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Spitzenforschung

Seit 1985 werden die besten Promovendinnen und Promovenden der Freien Universität mit dem Ernst-Reuter-Preis geehrt. Die Preisträgerinnen und Preisträger 2018 stellen wir Ihnen hier vor.

09.12.2018

v.l.n.r.:Professor Gunter Gebauer, Dr. Susanne Liese, Dr. Johanna Hofmann, Nikolas Pissis, Dr. Tobias Spiegl, Universitätspräsident Günter M. Ziegler, Frau Wolf (Mutter von Dr. Lara Wolf) und Peter Lange

v.l.n.r.:Professor Gunter Gebauer, Dr. Susanne Liese, Dr. Johanna Hofmann, Nikolas Pissis, Dr. Tobias Spiegl, Universitätspräsident Günter M. Ziegler, Frau Wolf (Mutter von Dr. Lara Wolf) und Peter Lange
Bildquelle: Regina Sablotny

Dr. Johanna Hofmann

Johanna Hofmann, 30, studierte von 2007 bis 2012 Chemie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im November 2012 begann sie ihre Promotion am Fritz-Haber- Institut der Max-Planck-Gesellschaft und im Arbeitskreis von Professor Kevin Pagel an der Freien Universität. Ihre Arbeit schloss sie 2017 ab.

Wie lautet der Titel Ihrer Arbeit?

Ionenmobilitäts-Massenspektrometrie von komplexen Kohlenhydraten (Erstgutachter: Prof. Dr. Kevin Pagel / Freie Universität Berlin / Institut für Chemie und Biochemie)

Gibt es eine Anekdote, die Ihnen zu Ihrer Promotionszeit einfällt?

Es ist schwierig, ein einziges Ereignis herauszugreifen, da für mich die vielseitigen Aufgaben und Erlebnisse der Promotionszeit das Besondere waren. Jeder Arbeitsschritt, vom Durchführen der Experimente im Labor über das Schreiben von Veröffentlichungen bis zum Durchlaufen des Begutachtungsprozesses, war eine spannende Erfahrung. Ich wusste oft nicht, welche Überraschungen im Arbeitsalltag warten und musste immer auf alles vorbereitet sein.

Wie würden Sie das Thema Ihrer Arbeit einem zwölfjährigen Kind erklären?

Kohlenhydrate sind nicht nur Bestandteil unserer Nahrung, sondern kommen auch in vielfältiger Weise in unserem Körper vor und bestimmen zum Beispiel, welche Blutgruppe wir haben. Da die Strukturen von Kohlenhydraten sehr ähnlich sind, ist es oft schwer, sie auseinanderzuhalten. Ich habe eine neue Methode entwickelt, mit der es möglich ist, Kohlenhydrate eindeutiger und schneller zu identifizieren.

Dr. Susanne Liese

Susanne Liese, 31, studierte von 2006 bis 2011 Physik an der Technischen Universität Chemnitz und der Technischen Universität München, inklusive eines Erasmus-Semesters an der Université de Montpellier (von Januar bis August 2010). Von 2011 bis 2017 promovierte sie am Fachbereich Physik der Freien Universität.

Wie lautet der Titel Ihrer Arbeit?

Statistical Mechanics Models for Multivalent Binding (Erstgutachter: Prof. Dr. Roland Netz / Fachbereich Physik)

Wie würden Sie das Thema Ihrer Arbeit einem zwölfjährigen Kind erklären?

In meiner Arbeit habe ich Methoden der theoretischen Physik verwendet, um die Entwicklung neuartiger Medikamente, zum Beispiel gegen Grippeviren, zu verbessern. Um menschliche Zellen zu binden, nutzen viele Viren multivalente Rezeptoren, das heißt Rezeptoren mit vielen gleichartigen Untereinheiten. Jede einzelne dieser Untereinheiten bindet sich nur sehr schwach an die Zelle, erst gemeinsam können sie eine starke Bindung aufbauen. In meiner Arbeit habe ich mich mit Inhibitoren befasst, die dieses Prinzip aufgreifen und ebenfalls mehrere identische chemische Gruppen, meistens zuckerartige Moleküle, miteinander verbinden, um sich so effizient an Viren oder andere Krankheitserreger zu binden. Besonders wichtig war dabei die Frage, welche Inhibitorgröße beziehungsweise -form optimal ist, um eine hohe Bindungsstärke zu erreichen.

