Karrierewege 2024
Was sind Tipps für eine erfolgreiche Bewerbung und sollte ich Netzwerken? Wie gehe ich mit Lücken im Lebenslauf um? Wie ist es mit der Vereinbarkeit einer internationalen Karriere mit Partnerschaft und Familie? Sollte ich promovieren, um bessere Chancen auf dem internationalen Arbeitsmarkt zu haben?
Vier Alumni der Freien Universität, aktuell tätig bei der Europäischen Kommission in Brüssel, für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Kairo, bei der OECD in Paris und bei Deloitte in London, berichten von ihren persönlichen Erfahrungen, Strategien, Hürden, Umwegen und Erfolgen. Rund 70 Studierende nutzten die Gelegenheit, Fragen zu stellen und sich über Möglichkeiten internationaler Karrierewege zu informieren und inspirieren zu lassen.
Was sind eure Tipps für Bewerbungen bei internationalen Organisationen und Unternehmen?
Es lohnt sich, vorher Praktika zu machen, um Erfahrungen zu sammeln. Es ist möglich, durchaus auch sehr kurze Praktika zu machen, zum Beispiel einen Monat lang, um Einblicke in verschiedene Bereiche, Unternehmen, Organisationen und Themen zu bekommen. Die meisten, die in internationalen Organisationen und Unternehmen arbeiten, haben einen Masterabschluss, häufig haben sie während des Masters im Ausland studiert. Für EU-Auswahlverfahren gibt es sehr gute Vorbereitungsbücher und das Auswärtige Amt organisiert sehr gute Vorbereitungskurse. Es sind nicht unbedingt geradlinige Lebensläufe, Faktoren wie gesellschaftliches Engagement wirken sich positiv aus – am Ende muss man zur Stelle passen und etwas Glück haben.
Wie geht man mit Brüchen im Lebenslauf um?
Sich zwischendurch eine Lücke im Lebenslauf zu erlauben, kann Raum geben, neue Wege zu finden. Neben den großen Programmen, wie beispielsweise Carlo Schmid, Blue Book und Mercator, gibt es auch viele andere Möglichkeiten im Ausland zu arbeiten. Unter Umständen sind diese aber nicht auf großen Bewerbungsportalen, sondern eher im Ausland vor Ort zu finden, wie zum Beispiel lokale NGOs oder Consulting-Firmen. Da lohnt es sich, mutig zu sein und Eigeninitiative zu ergreifen.
In vielen großen internationalen Organisationen und Unternehmen wird vermehrt darauf geachtet, den Bias aus Lebensläufen der Bewerber*innen herauszufiltern – das Hauptaugenmerk wird auf anwendungsbezogene Fähigkeiten gelegt und nicht darauf, wo diese erworben wurden und mit welchem Hintergrund. Entscheidend in Auswahlprozessen wird es vielmehr, Praxisaufgaben zu erledigen, was für den potentiellen Arbeitgeber aufschlussreicher ist. Ebenso ist wichtig, Begeisterungsfähigkeit und Lernfähigkeit der Bewerber*innen zu erkennen. Ob jemand ins Team passt kann entscheidender sein als ein perfekter Lebenslauf.
Wie ist das Leben im Ausland?
Sprachkenntnisse und insbesondere das Beherrschen der Landessprache haben einen großen Einfluss darauf, ob man sich gut in die Gesellschaft des Ziellandes integrieren kann. Und es kommt auf das Land oder die Stadt an, zum Beispiel macht man in in multikulturellen Städten wie Brüssel oder London ganz andere Erfahrungen als bei beruflichen Stationen in Asien. Bezüglich Steuern und Altersvorsorge sollte man sich frühzeitig erkundigen, was zu beachten ist (zum Beispiel in der EU können Rentenansprüche überführt werden) und im Idealfall selbst für die Rente vorsorgen.
Wie ist es mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Grundsätzlich ist der Schritt ins Ausland eine wichtige Entscheidung in Partnerschaften oder in der Familie. Es sind meist Kompromisse notwendig und die Vereinbarkeit hängt von Vertrag und der angestrebten Tätigkeit ab. Je nach Land und Organisation unterscheiden sich die Bedingungen. Bei der EU-Kommission sind diese im Beamtenverhältnis sehr gut, zum Beispiel gibt es Dual Career Angebote, eigene Europa-Schulen und spezielle Familienzeiten. Wiederum andere Organisationen unterstützen den Mitzug der Partnerin oder des Partners. Je nach Standort gibt es jedoch gegebenenfalls Einschränkungen hinsichtlich Visabestimmungen und der Arbeitserlaubnis. Je nach Vertragstyp ist der Grad der Planungssicherheit unterschiedlich stark ausgeprägt. Speziell am Anfang der Karriere kann es durch befristete Verträge und sehr kompetitive Stellen viel Unsicherheit geben, während es im späteren Verlauf mehr Unterstützung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt.
