Engagiert Euch!
Ehemalige und Angehörige der Freien Universität engagieren sich: Sie helfen Geflüchteten, sammeln Spenden, stiften Wissenschaftspreise, beraten Studierende bei der Karriereplanung oder kümmern sich um Umweltschutz.
01.12.2017
Als im Sommer 2015 hunderttausende Menschen in Deutschland Schutz suchten, war Joshua Kriesmann noch Schüler – und gründete mit Freunden einen gemeinnützigen Verein, um zu helfen. Heute studiert der 20-Jährige Jura an der Freien Universität und leitet ehrenamtlich eine höchst erfolgreiche Initiative, die Berliner Schülerinnen und Schüler mit jungen Geflüchteten zusammenbringt – Schüler Treffen Flüchtlinge e. V. (STF).
Gemeinsam mit rund 15 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern organisiert Kriesmann verschiedene Begegnungsprojekte. Es wird gemeinsam gekocht und die Hauptstadt erkundet, vom Basketballspiel bis zum Bundestag. „Junge Geflüchtete im Alter von 18 bis 19 Jahren haben es besonders schwer, Anschluss zu finden“, sagt Kriesmann. „Sie haben meist nicht mehr die Chance, in Deutschland eine Schule zu besuchen. Wir wollen ihnen ermöglichen, trotzdem Freundschaften mit Gleichaltrigen zu schließen.“ Von der Freien Universität ausgehend, engagieren sich unzählige Menschen wie Joshua Kriesmann in ganz unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft. Aktive und ehemalige Studierende, Promovierende und Lehrende übernehmen Verantwortung als Ehrenamtliche, Angestellte, Gründerinnen und Gründer, Stifterinnen und Stifter. Gemeinsam ist ihnen: Sie packen an.
Mit dem Rad und zu Fuß unterwegs, um Spenden zu sammeln
So wie Niklas Gerhards, 24, der an der Charité Medizin studiert. Gemeinsam mit seinem Freund Sven Wang hatte er 2015 eine Idee: eine Fahrradtour durch ganz Europa – um Geld für die medizinische Grundversorgung zu sammeln, die Geflüchtete in den Nachbarländern Syriens dringend benötigten. „Wir sind da ziemlich blauäugig gestartet“, sagt Gerhards. „Wir sind einfach losgeradelt.“ Über die Online-Spendenplattform betterplace.org hielten sie die Community über ihre Reise auf dem Laufenden – 12.000 Kilometer von Malaga bis Istanbul und über Finnland zurück nach Deutschland.
Mit kleinen Geschichten animierten sie hunderte von Spendern etwas zu geben. „Am Ende hatten wir plötzlich 20.000 Euro gesammelt“, sagt Gerhards. Das Geld spendeten die beiden an die Organisation „Ärzte der Welt“. „Mit dem Geld konnte Material und Know-How in Flüchtlingscamps in Ländern wie Jordanien oder der Türkei finanziert werden“, sagt Gerhards, „Antibiotika, Impfungen oder Schwangerschaftsvorsorge.“
Der Geschäftsführer der Vodafone Stiftung, der an der Freien Universität Kommunikationswissenschaft studiert hatte, ging bisher drei Mal für einen guten Zweck wandern. „Ich wollte mich unbedingt noch ehrenamtlich engagieren“, sagt Sebastian Gallander. „Aber mit meinem Arbeitsalltag war das zeitlich gar nicht so einfach.“ Also überlegte er, was er im Urlaub tun könne – und da kam ihm die Idee: Wandern für einen guten Zweck. Drei Mal hat er sich bereits auf rund zweiwöchige Touren begeben. 2014 überquerte er allein und zu Fuß die Alpen. 2016 begab er sich auf den Franziskus-Wanderweg von Assisi bis nach Rom. Und in diesem Jahr machte er sich – passend zum Reformationsjubiläum – auf den Lutherweg von Eisenach nach Worms.
Wie Niklas Gerhards führte auch Gallander einen Blog auf der der Online-Plattform betterplace.org. Das Geld geht jedes Jahr an den Verein Nestwärme e.V. – eine deutschlandweite Initiative, die Familien mit behinderten und schwerstkranken Kindern unterstützt, die diese selbst zuhause pflegen. „Ich fand das ein sehr wichtiges Thema, das zu wenig Aufmerksamkeit bekommt“, sagt Gallander. Mit seinen drei Aktionen hat Gallander schon rund 6.000 Euro privater Spenden für den Verein gesammelt. Nächstes Jahr will er wieder losmarschieren.
