Teamteaching, Teilungsunterricht & Co.
„Eine Fünf?? Ey, aber ich hab gelernt!! Was soll das? Was sind Sie für eine Lehrerin???“ N. war außer sich. Lauthals brüllte sie die Lehrerin an, die gerade noch mit süffisanter Mine die korrigierten Klassenarbeiten ausgeteilt hatte – Englisch-Teilungsunterricht an einem Berliner Oberstufenzentrum. Frau S. hatte heute etwa zwei Drittel der Klasse im Raum, die anderen schrieben die besagte Klassenarbeit ein paar Räume weiter bei Frau A. nach. Eine Mitschülerin versuchte N. zu beruhigen. Eine weitere aber pflichtete N. laut bei: „Ja genau, wozu haben wir gelernt? Sie geben uns eh immer dieselbe Note. Frau A. ist viel besser!“ Die Situation beruhigte sich erst, nachdem N. wutentbrannt die Tür hinter sich zugeschlagen hatte: „Ich beschwere mich jetzt bei Frau A., die ist zumindest fair, bei Ihnen lernt man sowieso nix!“
Teilungsunterricht also, na das läuft ja, dachte ich von meinem Beobachtungsposten aus. Ich war in der dritten Woche meines Schulpraktikums, Teilungsunterricht war mir genauso neu wie Teamteaching, das ich erst kurz zuvor hatte erleben dürfen.
Teilungsunterricht gibt es an Berliner Schulen über alle Schulformen hinweg. Manchmal dient er dazu in JüL-Klassen zu differenzieren, manchmal werden für Laborstunden im Chemieunterricht die Klassen geteilt. Der gemeinsame Nenner aller Teilungsstunden ist: Zwei Lehrkräfte pro Klasse.
Auch Teamteaching kann viele Gesichter haben: Eine Lehrperson unterrichtet & eine zweite beobachtet; eine Person unterrichtet & eine zweite assistiert; zwei Lehrpersonen unterrichten gemeinsam; es kann Stationenlernen im Team betreut werden oder die Lehrkräfte teilen die Lerngruppe und unterrichten jeweils einen Teil allein. Zu allen Formen des Teamteachings gehört allerdings das „gemeinsame Vorbereiten, Planen, Durchführen und Evaluieren von Unterricht durch zwei oder mehr Lehrkräfte oder ein multiprofessionelles Team“ (Reich 2016). Im inklusiven Unterricht gilt Teamteaching als unabdingbar. In heterogenen Lerngruppen soll diese Form der Unterrichtsorganisation nicht nur den Lernerfolg aller Schüler*innen steigern, sondern auch die Lehrkräfte entlasten. Warum also wird Teilungsunterricht strukturell implementiert, nicht aber Teamteaching? Finanzieller Aufwand und mangelnde Personalressourcen werden gerne als Grund genannt. Vielmehr mangelt es aber vermutlich an Teamkultur. Lehrkräfte verstehen sich oft als Einzelkämpfer*in.
Inzwischen unterrichte ich selbst im Team, denn ich nehme am Projekt „Unterrichtsfach Glück“ teil. Einmal im Monat besuche ich ein Blockseminar mit dem Lernziel „Wohlbefinden“ und parallel dazu unterrichte ich dasselbe an einer Berliner Schule, eine Doppelstunde pro Woche im Team. Ich bin mit einer Lehrerin gematcht worden, aber auch Teams aus zwei Studierenden sind üblich. Wir planen, unterrichten und reflektieren gemeinsam. Es fühlt sich gut an. So viel besser als meine erste eigene Unterrichtsstunde damals im Praktikum! Diese Erfahrung hatte mich in meinem Berufswunsch eher verunsichert. Die gemeinsame Planung ist effizienter, unsere Ideen und Einwände ergänzen sich, fügen sich zusammen. Im Unterricht ist meine volle Aufmerksamkeit bei den Schüler*innen statt durch Nervosität und Versagensangst gemindert zu sein. Und nach dem Unterricht setzen meine Teampartnerin und ich uns eine halbe Stunde zusammen, schauen, was gut geklappt hat, was wir besser machen könnten und vor allem wie. Im gegenseitigen Feedback-Geben und -Nehmen erfahre und begreife ich in vielen Details, worauf es als Lehrkraft ankommt.
Ich bin mir sicher, dass ich im Team besser bin als allein. Nicht nur, weil meine Teampartnerin eine erfahrene Lehrerin ist und ich von ihrer Kompetenz profitiere. Wir begegnen uns tatsächlich auf Augenhöhe. Sondern weil ein mehr an Perspektiven eben mehr sehen und verstehen kann.
In der Schweiz gibt es im Rahmen der Lehramtsausbildung übrigens Teampraktika. Warum eigentlich nicht auch bei uns?