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Outing und Zwangsouting von TIN* Personen an der Freien Universität

Viele TIN* Personen studieren und arbeiten an der Freien Universität Berlin, ohne im Alltag sichtbar zu sein. Das bedeutet, dass sie nicht am Aussehen, am Namen oder an den Verhaltensweisen erkennbar sind. Manche TIN* Personen werden sichtbar, wenn sie sich „outen“, also ihrem Umfeld freiwillig mitteilen, dass sie TIN* sind.

Andere werden zwangsgeoutet, das heißt eine Person fühlt sich gezwungen, preiszugeben, TIN* zu sein. Oder andere teilen diese Information ohne die ausdrückliche Zustimmung der Person mit. Für viele bedeutet ein Outing einen enormen Kraftakt. Ein Zwangsouting stellt einen massiven Eingriff in die Privatsphäre dar.

Was ist deine Erfahrung mit Outing als TIN* Person an der Freien Universität?

Mir wäre es natürlich lieber gewesen, wenn ich mich nicht bei jede*m Dozierenden hätte outen müssen. Ich hätte gerne die Möglichkeit, meinen Namen zentral ändern zu können, bevor eine rechtliche Namensänderung stattgefunden hat. Ich habe nämlich keine deutsche Staatsangehörigkeit und kann in absehbarer Zeit meinen Namen nicht rechtlich ändern lassen.

Joanna (kein Pronomen), Geschichtswissenschaft

Bei meinen Kommiliton:innen und Tutor:innen stelle ich mich direkt als Yildiz vor. Bisher gab es da auch keine Probleme.

Yildiz (sie), Physik

Ich habe mich sehr gefreut, als ich dann die erste andere trans* Person in meinem Studiengang getroffen habe. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon Passing, das heißt, ich wurde schon so gelesen, wie ich das auch wollte. Deswegen war ich aber lange unsicher, in welchem Rahmen ich mich oute und was die Leute dann nachher über mich denken. Dann war es sehr cool, eine andere Person kennenzulernen und nicht so alleine zu sein an der Uni.

Jakob (er), Psychologie

Ich wollte nicht mit einer „Doppelidentität“ studieren und habe mich entschieden, mich auch am Ende des Studiums noch zu outen. Ein wichtiger Schritt dafür war die Namensänderung auf Blackboard und Webex. Allerdings musste ich allen Dozierenden einzeln schreiben, um die Diskrepanz zwischen Campus Management und den Lernplattformen zu erklären. Viele kannten mich ja auch schon vorher. Es war schwer, so ins Leere hinein eine E-Mail zu schreiben und nicht zu wissen, was für eine Reaktion kommt. Eine Dozentin hat direkt gesagt, dass sie in Zukunft eine Pronomenrunde in ihren Seminaren machen will. Das hat mich total gefreut.

Alex (keine Pronomen), Lateinamerikastudien

Ich habe mich erst zum Ende des Bachelorstudiums bei meinem Betreuer geoutet, indem ich eine E-Mail mit “Liebe Grüße, dein*e Claude”. Er hat direkt mit “Liebe*r Claude” geantwortet” und keine Fragen gestellt. Und alle Sekretär:innen und Dozierenden haben schnell verstanden, dass ich nicht mehr unter dem alten Namen anzuschreiben bin.

Claude (sie*er/keine Pronomen), Islamwissenschaft

An einem Outing hängen viele Erwartungen, zum Beispiel, dass ich meinen Namen ändern und medizinisch transitionieren werde. Das sehe ich aber in meiner Zukunft nicht. Die Leute denken dann, dass ich mich irren würde, weil das Bild von dem, wie ich als trans Person sein müsste, nicht mit dem übereinstimmt, wie ich meinen Alltag lebe.

John (er), Politikwissenschaft

In der ersten Seminarsitzung warte ich erstmal ab und melde mich nicht direkt, um zu schauen, wie Dozierende die Studierenden ansprechen. Dann entscheide ich erst, ob ich mich auch melde. Für mich ist es eine deutliche Hemmschwelle, wenn die Studierenden mit „Herr und Frau Sowieso“ angesprochen werden, denn dann ist die Gefahr, dass ich misgendert werde, deutlich höher.

Jorah (keine Pronomen), Politikwissenschaft

Wurdest du an der Freien Universität schon einmal zwangsgeoutet?

Bis zur amtlichen Namensänderung auf meinem Ausweisdokument war ich mit einem falschen Namen immatrikuliert. Das war sehr schwierig für mich, weil das ein Name ist, den ich mit den wenigsten Leuten teilen möchte. Es ist frustrierend, wenn der Name dann überall steht und mir die Freiheit und Kontrolle genommen wird zu entscheiden, ob ich mich outen möchte oder nicht.

Jakob (er), Psychologie

Bei einer Prüfung wurden einmal Umschläge mit Namen ausgeteilt. Das war nicht so toll. Aber ich glaube, dass es niemand mitbekommen hat. Wenn so etwas passiert, mache ich meistens nichts, damit es niemandem auffällt. Das geht auch meistens, weil mein alter Name sehr selten ist, sodass die meisten ihn gar nicht zuordnen können.

Yildiz (sie), Physik

Zu Beginn des Onlinesemesters war es noch nicht möglich, den Anzeigenamen als TIN* Person zu ändern. Es gab sehr wenig Unterstützung der Studierendenverwaltung, obwohl die technischen Möglichkeiten dazu bereits vorhanden waren. Es hat einfach der Wille dazu gefehlt. Es hat noch lange gedauert, bis die Änderung meines Anzeigenamens umgesetzt wurde.

Jorah (keine Pronomen), Politikwissenschaft

Es gibt keine Möglichkeit, seinen gewünschten Namen zentral vermerken zu lassen. Deswegen musste ich mich bei jedem Seminar und jedem Tutorium einzeln bei den Lehrenden zwangsouten. Dabei bin ich dem ausgeliefert, dass ich nicht weiß, ob sie das berücksichtigen wollen oder einfach vergessen.

Mo (kein Pronomen), Rechtswissenschaft

Das passiert eigentlich jedes Mal, wenn ich meinen Studierendenausweis vorzeigen muss oder irgendwas mit der Univerwaltung klären muss. Ich finde, dass nicht jede:r Mitarbeiter:in wissen muss, dass ich trans*-nichtbinär bin.

Joanna (kein Pronomen), Geschichtswissenschaft