Ehrendoktorwürde für Günter Grass und Imre Kertész
Zur Auftaktveranstaltung der Dahlemer Impulse erhielten 2005 gleich zwei bedeutende Schriftsteller gemeinsam die Ehrendoktorwürde: Günter Grass und Imre Kertész. Beide wurden im Audimax der Freien Universität für ihr Lebenswerk mit dem Doctor honoris causa ausgezeichnet. Sie sind Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts, beide haben den Nobelpreis für Literatur bekommen, und beide setzen sich mit den Erfahrungen von Unterdrückung und Freiheit und nicht zuletzt mit dem Umgang von Sprache auseinander.
"Mit Günter Grass und Imre Kertész haben wir für den heutigen Tag zwei Ehrengäste gewonnen, deren kritische Zeitzeugenschaft von der Welt des 20. Jahrhunderts ebenso geprägt wurden wie sie umgekehrt Welt und Gesellschaft des 20. Jahrhunderts mit ihren Zeitanalysen geprägt haben", sagte Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität Berlin in seiner Begrüßungsrede. In seiner Laudatio auf Imre Kertész würdigte der Literaturwissenschaftler Univ.-Prof. Dr. Joachim Küpper das Lebenswerk des gebürtigen Ungarn, der vor 60 Jahren aus dem Konzentrationslager Buchenwald befreit wurde. "Dieser düstere Horizont ist in dieser Feierstunde präsent, und er ist es unabhängig davon, ob wir dies wollen oder nicht. Dafür, dass Sie die Ehrendoktorwürde der Freien Universität annehmen, können wir, die Mitglieder dieser Universität, aber auch die Einwohner dieser Stadt und die Bürger dieses Landes nur dankbar sein, Ihnen dankbar sein." Kertész habe das erlebte Grauen präsent gehalten, weil es ihm gelungen sei, für das im Grunde genommen Unsagbare eine Sprache zu finden und damit auch das Grauen zugleich auf Distanz zu bringen.
Die Laudatio auf Günter Grass hielt Univ.-Prof. Dr. Eberhard Lämmert, Literaturwissenschaftler und ehemaliger Präsident der Freien Universität Berlin. Er stellte fest: "Anders als ein Historiker, der über erfundene Stimmen nicht verfügen kann, hat ein Schriftsteller die Möglichkeit, aus der Vergangenheit Stimmen zu wecken, die nie zu Gehör, geschweige denn zu Papier gebracht wurden. Großzügiger und variantenreicher als je ein deutschsprachiger Autor zuvor hat Günter Grass solche Stimmen auch zu vorgeschobenen Erzählern gemacht. Doch strenger als andere gibt er ihnen, schon in den "Hundejahren" und noch in "Mein Jahrhundert", in denen das letzte Wort seine Mutter hat, nur eine auf ihr jeweiliges Naturell eingegrenzte Lizenz, die Vergangenheit aufzuhellen. Aber gerade durch diesen wechselnden Zuschnitt wird unter seiner Hand die Vergangenheit so präsent wie sie real, nämlich in unterschiedlichen Erinnerungen, existiert."
Nach der Verleihung der Ehrendoktorwürde hatten die Gäste die Gelegenheit, Bücher von den beiden Schriftstellern signieren zu lassen. Anschließend fand ein Gala-Dinner mit 150 Gästen in Anwesenheit der beiden Literaturnobelpreisträger statt, bei dem Imre Kertész aus seinem Werk las und Günter Grass mehrere seiner Gedichte vortrug.