Was sind die positiven Seiten und was sind die Herausforderungen bei der Arbeit in internationalen Organisationen?
Die Arbeit in internationalen Organisationen bedeutet, dass man an internationalen, oft humanitären Themen arbeitet, die dem Gemeinwohl zugutekommen. Das ist die Motivationen für viele, die diese Aspekte in ihrem Arbeitsalltag sehr bereichernd finden. Teilweise haben die internationalen Organisationen starke Hierarchien, wie andere öffentliche Arbeitgeber, darauf muss man sich als Einsteiger*in einstellen. Ein Phänomen ist, dass in manchen Organisationen Menschen mit sehr ähnlichen Lebensläufen arbeiten, die fast alle das Gleiche studiert haben, teilweise an den gleichen Universitäten. Das Abhängigkeitsverhältnis zu einzelnen Vorgesetzten kann stark sein, was die Themen Aufstieg und Gehalt angeht. Es gibt den Moment, an dem man Organisationen und die eigene Wirksamkeit hinterfragt. Als ein „Rädchen im System“ stellt sich an einem gewissen Punkt durchaus die Sinnfrage. Viele Leute, die in die Entwicklungszusammenarbeit gehen, tun dies mit großem Idealismus und möchten etwas bewegen.
Wie wichtig ist die Promotion für die Arbeit in internationalen Organisationen und Unternehmen?
Eine Promotion absolviert zu haben bedeutet, ein eigenes Projekt auf die Beine gestellt, Expertise auf einem bestimmten Feld gesammelt und Durchhaltevermögen bewiesen zu haben. In manchen Aufgabenbereichen sind viele Mitarbeiter*innen internationaler Organisationen promoviert, grundsätzlich ist die Promotion jedoch keine Voraussetzung, wird aber positiv wahrgenommen. Das Thema der Promotion ist wichtig, man sollte das Gefühl haben, etwas beizutragen und sich wirklich tiefer mit einem Thema beschäftigen zu wollen. Außerdem sollte die wissenschaftliche Karriere für einen persönlich vorstellbar sein. Denn sonst ist es schwierig durchzuhalten, wenn man es nur für den Titel macht, der zudem in internationalen Organisationen oft nicht geführt wird.
Wie wichtig waren für euch Mentor*innen und Netzwerke?
Netzwerken ist sinnvoll für den thematischen Austausch und zum Kennenlernen der Strukturen. Es mag zunächst schwierig klingen oder abstrakt und es erfordert Eigeninitiative, aber wenn man inhaltlich interessiert ist, kann es sehr hilfreich und interessant sein, Menschen nach ihren Erfahrungen zu fragen. Im Vordergrund steht dabei in erster Linie der Wissensgewinn und nicht unbedingt, sich eine Stelle zu beschaffen. Mentor*innen sind wichtig als Ratgebende, sie müssen nicht formal so heißen, denn beispielsweise auch Freunde und Familie können hier eine wichtige Rolle haben. Je nach Organisation geht sehr viel über persönliche Kontakte. Es lohnt sich also, sich zum Kaffee zu verabreden und sich auszutauschen.
Welche Tipps habt ihr noch?
Folgt euren Interessen! Wenn ein Weg nicht klappt, sucht euch auf Eigeninitiative Alternativen, um auf anderen Wegen zum Ziel zu kommen. Genießt das Studium und seht es als eine Bereicherung, Zeit für Themen und Kontakt mit netten Menschen zu haben. Genießt den jetzigen Moment! Go with the flow – reagiert flexibel auf Dinge, die einem das Leben so zuspielt!
Sophia Anders, Junior Policy Analyst, Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), Eurasia Division, Paris, Frankreich
Sophia hat einen BA an der Freien Universität im Fach Politikwissenschaften in 2021 absolviert, im Rahmen dessen war sie mit dem Erasmus-Programm am University College in London und absolvierte in 2022 ihren MA an der University of Oxford. Bereits vor Beginn ihres Studiums sammelte sie erste Auslandserfahrung als Ehrenamtliche bei der UNESCO in Tbilissi, Georgien; während ihres Studiums vertiefte sie diese bei Praktika bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kiew, Ukraine und beim Europaeum in Oxford, England. Seit 2022 ist sie bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris, Frankreich tätig, zunächst als Policy Research, Analysis and Advice Trainee, später als Consultant und schließlich als Junior Policy Analyst.