Menschen vor Ort mit Geflüchteten zusammenbringen
Mit einem ganzen Schiffscontainer auf Rundreise ging es für Agnes Disselkamp, die 2015 das Masterprogramm „Intercultural Education“ an der Freien Universität abgeschlossen hat. Disselkamp ist Leiterin des Projekts „Kitchen on the Run“ des Vereins „Über den Tellerrand“. Den Schiffscontainer haben Architektur-Studierende der Technischen Universität Berlin in eine mobile Küche umgewandelt. In einem dreiköpfigen Team reiste Disselkamp mit ihm dieses Jahr durch verschiedene deutsche Kleinstädte, wo der Container jeweils sechs Wochen auf dem Marktplatz stand und zur interkulturellen Begegnungsstätte wurde. „Unser Ziel ist es, Beheimatete und Geflüchtete durch das gemeinsame Kochen langfristig zusammenzubringen“, sagt Disselkamp. Dies funktioniere besonders in Kleinstädten gut. „Leute, die sich bei uns das erste Mal treffen, laufen sich später vielleicht wieder über den Weg. Der Kontakt bleibt erhalten.“
In jeder Stadt hat Disselkamp fünf Wochen lang jeweils vier Abende pro Woche mit 25 ganz verschiedenen Menschen gekocht – von Anfang Mai bis Ende September. „Und überall haben wir Gemeinschaften bilden können, die weiter bestehen“, sagt Disselkamp. In allen Städten in denen „Kitchen on the Run“ gastiert hat, sind außerdem feste Kochgruppen entstanden, die sich einmal im Monat weiter treffen. Nächsten Sommer will Disselkamp erneut ausfahren – wieder in deutsche Kleinstädte.
Eigene Erfahrungen weitergeben
Für die Studierenden ihrer alten Uni engagiert sich Beatrice Lange. Die 30-jährige, die an der Freien Universität einen Master in Bildungswissenschaft abgeschlossen hat, arbeitet mittlerweile als Projektkoordinatorin bei der German Toilet Organization e. V. (GTO) und setzt sich für eine weltweite Verbesserung der Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene ein. Im Rahmen der von der Freien Universität einmal jährlich organisierten International Week kehrte sie 2017 nach Dahlem zurück, um Studierende mit Karrierewunsch in internationalen Organisationen zu beraten. „Mir ist es wichtig, auch nach dem Abschluss noch in Kontakt mit der Uni zu bleiben“, sagt Lange.
Auch Helge Schröder hat auf Einladung des Alumni-Büros und des Career Services an der Freien Universität über seine Karriere berichtet. Der 33-Jährige, der dort Geschichte und Politik studierte, arbeitet seit zwei Jahren im Generalsekretariat der Europäischen Kommission in Brüssel. In Dahlem stand er Studierenden Rede und Antwort über eine Karriere in der internationalen Politik. „Ich wollte den Studierenden vor allem mit auf den Weg geben, dass der Stress gegen Ende des Studiums ganz normal ist“, sagt Schröder. „Man braucht dringend einen Job und weiß nicht, wie das alles funktionieren soll. Das macht unsicher.“ Da sei es wichtig, dass man den Studierenden Vertrauen gebe. „Ich habe ihnen gesagt, dass das bei mir alles nicht anders aussah“, sagt Schröder. „Und mit etwas Planung letztendlich gut geklappt hat.“
Die Umwelt schützen
Der Biologie-Student Sebastian Höfer setzt sich – nicht nur an seiner Uni – für die Umwelt ein. „Als ich angefangen habe, mich für den Naturschutz zu engagieren, habe ich begriffen, dass Aufklärung und Vermittlung genauso wichtig sind wie die Arbeit selbst“, sagt er. Höfer hat im Sommer drei Monate eine Initiative geleitet, die sich in Griechenland um den Fortbestand von Meeresschildkröten sorgt. „Wenn man da die lokale Bevölkerung und die Touristen nicht mit einbezieht, macht die Arbeit keinen Sinn.“
An der Freien Universität organisiert der Student, der mit einem Deutschlandstipendium ausgezeichnet wurde, mit zwei Mitstudierenden die Initiative „Biofilm“. Während des Semesters zeigen sie alle zwei Wochen einen Dokumentarfilm zu aktuellen naturbezogenen Themen. Dazu laden sie hochkarätige Gäste ein, die im Anschluss mit dem Publikum den Film diskutieren. „Für mich ist das Tolle, dass wir zu den Filmvorfüh-rungen ganz unterschiedliche Menschen zusammenbringen“, sagt Höfer. „So können wir über die Biologie hinaus Diskussionen fördern und Aufklärungsarbeit leisten.“
Ein neues Stipendienprogramm ins Leben rufen
Alumna Kerstin Leitner möchte ihrer Alma Mater etwas zurückgeben. 1975 promovierte Leitner am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft – drei Tage später trat sie ihren Dienst für die Vereinten Nationen in der afrikanischen Volksrepublik Benin an. Es folgte eine 30-jährige Karriere bei den Vereinten Nationen, mit Stationen in mehreren afrikanischen Ländern, China und den USA. „Als ich 2005 nach Berlin zurückkehrte, habe ich recht schnell wieder bei der Freien Universität angerufen“, sagt Leitner. Mehrere Jahre gab sie am Otto-Suhr-Institut ihre Erfahrungen aus der internationalen Politik pro bono an die Studierenden weiter.