Nikolas Pissis

Nikolas Pissis, 39, studierte in Athen von 1997 bis 2001 Geschichte und Archäologie, im Wintersemester 2000/01 war er Erasmus- Student in Tübingen. Die nächste Station war von 2002 bis 2007 die Ludwigs- Maximilian-Universität München, ab 2004 war er Doktorand für die Geschichte Ost- und Südosteuropas und Byzantinistik. Die Promotion folgte 2017 an der Freien Universität Berlin.

Wie lautet der Titel Ihrer Arbeit?

Russland in den politischen Vorstellungen der griechischen Kulturwelt 1645 –1725. (Erstgutachter: Prof. Dr. Miltos Pechlivanos / Freie Universität Berlin / Institut für Griechische und Lateinische Philologie)

Gibt es eine besondere Anekdote, die Ihnen zu Ihrer Promotionszeit einfällt?

Die Zeit der Archivforschung in Moskau ist mir in lebendiger Erinnerung geblieben. Ich stieß dort auf chiffrierte Korrespondenzen zwischen griechischen Kirchenmännern und der russischen Regierung. Darauf war ich nicht vorbereitet. Zum Glück erinnerte ich mich an den „Goldkäfer“ von Edgar Allan Poe über die Suche nach einem Piratenschatz und an die darin beschriebene Methode zur Entschlüsselung von Geheimschriften (Häufigkeitsanalyse). Ich wandte sie an und tatsächlich ließen sich, mit etwas Geduld, die Briefe entschlüsseln.

Wie würden Sie das Thema Ihrer Arbeit einem zwölfjährigen Kind erklären?

Russland und die russischen Zaren spielten aufgrund des gemeinsamen orthodoxen Glaubens für die griechische Bevölkerung im Osmanischen Reich eine besondere Rolle. Über diese Rolle waren aber unterschiedliche, mitunter abenteuerliche Vorstellungen weit verbreitet. In meiner Arbeit untersuche ich, wann und wie diese Vorstellungen entstanden sind, was sie aussagen. Ich bin unter anderem zu dem Ergebnis gekommen, dass ähnliche Ideen in derselben Zeit auch anderswo in Europa üblich waren und vergleichbare Funktionen erfüllten.

Dr. Tobias Spiegl

Tobias Spiegl, 35, studierte an der Julius- Maximilians-Universität in Würzburg Allgemeine Geographie (Bachelor), danach Angewandte Physische Geographie (Master) mit den Nebenfächern Klimatologie und Geologie. Im Anschluss erhielt er ein Promotionsstipendium der Helmholtz-Gemeinschaft und der Freien Universität Berlin im Rahmen der „Geo-Sim-Graduiertenschule“. Seine Promotion schloss er 2017 ab. Aktuell ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin im Projekt „MiKlip“ tätig.

Wie lautet der Titel Ihrer Arbeit?

Die Auswirkungen eines potentiellen Grand Solar Minimum auf das Klimasystem vor dem Hintergrund des anthropogenen Klimawandels (Erstgutachterin: Prof. Dr. Ulrike Langematz / Dynamik der Atmosphäre – Institut für Meteorologie der Freien Universität)

Können Sie uns eine kleine Anekdote zum Ernst-Reuter-Preis nennen?

Den letzten Ernst-Reuter-Preis für die Geowissenschaften durfte Katja Matthes (2004) für ihre Untersuchung des solaren Einflusses auf die Atmosphäre entgegennehmen. Es freut mich, dass ich diesen Erfolg, ebenfalls mit einer Studie zu den Effekten solarer Variabilität auf unser Klimasystem, wiederholen kann. Das Thema scheint nicht nur für mich und unsere Arbeitsgruppe sehr spannend zu sein.

