzlich sind sich alle einig, dass Praktika sehr gute Möglichkeiten bieten, auszuprobieren, was einem liegt und in welche Richtung man sich beruflich entwickeln möchte. Sie können eine tolle Einstiegsmöglichkeit beim zukünftigen Arbeitgeber sein. Oder aber man macht die wertvolle Erfahrung, dass der Arbeitgeber oder sogar der angestrebte Beruf gar nicht zu einem passen und kann sich frühzeitig umorientieren. Da nach wie vor nicht alle Praktika vergütet werden, lohnt sich auch ein Blick auf Möglichkeiten wie z.B. das Mercator-Programm, Carlo-Schmid-Programm für Praktika in Internationalen Organisationen und EU-Institutionen, das Blue-Book-Programm bei der Europäischen Kommission. Die Freie Universität veröffentlicht regelmäßig Stellen- und Praktikumsangebote internationaler Organisationen.
Wie habt ihr euch im Bewerbungsverfahren durchgesetzt?
Alle vier Alumni halten Sprachkenntnisse für besonders wichtig. Meist war es die Kombination relevanter Sprachkenntnisse und zur Stelle passender Berufserfahrung, die ausschlaggebend war und gar nicht das Studienfach und der Studienort. Anni hat ihr Praktikum beim American Council an ihren Studienaufenthalt in den USA angehängt und so überzeugt, dass ihr eine Stelle angeboten wurde und der Arbeitgeber sich um ein Visum kümmerte. Auf alle späteren Stellen wurde sie über ihr Netzwerk aufmerksam.
Marit ergänzt, dass sehr gute Vorbereitung auf das Gespräch wichtig ist; sie hat sich gründlich in die Themen und die Projektvorhaben eingearbeitet und im Vorstellungsgespräch auch kritische Fragen gestellt, was den Projektleiter überzeugte.
Marlien betont, dass das Netzwerk einem nicht automatisch eine Stelle verschafft, aber dazu dient, zu erfahren, was es eigentlich alles gibt, Optionen kennenzulernen und über Personen davon zu erfahren. Aus UN-Erfahrung nennt sie neben Englisch auch Spanisch und Französisch sowie andere Weltsprachen, wie z.B. Arabisch, die von großem Vorteil für bestimmte Positionen sind. Grundsätzlich ist jedoch die Passung für die Stelle am wichtigsten. Hier lohnt es sich auch, einen Blick von außen einzuholen, jemand anderen zu bitten auf das eigene Profil zu schauen und Feedback zu geben.
Rafael unterstreicht, dass auch Beharrlichkeit dazu zählt, man muss dranbleiben, auch Umwege gehen und mit Ungewissheit umgehen können. Er hat sich mehrmals auf das Blue-Book-Programm beworben, bis er angenommen wurde und hat in seiner Laufbahn Zeiten mit Nebenjobs überbrückt. Auch in Deutschland kann man Weichen für eine international ausgerichtete Tätigkeit stellen, z.B. hat er durch Freiwilligenarbeit bei UNICEF in Berlin erste internationale Kontakte geknüpft.
Was fällt bei Bewerbungen positiv auf?
Anni: „Wenn jemand gut vorbereitet ist, nicht nur oberflächlich gegoogelt hat, wenn man merkt, dass die Person sich Gedanken gemacht hat und an dem Job wirklich interessiert ist und auch kritische Fragen stellt.“
Marit: „Wenn man dem Anschreiben ansieht, dass sich jemand wirklich mit der Stelle identifiziert – kein copy & paste aus anderen Bewerbungen. Hilfreich ist ein überzeugender, auf die Position ausgerichteter CV. Im Gespräch sollte man authentisch bleiben, auch zugeben, wenn man etwas nicht kann und lösungsorientiert sein. Letztendlich ist die Passung ins Team Voraussetzung.“
Marlien: „Man sollte nicht zu groß „weltrettend“ auftreten, sondern stärker auf die eigene Person und Stelle zugeschnitten. Man sollte beantworten können: Wer ist man selbst? Was ist das für eine Stelle? Was möchte ich in dieser Position / in diesem Team / in diesem Projekt bewirken? Das Anschreiben sollte nicht zu lang sein, Zweiseiter werden nicht immer vollständig gelesen, kürzer ist in diesem Fall mehr.“
Wie ist der Arbeitsalltag bei internationalen Organisationen?
Bei der GIZ – der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit arbeitet man meist in einem Projekt, diese haben begrenzte Laufzeiten, die von den jeweiligen Finanzierungen und Geldgebern abhängen. Gängig sind Laufzeiten von 3-4 Jahren, ggf. gibt es Verlängerungen und Folgephasen. Regelmäßige Wechsel werden nahegelegt, um nicht zu lange an einem Ort zu bleiben. Auf die Wahl des Projektstandorts hat man je nach Verfügbarkeit offener Projektstellen Einfluss – man bewirbt sich jeweils intern, das eigene Profil und die Ausrichtung der Stelle müssen dann jeweils passen. Dafür ist der rechtliche Rahmen in vielen Ländern recht unkompliziert, da man mit einem deutschen Vertrag ins Ausland entsandt wird.
