Umzugspläne für eine Million Bücher
Neue Campusbibliothek führt 24 Instituts- und Bereichsbibliotheken zusammen
05.02.2015
Noch sind die Bauarbeiten in vollem Gang, aber bereits Mitte April soll die „Campusbibliothek Natur-, Kultur- und Bildungswissenschaften, Mathematik, Informatik und Psychologie“ ihren Betrieb aufnehmen. Sie entsteht in dem großen Neubau an der Fabeckstraße 23-25, der den bisherigen Gebäudekomplex an der Habelschwerdter Allee 45 – die sogenannte Rost- und Silberlaube – nach Norden erweitert und in dem die „Kleinen Fächer“ des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften zusammengeführt werden. Auch die dazugehörigen Bereichsbibliotheken sowie die Bibliotheken von fünf mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern ziehen in die neue Campusbibliothek ein. Campus.leben sprach mit Jiří Kende, dem leitenden Direktor der Universitätsbibliothek, und Martin Lee, Leiter der neuen Campusbibliothek, über die Herausforderungen des Umzugs und die Vorteile der neuen Bibliothek.
Herr Kende, Herr Lee, Mitte April soll die neue Campusbibliothek ihren Betrieb aufnehmen – schlafen Sie nachts noch ruhig?
Kende: Ja, doch. (Beide lachen.)
Lee: Dass wir relativ entspannt sind, liegt daran, dass wir den Umzug sehr gut vorbereitet haben und ein gutes Team seit einiger Zeit intensiv daran arbeitet. Insbesondere die Kolleginnen und Kollegen aus der Technischen Abteilung haben einen Großteil dazu beigetragen, dass der Hauptumzug jetzt so reibungslos wie möglich über die Bühne gehen kann. Wir haben das ganze Vorhaben zum Beispiel bewusst in sehr viele Einzelschritte und Teilumzüge gegliedert. Einen guten Teil der Arbeiten haben wir also bereits hinter uns.
Kende: Dazu muss man wissen, dass die neue Bibliothek aus zwei Teilen bestehen wird. Den einen Teil füllt die ehemalige Bibliothek der Erziehungswissenschaften, Fachdidaktik und Psychologie (EWI) in der Silberlaube. Dieses Areal wurde komplett saniert. Dort haben wir inzwischen einen großen Teil des Bestandes aus den Außenmagazinen, rund 400.000 Bücher, bereits „an der richtigen Stelle“ eingeräumt und so einen erheblichen Teil des Umzug bereits geleistet. Die sanierte EWI-Bibliothek ist mit dem großen neuen Bibliotheksteil im Anbau räumlich verbunden worden, sodass beide zusammen die neue Campusbibliothek bilden. Wir hoffen, dass wir von Anfang März bis Anfang April mit den restlichen Büchern einziehen und dann zu Mitte April den Betrieb aufnehmen können.
Mehr als eine Million Bücher aus 24 Instituts- und Bereichsbibliotheken werden zusammengelegt. Gab es in der Geschichte der Freien Universität schon einmal einen vergleichbaren Umzug?
Kende: Nein, selbst bei der Philologischen Bibliothek waren es „nur“ etwa 800.000 Bücher und Zeitschriften aus 15 Bibliotheken. In der neuen Campusbibliothek kommen nun Medien von 24 unterschiedlichen Standorten zusammen. Teilweise werden inhaltlich sehr unterschiedliche Fächer in die gemeinsame Bibliothek integriert, was die Sache nicht einfacher macht.
Lee: Wir haben es einmal ausgerechnet: Aneinandergereiht ziehen insgesamt mehr als 30 Kilometer Bücher um. Die Vorbereitung war mit sehr viel Arbeit verbunden, die wir nur mit viel Personal stemmen konnten und können.
Welche konkreten Schwierigkeiten müssen Sie bei der Zusammenlegung der Bibliotheken lösen?