Wie würden Sie einem zwölfjährigen Kind ihr Forschungsthema erklären?

Der Erwärmungstrend der vergangenen 150 Jahre lässt sich deutlich auf den Anstieg des vom Menschen verursachten Kohlendioxids zurückführen. In Abhängigkeit von der Intensität der zukünftigen Klimaschutzmaßnahmen können wir eine weitere Erwärmung zwischen zwei und mehr als vier Grad bis zum Ende dieses Jahrhunderts abschätzen, natürliche Einflussfaktoren können die vom Menschen verursachte Erwärmung weiter verstärken oder abschwächen. Ein wichtiger natürlicher Klimafaktor ist die Sonne: Ihre Strahlkraft ist zeitlich variabel und schwankt unter anderem auf einer Zeitskala von einigen Jahrhunderten. Messungen legen nahe, dass sich ihre Strahlkraft in den kommenden Jahrzehnten deutlich abschwächen könnte. Dieser Umstand wird unter anderem von vielen Klimaskeptikern angeführt, um die Rolle des vom Menschen verursachten Kohlendioxid-Anstiegs im Klimasystem anzuzweifeln, da eine Abschwächung der Sonne mit einer Abkühlung verbunden wäre. Um diese Hypothese auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, haben wir mit Hilfe eines komplexen Klimamodells und eines Supercomputers die Auswirkungen einer solchen solaren Abschwächung bei gleichzeitigem Anstieg der atmosphärischen Kohlendioxidkonzentration simuliert. Das Resultat: Selbst eine extreme Abschwächung der Strahlkraft der Sonne würde nicht zu einer nachhaltigen Verlangsamung des Klimawandels führen – die Sonne stellt somit keine Alternative zu umfassenden Klimaschutzmaßnahmen dar.

Dr. Lara Wolf

Lara Luisa Wolf, 28, studierte Rechtswissenschaften an der Freien Universität (2009 – 2014) und an der University of Cambridge (2011 – 2012). Die Promotion erfolgte von 2014 bis Herbst 2016.

Wie lautet der Titel Ihrer Arbeit?

Die Fluchtprognose im Untersuchungshaftrecht. Eine empirische Untersuchung der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO (Erstgutachter: Prof. Dr. Tobias Singelnstein / früher Freie Universität Berlin, jetzt Ruhr-Universität Bochum)

Gibt es eine Anekdote, die Ihnen zu Ihrer Promotionszeit einfällt?

Nachdem ich das erste mehrerer Interviews mit Gefängnisinsassen geführt hatte, musste ich ein zweites Mal in dieselbe Justizvollzugsanstalt. Dort angekommen, baute sich ein riesiger, muskelbepackter Mann mit tätowiertem Gesicht vor mir auf und fragte: „Sie sind Frau Wolf, oder?“ Auf meine Frage, ob wir uns kennen, sagte er nur: „Wir kennen uns nicht. Aber im Gefängnis weiß man so einiges.“

Wie würden Sie das Thema Ihrer Arbeit einem Zwölfjährigen erklären?

Fast immer, wenn ein Mensch in Untersuchungshaft muss, weil er einer Straftat verdächtig ist, wird die Haft mit Fluchtgefahr begründet. Das heißt man glaubt, dass er untertauchen könnte, wenn er nicht eingesperrt wird. Ich habe mich gefragt, was Fluchtgefahr genau bedeutet, und wovon es abhängt, ob jemand flieht oder zum Gerichtsprozess erscheint und die Haftstrafe gegebenenfalls antritt. Ich fand heraus, welche Faktoren Einfluss darauf haben, ob ein Beschuldigter untertaucht. Dafür habe ich mir die Fälle von Personen angeschaut, die in Freiheit geblieben sind, obwohl angeblich Fluchtgefahr bestand, um dann zu überprüfen, ob sie tatsächlich verschwanden – was fast nie der Fall war.