Nun möchte sie einen Schritt weitergehen und ein Stipendienprogramm ins Leben rufen. „Ich möchte Studierenden aus den Ländern, die mein Leben besonders bereichert haben, ermöglichen, an die Freie Universität zu kommen“, erzählt Leitner. „Zum einen ist das Malawi, zum anderen China.“ Leitner möchte dabei insbesondere jungen Menschen aus den entlegenen Provinzen Chinas die Chance geben, nach Berlin zu kommen. „Nächstes Jahr soll das Programm bereits anlaufen“, sagt Leitner. „Die Freie Universität ist, auch durch ihre Verbindungsbüros, international gut vernetzt und aufgestellt, was die Umsetzung des Stipendienprogramms erleichtert.“
Deutschlandstipendien vergeben
Gleich zehn Deutschlandstipendien, die jeweils zur Hälfte vom Bund mitfinanziert werden, stellt die Dr. Hermann Schmitt-Vockenhausen- Stiftung für Studierende der Freien Universität zur Verfügung. Die Stiftung ist nach dem SPD-Politiker und langjährigen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestags benannt, der 1969 an der Freien Universität promoviert wurde. Heute wird die Stiftung von dessen Tochter Dr. Monika Schmitt-Vockenhausen und ihrem Ehemann Dr. Heinz-Joseph Loddenkemper geleitet. „Meinem Vater war in den 1980er Jahren das Schicksal der Indochina-Flüchtlinge, den sogenannten ‚Boat-People‘, ein besonderes Anliegen“, sagt Monika Schmitt-Vockenhausen. „Deshalb fördern wir heute junge Menschen, die sich im Bereich Migration, Integration und Völkerverständigung engagieren.“
Das Ehepaar freut sich besonders, Studierende aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen zu unterstützen, „das Spektrum reicht von der Biochemikerin bis zum Kulturwissenschaftler“, sagt Heinz-Joseph Loddenkemper. Regelmäßig bringt die Stiftung die Stipendiatinnen und Stipendiaten zusammen, die sich an verschiedenen Integrationsthemen weiterbilden. So organisierte Monika Schmitt-Vockenhausen, Ministerialrätin im Bundesinnenministerium, als ehrenamtliche stellvertretende Diözesanleiterin des Malteser Hilfsdienstes Berlin einen Besuch der Stipendiaten bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. „Da haben die Stipendiaten einen Einblick erhalten, wie die Malteser Hilfsdienste 2015 die Flüchtlingskrise gemeistert haben“, sagt Monika Schmitt-Vockenhausen.
Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Chemie und Physik auszeichnen
Ein weiteres Beispiel für außerordentliches Engagement ist der Klung-Wilhelmy-Wissenschafts- Preis, mit dem im jährlichen Wechsel deutsche Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Chemie und Physik ausgezeichnet werden. Der Preis, der unter der Schirmherrschaft von Prof. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, verliehen wird, zählt zu den angesehensten Auszeichnungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland. Zu verdanken ist der Preis der 1972 an der Freien Universität Berlin ins Leben gerufenen Otto-Klung-Stiftung, benannt nach dem Berliner Geschäftsmann Otto Klung, und der Dr. Wilhelmy-Stiftung, benannt nach dem Ingenieur und ehemaligen Vorstandsvorsitzenden eines Berliner Maschinenbauunternehmens, Lothar Wilhelmy. Beide Stiftungen haben 2007 eine Kooperation zur gemeinsamen Vergabe des Wissenschaftspreises abgeschlossen.
„Deutschland ist ein rohstoffarmes Land“, sagt Lothar Wilhelmy, „aller Wohlstand muss mit Fleiß und Kreativität erarbeitet werden. Die Dr. Wilhelmy-Stiftung möchte mit der Förderung von Spitzenforschung hierzu einen Beitrag leisten.“ Mit 60.000 Euro ist der Klung-Wilhelmy-Wissenschafts-Preis seitdem einer der höchstdotierten, privat finanzierten Preise für jüngere Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Chemie und Physik. Beiden Stiftungen liegt die Förderung wissenschaftlicher Spitzenleistungen in Deutschland besonders am Herzen – und die Stifter sind stolz, dass fünf der bisherigen Preisträger später den Nobelpreis erhalten haben.
Wer diese Beispiele persönlichen Engagements aus ganz unterschiedlichen Bereichen liest, muss nicht zuletzt auch an die Gründungsgeschichte der Freien Universität denken. Es war 1948 schließlich eine Universitätsgründung „von unten“ – hervorgegangen aus dem mutigen Engagement kritischer Studierender, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an der damaligen Berliner Universität im sowjetischen Sektor der geteilten Hauptstadt verfolgt wurden. Gesellschaftspolitisches Engagement, könnte man sagen, liegt der Freien Universität im Blut.