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Wer war Elsa Neumann?

Elsa Neumann bei der Verleihung ihrer Promotionsurkunde 1899

Elsa Neumann bei der Verleihung ihrer Promotionsurkunde 1899

Elsa Neumann war die erste Frau, der ein Doktorgrad der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität verliehen wurde. In einer Zeit, in der Frauen in Preußen noch nicht regulär studieren durften, promovierte sie mit einer Arbeit auf dem Gebiet der Elektrophysik. Ein von ihr gegründeter Verein setzte sich außerdem für die Förderung des Frauenstudiums ein. Seit 2010 ist das Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Land Berlin nach Elsa Neumann benannt.

Elsa Neumann wurde 1872 in Berlin in eine jüdische Bankiersfamilie geboren. Die vermögende Situation ihrer Familie ermöglichte ihr eine umfangreiche Schulbildung an Mädchenschulen und durch Privatunterricht - in Preußen, und damit auch in der preußischen Hauptstadt Berlin - war Mädchen der reguläre Weg zum Abitur verwehrt. Auch an den Universitäten des Landes durften sich Frauen nicht als Studentinnen einschreiben. Lediglich durch Ausnahmegenehmigungen des Kultusministeriums und mit Zustimmung der Professoren konnten Frauen Kurse an den Universitäten besuchen.

Mit einer solchen Ausnahmegenehmigung studierte Elsa Neumann an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin (heute Humboldt-Universität). Dort wurde sie besonders vom Mathematikprofessor Immanuel Lazarus Fuchs und den Physikern Emil Warburg und Max Planck gefördert. Die Stimmung unter den Hochschul-Professoren dieser Zeit gegenüber dem Frauenstudium zwar grundsätzlich skeptisch, dennoch waren sie bereit, einzelne Ausnahmen zu machen und geeignete Studentinnen in Ihren Kursen zu unterrichten. Ein solches Ausnahmetalent war Elsa Neumann.

Die Fürsprache ihrer Professoren erlaubte es Elsa Neumann schließlich, ihr Studium offiziell abzuschließen. Dank einer Ausnahmegenehmigung des preußischen Kultusministeriums promovierte sie 1898 mit einer Dissertation „Über die Polarisationscapacität umkehrbarer Elektroden“. Schon vor Abschluss des Promotionsverfahrens wurde sie, als erste Frau, in die Physikalischen Gesellschaft aufgenommen. Die Verleihung der Promotionsurkunde im Februar 1899 wurde zum gesellschaftlichen Ereignis: Auf einem zeitgenössischen Stich ist zu sehen, wie der Mathematiker Hermann Amandus Schwarz, Dekan der Philosophischen Fakultät, einer jungen Frau im dunklen Kleid die Promotionsurkunde überreicht. Der Saal ist gefüllt mit interessierten Zuschauern und Zuschauerinnen. Berliner Tageszeitungen berichteten ausführlich und lobten den Mut der Promovendin und der fortschrittlichen Bildungsinstitutionen gleichermaßen.

Erst 1895 waren Frauen überhaupt als Hörerinnen an Berliner Universitäten zugelassen worden. Und erst 10 Jahre nach Elsa Neumanns Promotion, im Sommer 1908, erlangten Frauen das Recht auf Immatrikulation an preußischen Universitäten. In diesen 10 Jahren schlossen 21 weitere Frauen eine Promotion an der Berliner Philosophischen Fakultät ab, alle mit einer Ausnahmegenehmigung des Kultusministeriums.

Ihre Rolle als Vorreiterin für das Recht auf Bildung von Frauen war Elsa Neumann durchaus bewusst: Ihre Herkunft aus einem wohlhabenden Elternhaus hatte ihr einen Bildungsweg ermöglicht, der vielen anderen Frauen verschlossen war. Die Durchsetzung des Frauenstudiums musste daher auch wirtschaftlich unterstützt werden. Zusammen mit Gleichgesinnten - Männern und Frauen - gründete Elsa Neumann im April 1900 den „Verein zur Gewährung zinsloser Darlehen an studierende Frauen“. Sie wurde die erste Vorsitzende, später Ehrenmitglied des Vereins.

Trotz ihrer Unterstützer und der medialen Aufmerksamkeit waren die Berufsaussichten der jungen Absolventin begrenzt: An einer Universität hätte Elsa Neumann als Frau (noch) keine Anstellung bekommen, als Lehrerin an einer staatlichen Schule wäre sie als Jüdin nicht eingestellt worden. So blieb ihr nur das Forschen in einem privaten Labor, von denen es zu jener Zeit mehrere in Berlin gab. Elsa Neumann mietete dort einen eigenen Arbeitsraum, bearbeitete Fragen der Elektrochemie und wurde Mitglied der Deutschen Chemischen Gesellschaft. Sie forschte unter anderem im Auftrag des Deutschen Luftschiffer-Verbandes. Ende Juni 1902 nahm sie sogar an einer Fahrt mit einem Luftschiff teil.

Nur einen Monat später, im Juli 1902 kam Elsa Neumann bei einem Laborunfall ums Leben. Sie starb an den Folgen einer Blausäure-Vergiftung, ob durch Unachtsamkeit oder einen technischen Defekt am Luftabzug blieb unklar. Nekrologe in den Zeitschriften der Physikalischen und der Chemischen Gesellschaft bezeugen ihre Anerkennung unter Fachkollegen. Nach dem Tod stiftete ihre Mutter den „Elsa-Neumann-Preis“ für die beste mathematische oder physikalische Arbeit eines Jahres, der ausdrücklich unabhängig vom Geschlecht oder der Religion vergeben werden sollte. Gesellschaftliche Umstände waren dafür verantwortlich, dass der zwischen 1906 und 1918 jährlich vergebene Preis weder jemals einer Frau zugesprochen wurde noch die Inflation in Deutschland überlebte. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde die Erinnerung an Elsa Neumann, so wie das ganze Netzwerk jüdischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, gewaltsam aus Deutschland verdrängt.

Um die Erinnerung an Elsa Neumann und ihre Verdienste in der Berliner Wissenschaft wieder aufleben zu lassen, hat der Berliner Senat im Jahr 2010 das Förderprogramm für wissenschaftlichen Nachwuchs nach ihr benannt.