Kende: Bei einer Million Bänden können Sie sich vorstellen, dass Probleme auftreten. Zum Beispiel, wenn Bücher in den Bereichsbibliotheken nicht dort stehen, wo sie stehen sollten. Zudem ist das Sortieren der Bücher sehr zeitaufwendig. In den einzelnen Institutsbibliotheken gab es unterschiedliche systematische Kataloge. Für die Campusbibliothek nutzen wir eine fächerübergreifende einheitliche Systematik, die sogenannte Regensburger Verbundklassifikation (RVK). Dafür musste jedes Buch in die Hand genommen und nach RVK systematisiert werden. Für die Buchsicherung, die effizientere Buchbearbeitung und nicht zuletzt, um die Selbstausleihe zu ermöglichen, haben wir außerdem jeden Band mit einem „Radio Frequency Identification Chip“, kurz RFID-Chip, versehen. Das ist ein technisches System, durch das per Funk Daten ausgelesen werden können. Etliche Bücher, die in einem schlechten Zustand waren, mussten restauriert, nicht gebundene Zeitschriftenhefte gebunden werden. All das erfordert eine Menge Personal, Geld und sehr viel Zeit.
Lee: Dass wir mit genau diesen Arbeiten hier im Projekt 24in1 – das war der Arbeitstitel der neuen großen Bibliothek – so gut dastehen, ist auch meinen Vorgängern in der Projektleitung, Herrn Dr. Werner und Frau Dr. Tatai, zu verdanken. Ein Novum in der neuen Bibliothek wird übrigens sein, dass wir die Titel des gesamten Bestands auch in ihrer Original-Sprache erfasst haben. Zukünftig wird man also beispielsweise auf Koreanisch, Arabisch oder Chinesisch nach Literatur suchen können. Nur wenige Bibliotheken bieten das bislang an.
Welche Vorteile hat die neue Campusbibliothek außerdem?
Lee: Wir werden dort fast 1000 neue Arbeitsplätze anbieten, auch etliche häufig nachgefragte Gruppenarbeitsräume. Die Campusbibliothek soll nicht nur Bücher, sondern auch Menschen zusammenbringen. Sie soll ein attraktiver Lernort mit einem gut sortierten Bestand und sehr großzügigen Öffnungszeiten sein. Die kleinen Bereichsbibliotheken waren teilweise nur wenige Stunden am Tag geöffnet. Die Campusbibliothek wird in der Woche von 9 bis 22 Uhr geöffnet sein, am Wochenende von 10 bis 20 Uhr. Außerdem kommen jetzt Fachbücher der „Kleinen Fächer“ zusammen, die bislang zum Teil kilometerweit voneinander entfernt aufbewahrt wurden. Besonders bei den Fächern des Altertums, der Religionen oder der Regionalwissenschaften gibt es da große Synergie-Effekte. Thematisch verwandte Bücher der einzelnen Bibliotheken werden dank der einheitlichen Fachsystematik nicht nur räumlich, sondern auch innerhalb der Campusbibliothek näher beisammenstehen.
Wie stellen Sie sicher, dass sich alle Nutzer in der neuen Bibliothek zurechtfinden?
Lee: Es wird in der Bibliothek selbst ein gutes Leitsystem geben, außerdem weist unser virtuelles Rauminformationssystem per Smartphone oder Computer den Weg. Und dann gibt es das vertraute Personal, das jeweils aus den Fachbibliotheken mitzieht. Das heißt, es gibt auch in der Campusbibliothek Experten der jeweiligen Fächer, die Nutzern mit Rat und Tat zur Seite stehen und die sie vielleicht schon aus ihren bisherigen kleineren Fachbibliotheken kennen.
Kende: Für die Wissenschaftler ist wichtig zu wissen, dass sie, wie gehabt, Bücher bestellen können, die sie für Lehre und Forschung benötigen. In der Campusbibliothek werden zwar Bestände zusammengeführt – wir mischen uns aber nach wie vor nicht dabei ein, welche Bücher angeschafft werden und welche nicht.
Was ist während der Übergangszeit zu beachten?
Lee: Der Hauptumzug soll nach derzeitiger Planung am 2. März beginnen. Von diesem Tag an sind die bisherigen Bibliotheksstandorte bis voraussichtlich 13. April geschlossen – dem Tag, an dem die neue Campusbibliothek ihren Betrieb aufnehmen soll. In allen „Villenbibliotheken“ haben wir eine Sonderausleihe eingerichtet, in allen anderen Bibliotheken gibt es eine erweiterte Ausleihe. Wissenschaftler und Studierende können ab Anfang Februar Medien mit einer Leihfrist von 90 Tagen ausleihen.
Die Fragen stellte Annika Middeldorf
Weitere Informationen
Dieser Artikel ist Teil einer Serie des Online-Magazins Campus.leben, das den Umzug der Bibliotheken in die neue Campusbibliothek mit einer Serie begleitet.
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