Bei den Vereinten Nationen hängt der Arbeitsalltag davon ab, ob man in der UN-Zentrale arbeitet oder im Feld auf Mission. Eine Einstiegsmöglichkeit ist das JPO (Junior Professional Officer) - Programm. Wenn man eine Stelle bekommt, bekommt man auch automatisch ein Visum, allerdings hängt das Visum am Arbeitsvertrag, man kann den Arbeitgeber nicht wechseln. Praktika bei der UN sind alle unbezahlt, das Carlo-Schmid-Programm ist eine Möglichkeit zur Finanzierung. Teilweise gibt es die Möglichkeit, Remote Praktika zu machen. Damit geht einem zwar das Erlebnis vor Ort verloren, aber man kann auch eine Kombination aus einigen Wochen vor Ort und der übrigen Zeit in Remote wählen. Die Work-Life Balance hängt von Stelle, Team und Standort ab, der Workload im Feld ist sehr viel höher. Man muss bereit sein, der Karriere einiges unterzuordnen und viel zu arbeiten, flexibel zu sein und zu wechseln. In der UN gibt es keine besonders hohe Jobsicherheit, im Vergleich zum deutschen System ist es sehr viel unsicherer. Nur in seltenen Fällen gibt es unbefristete Verträge, üblich sind häufig sehr kurze Verträge und gerade der Einstieg ist nicht so einfach.
Bei der Europäischen Kommission in Brüssel gibt es eine große Themenvielfalt an einem Standort. Es besteht die Möglichkeit zwischen verschiedenen General-Direktionen zu wechseln, sodass man sich in verschiedenen Positionen beruflich ausprobieren und umorientieren kann. Dass diese Wechsel zu einem großen Anteil in Brüssel stattfinden gibt Kontinuität, zusätzlich kann man diese recht gut selbst steuern. Gleichzeitig ist ein großer Workload auf relativ wenige Köpfe verteilt, man muss sich wirklich für Themen interessieren, an denen man arbeitet. Die Arbeit ist gewissen Zyklen unterworfen, man muss Bereitschaft zu regelmäßigen Überstunden mitbringen.
Wie ist es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und grundsätzlich der Organisation des Lebens im Ausland?
Marit: Hier gilt „Augen auf bei der Partnerwahl“, man sollte den Partner oder die Partnerin von Anfang an einbeziehen, gut kommunizieren und klares Erwartungsmanagement betreiben. Wenn man international Karriere machen möchte, muss der Partner in den meisten Fällen bereit sein zurückzustecken. Hier ist auch die Standortwahl wichtig – z.B. in Bezug auf eine Arbeitserlaubnis des Partners und der Sprachkenntnisse. Man sollte sich nicht vom Umfeld beeinflussen lassen. Sie selbst habe viel Unverständnis für die Entscheidung bekommen, mit einem Baby wieder ins Ausland zu gehen.
Anni: Sie betont ebenfalls, wie wichtig die gemeinsame Abstimmung mit dem Partner ist. Denn auch für sie war die Karriere wichtiger als für ihn. Sie hat einige Zeit in Beratungsunternehmen gearbeitet. Doch aufgrund des sehr hohen Workloads, des Drucks und wöchentlicher Dienstreisen war die Beratungstätigkeit auf Dauer schwer mit dem Familienleben vereinbar. Es gibt jedoch auch viele familienfreundliche Arbeitgeber und Möglichkeiten, Remote zu arbeiten. Sie rät, flexibel zu bleiben und bei der internationalen Jobwahl auch den Privatsektor in Betracht zu ziehen.
Reicht ein Master-Abschluss oder braucht man eine Promotion?
Wenn man international arbeiten möchte, ist der Master sehr üblich.
Alle vier benötigten für ihre Stellen keine Promotion. Im internationalen Berufsalltag wird der Titel meist nicht geführt und generell solle man natürlich nicht wegen des Titels promovieren, sondern wegen des Interesses und der intensiven Beschäftigung mit einem Thema. Marlien erzählt, dass es gar nicht so einfach war, nach der Promotion die Wissenschaft zu verlassen, weil man für viele Stellen überqualifiziert ist, gleichzeitig wird die Promotion nicht als Berufserfahrung anerkannt. Für sie war das Wissenschaftsmanagement ein guter Weg.
