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Die Welt ist ein Dorf

1959 eröffnet in Schlachtensee das damals modernste Studentendorf Berlins. Menschen aus aller Welt haben hier Freundschaften geknüpft, miteinander gelebt und gelernt. Zwischenzeitlich vom Abriss bedroht, steht das Dorf heute blendend da.

27.11.2019

Ein Dorf in Schlachtensee, ein demokratisches Experiment und ein Ort, an dem sich tausende Menschen aus aller Welt kennenlernten.

Ein Dorf in Schlachtensee, ein demokratisches Experiment und ein Ort, an dem sich tausende Menschen aus aller Welt kennenlernten.
Bildquelle: Reinhard Friedrich/Universitätsarchiv der Freien Universität

Als das Studentendorf Schlachtensee im Jahr 1959 eröffnet wird, galt noch der „Kuppelparagraf “. „Man war gesetzlich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass unverheiratete Menschen keine ‚Unzucht‘ treiben, wie man das damals nannte“, erzählt Jens-Uwe Köhler. Und so wohnten die ersten 565 Studierende im Dorf zunächst streng nach Geschlechtern getrennt, in sogenannten Damen- und Herrenhäusern. Eine strenge Hausordnung diktierte, die Räumlichkeiten des anderen Geschlechts bis spätestens 22 Uhr verlassen zu müssen. Köhler, studierter Germanist, lebte von 1991 bis 2001 im Studentendorf – heute ist er einer der beiden Vorstände der Genossenschaft, die das Wohnheim seit 2002 betreibt. „Das Studentendorf entstand als Teil des amerikanischen Reeducation- Programms“, sagt er.

Eleanor Lansing Dulles und Willy Brandt legten am 10. Oktober 1957 den Grundstein für das Studentendorf Schlachtensee.

Eleanor Lansing Dulles und Willy Brandt legten am 10. Oktober 1957 den Grundstein für das Studentendorf Schlachtensee.
Bildquelle: Universitätsarchiv / Freie Universität Berlin

Den Grundstein legte die amerikanische Diplomatin und Berlinbeauftragte Eleanor Lansing Dulles 1957 gemeinsam mit Willy Brandt, dem damaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin. Dulles war im US-Außenministerium für den Wiederaufbau Berlins verantwortlich. Finanziert mit 7,5 Millionen Mark vom amerikanischen Außenministerium und weiteren Mitteln der Ford Foundation, war das Studentendorf damals das größte und modernste Studentenwohnheim Berlins. Doch es sollte noch viel mehr sein – die künftige Elite eines demokratischen Deutschlands sollte hier ein Zuhause finden. „Nach den Erfahrungen der nationalsozialistischen Diktatur sollten junge Menschen die Prinzipien demokratischen Zusammenlebens in ihrem Alltag erlernen und leben“, erzählt Köhler.

Trotz aller Sittenstrenge wird das Studentendorf in der Adenauerzeit zu einem demokratischen Experimentierfeld. Betrieben wird es von der eigens gegründeten Stiftung Studentendorf. Die Verantwortung tragen die Freie Universität, das Land Berlin und die Ford Foundation. Die Studierenden sollen das Zusammenleben in Eigenregie gestalten – zumindest ist das auf dem Papier so vorgesehen. Ein komplexes Partizipationsmodell gibt die Regeln vor: Die Bewohnerinnen und Bewohner schließen sich zunächst zu Hausgemeinschaften zusammen, die wiederum Vertretungen an einen „Dorfrat“ entsenden. „Dieser Dorfrat war eine Art Parlament“, sagt Köhler. „Er bestimmte studentische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und bildete verschiedene Ausschüsse, etwa für die Aufnahme neuer Bewohnerinnen und Bewohner oder das Kulturprogramm.“

Ekkehard Wesner war Bürgermeister im Studentendorf: „Wenn man mit Anfang 20 ein kleines Parlament führen muss und ein Wohnheim mit bald 800 Bewohnern leitet, ist das eine prägende Erfahrung.“

Ekkehard Wesner war Bürgermeister im Studentendorf: „Wenn man mit Anfang 20 ein kleines Parlament führen muss und ein Wohnheim mit bald 800 Bewohnern leitet, ist das eine prägende Erfahrung.“
Bildquelle: Mila Hacke