Britta Gade, Advisor - Urban Resilience, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH, Kairo, Ägypten
Britta hat einen BA an der Freien Universität Berlin in Politikwissenschaften in 2017 abgeschlossen, absolvierte in diesem Rahmen einen Studienaufenthalt an der Sabancı Üniversitesi in Istanbul, Türkei und schloss in 2020 einen MA in International Security an der Sciences Po in Paris, Frankreich ab.
Bereits während ihres Studiums arbeitete sie drei Monate als Trainee bei der
Permanent Mission of the Federal Republic of Germany to the United Nations in New York, USA. Nach ihrem Studium ging sie zunächst als Carlo Schmid Fellow zum United Nations System Staff College (UNSSC) nach Turin, Italien und später als Programme Associate beim UN-Habitat (United Nations Human Settlements Programme) nach Kairo, Ägypten. Seit 2020 arbeitet sie als Advisor zum Thema Urban Resilience für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH in Kairo, Ägypten.
Dr. Olivia Gippner, Member of the Cabinet, European Commission, Brüssel, Belgien
Olivia absolvierte einen BA in den Fächern European Studies und Psychologie in 2008 an der Universität Malta, sowie anschließend einen MA im Fach Public Policy in 2010 an der Lee Kuan Yew School of Public Policy in Singapur, im Rahmen dessen sie einen Studienaufenthalt an der Tsinghua Universität in Peking absolvierte. 2015 schloss sie an der Freien Universität Berlin ihre Promotion ab. Weitere Auslandserfahrung sammelte Olivia bei einem Praktikum während ihres Studiums bei den Vereinten Nationen in Bangkok und nach ihrer Promotion als Dahrendorf Postdoctoral Fellow bei LSE IDEAS in London. Seit 2017 arbeitet sie bei der EU-Kommission in Brüssel, zunächst als Referentin, später als persönliche Referentin eines Generaldirektors und zuletzt als Kabinettsmitglied des Kommissars für Klimapolitik.
Renard Teipelke, Senior Manager, Deloitte, London, England
Renard absolvierte einen BA an der Freien Universität Berlin in den Fächern Nordamerikastudien und Kommunikationswissenschaften in 2011, im Rahmen dessen war er zu einem Studienaufenthalt an der University of California San Diego in La Jolla, USA und absolvierte ein Praktikum am American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) in Washington DC, USA. Seinen MA in den Fächern Stadt- und Wirtschaftsgeographie sowie Mobilitätsforschung schloss er in 2013 an der Goethe-Universität Frankfurt ab, während seines Studiums war er für ein Praktikum beim UN-HABITAT (United Nation Human Settlements Programme) in Nairobi, Kenya. Im Rahmen eines Fellowships der Stiftung Mercator beschäftigte er sich mit peri-urbanen Räumen. Als Urban Development Specialist & Project Coordinator war er für ICF Consulting Services in Vietnam und auf den Philippinen, danach arbeitete als Consultant bei der Asian Development Bank in Manila, Philippinen. Es folgten berufliche Stationen bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit als Urban Development Consultant in Eschborn und als Senior Consultant, Principal Consultant und Associate Director bei der AECOM in London, England. Seit März 2023 ist Renard als Senior Manager bei Deloitte in London, England tätig.
Dr. Christiane Kasack, Moderatorin
Christiane promovierte an der Freien Universität in Politikwissenschaft. Seit 2016 ist sie selbständig als Coach und Trainerin tätig. Als zertifizierte Systemische Coach und Karriereberaterin unterstützt sie persönliche Weiterentwicklung im Bereich Zeit- und Selbstmanagement sowie Karriereplanung.
Die Veranstaltung "Internationale Karrierewege" wird regelmäßig vom Alumni-Netzwerk der Freien Universität gemeinsam mit dem Career Service der Freien Universität durchgeführt. Die jährlichen Termine in der Reihe werden u.a. im Terminkalender des Alumni-Netzwerks veröffentlicht.
Das Alumni-Netzwerk der Freien Universität Berlin steht allen Ehemaligen aus dem In- und Ausland offen. Dazu zählen nicht nur Absolventinnen und Absolventen, sondern auch Austauschstudierende, Beschäftigte und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Ziel des Alumni-Netzwerks ist es, die Verbindung zu Ehemaligen weltweit zu pflegen und Alumni und ihre Expertise in die Aktivitäten der Hochschule einzubinden. Weitere Informationen und die Online-Registrierung finden Sie auf den Seiten des Alumni-Netzwerks.
Der Career Service der Freien Universität Berlin unterstützt Studierende umfassend bei der Berufsvorbereitung im Studium, bei der Praktikumssuche im In- und Ausland und beim Berufseinstieg. Das breitgefächerte Angebot beinhaltet Informationsveranstaltungen, Sprechstunden, Mentorings sowie Online-Ressourcen. Weitere Informationen auf der Webseite des Career Service.