Abschließende Tipps der vier Panelistinnen und Panelisten:
Erste Auslandserfahrungen über Praktika machen, schauen ob Arbeitgeber und Berufsfelder zu einem passen, ggf. Kurs ändern, seinen Interessen folgen, flexibel und authentisch bleiben, sich vernetzen, Fragen stellen, auch Umwege gehen. „Im Nachhinein sehen viele Dinge geradliniger aus als sie ursprünglich waren“ sagt Marlien. „Man kann einen roten Faden legen, den man vorher vielleicht gar nicht gesehen hat.“ „Seine Komfortzone verlassen und sich selbst herausfordern“ rät Marit. Und das wichtigste „Scheitern gehört auch dazu.“ Man muss sich auch trauen, den Kurs zu wechseln und eine neue Richtung einzuschlagen.
Marit Berchner, Team Leader, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, Tbilissi, Georgien
Marit hat einen BA an der Freien Universität in den Fächern Publizistik- und Kommunikationswissenschaften sowie Politikwissenschaft in 2013 sowie einen Doppel-MA an der Freien Universität und Technischen Universität Berlin in Environmental Policy & Planning in 2016 abgeschlossen. Bereits während ihres Studiums war sie mit dem Promos-Stipendium in Cairo, Ägypten und nach ihrem Abschluss als Fellow der Mercator-Stiftung in 1. Johannesburg, Südafrika, 2. Arusha, Tansania und 3. Genf, Schweiz. Seit 2017 ist sie bei der GIZ tätig, zunächst in Tunesien und seit 2021 als Team Leader in Tbilissi.
Anni Qureshi, Senior Privacy Manager, Airbnb, Washington D.C., USA
Anni hat einen BA an der Freien Universität in Politikwissenschaften in 2012 abgeschlossen und in 2015 den Kombinations-MA Internationale Beziehungen an der Freien Universität, Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Potsdam. Bereits während ihres Studiums sammelte sie Auslandserfahrungen als Undergraduate Researcher in Manila, Philippines und als Trainee bei den Vereinten Nationen in Genf, Schweiz. Seit 2015 ist sie in Washington D.C., wo sie beim Atlantic Council, PwC und Deloitte tätig war und seit 2022 als Senior Privacy Manager bei Airbnb arbeitet.
Dr. Marlien Schlaphoff, Associate Political Affairs Officer, United Nations, New York, USA
Marlien Schlaphoff schloss 2017 ihre Promotion an der Freien Universität im Doktorandenprogramm der Berlin Graduate School for Transnational Studies ab. Bereits während ihres Studiums war sie für ein Praktikum in Santo Domingo, Dominikanische Republik und für 4 Monate als Beraterin bei den Vereinten Nationen in New York, USA. In Berlin arbeitete sie für das Zentrum für internationale Friedenseinsätze gGmbH und wechselte in 2022 zu den Vereinten Nationen in New York, USA, wo sie als Associate Political Affairs Officer arbeitet.
Rafael Stein, Programme Manager, European Commission, Brüssel, Belgien
Rafael absolvierte seinen MA Childhood Studies & Children`s Rights an der Freien Universität in 2017. Mehrere Praktika, u.a. beim Auswärtigen Amt, bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, beim UNHCR in Wien und schließlich das Blue Book Trainee Programm der Europäischen Kommission führten ihn zu seiner aktuellen Tätigkeit als Programm Manager bei der Europäischen Kommission in Brüssel, wo er seit 2021 tätig ist.
Dr. Christiane Kasack, Moderatorin
Christiane promovierte an der Freien Universität in Politikwissenschaft. Seit 2016 ist sie selbständig als Coach und Trainerin tätig. Als zertifizierte Systemische Coach und Karriereberaterin unterstützt sie persönliche Weiterentwicklung im Bereich Zeit- und Selbstmanagement sowie Karriereplanung.
Die Veranstaltung "Internationale Karrierewege" wird regelmäßig vom Alumni-Netzwerk der Freien Universität gemeinsam mit dem Career Service der Freien Universität durchgeführt. Die jährlichen Termine in der Reihe werden u.a. im Terminkalender des Alumni-Netzwerks veröffentlicht.
Das Alumni-Netzwerk der Freien Universität Berlin steht allen Ehemaligen aus dem In- und Ausland offen. Dazu zählen nicht nur Absolventinnen und Absolventen, sondern auch Austauschstudierende, Beschäftigte und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Ziel des Alumni-Netzwerks ist es, die Verbindung zu Ehemaligen weltweit zu pflegen und Alumni und ihre Expertise in die Aktivitäten der Hochschule einzubinden. Weitere Informationen und die Online-Registrierung finden Sie auf den Seiten des Alumni-Netzwerks.
Der Career Service der Freien Universität Berlin unterstützt Studierende umfassend bei der Berufsvorbereitung im Studium, bei der Praktikumssuche im In- und Ausland und beim Berufseinstieg. Das breitgefächerte Angebot beinhaltet Informationsveranstaltungen, Sprechstunden, Mentorings sowie Online-Ressourcen. Weitere Informationen auf der Webseite des Career Service.