Ein ehemaliger Bürgermeister des Studentendorfes ist Ekkehard Wesner. Der heute 80-Jährige lebte von 1963 bis 1966 im Studentendorf. „Das war die erste Führungsaufgabe in meinem Leben“, sagt er. „Wenn man mit Anfang 20 ein kleines Parlament führen muss und ein Wohnheim mit bald 800 Bewohnern leitet, ist das eine prägende Erfahrung.“ Später machte Wesner Karriere als Topmanager bei Volkswagen. Sein Handwerkszeug, sagt er, habe er im Studenten29 dorf erworben. „Ich habe dort gelernt, wie man unterschiedliche Menschen mit vielfältigen Hintergründen zusammenbringt“, sagt er. „Es war erstaunlich, wie harmonisch es bei uns war.“

Die Architektur des Dorfes ist bewusst transparent gestaltet

Im ersten Bauabschnitt (1957-59) des heute denkmalgeschützten Areals entstanden die zwölf Herrenhäuser und sechs Damenhäuser, das Bürgermeisteramt, ein Ladengeschäft und eine Bibliothek. Das Ensemble im Stil der Nachkriegsmoderne wurde von den Architekten Hermann Fehling, Daniel Gogel und Peter Pfankuch bewusst transparent gestaltet, mit einem besonderen Augenmerk auf die Gemeinschaftsflächen. Die Architektur ist so gestaltet, dass das Zusammenleben gefördert wird. „Bei uns gibt es keine abgetrennten Einzimmerapartments wie in anderen Heimen“, sagt Köhler. „Bei uns gilt: miteinander leben, miteinander lernen – und natürlich auch miteinander feiern.“

Eleanor Dulles ist enttäuscht vom studentischen Leben im Dorf

Mit dem Engagement, wie es sich die Planer vorgestellt hatten, läuft es Anfang der 1960er-Jahre zunächst eher stockend. „Das Interesse an Arbeitsgruppen und demokratischer Partizipation war eher gering“, sagt Köhler. „Die Studierenden trafen sich lieber auf Dorfpartys.“ Eleanor Dulles ist ernüchtert, als sie im Jahr 1961 nach Schlachtensee kommt. Nicht die geistigen Eliten treffe sie in Schlachtensee, schreibt sie an den Rektor der Freien Universität, sondern ganz gewöhnliche Studentinnen und Studenten mit Alltagssorgen und Nöten, die weniger Interesse am Aufbau demokratischer Strukturen hätten als an Privatheit, Freizeit und Wohnkomfort. Ekkehard Wesner allerdings setzt in seiner Zeit als Bürgermeister so einige politische Projekte um. Als Willy Brandt und Egon Bahr Anfang der 1960er-Jahre erste Ideen zu ihrer neuen Ostpolitik entwickeln, organisiert Wesner im Gemeinschaftshaus des Dorfes eine Diskussionsveranstaltung. Es kommt Bahr persönlich – und als Diskussionspartner Franz Josef Strauß. „Da war das Haus schon voll“, erinnert sich Wesner. „Die deutsch-deutsche Teilung und die Situation im Osten hat uns alle umgetrieben.“

Das Studentendorf wird Anlaufstelle für Geflüchtete aus Ost-Berlin

Auch Fluchthilfe für Menschen aus Ost-Berlin wird in Schlachtensee organisiert. Burkhart Veigel, einer der prominentesten und erfolgreichsten Fluchthelfer West-Berlins, wohnt im Studentendorf. Durch ihn wird das Wohnheim in den 1960er-Jahren für einige Geflüchtete zur ersten Anlaufstelle im Westen. 2012 erhielt er für seinen Einsatz gemeinsam mit 14 weiteren Fluchthelfern das Bundesverdienstkreuz. Als Bürgermeister Wesner die Idee hat, Professoren aus der Humboldt-Universität zu einer Diskussionsrunde ins Studentendorf einzuladen, nimmt er Kontakt zu den DDR-Flüchtlingen im Dorf auf. „Dadurch ergab sich der Kontakt zu dem Liedermacher Wolf Biermann“, sagt er. „Dann bin ich in meinem VW Käfer rübergefahren, gemeinsam mit meinem Kulturreferenten.“ Über Vermittlung Biermanns kommen sie zu Robert Havemann, Professor für Physikalische Chemie an der Humboldt- Universität und berühmter Kritiker des SED-Regimes. „Havemann war sehr interessiert“, sagt Wesner. „Leider konnten wir das Projekt aufgrund des Widerstands des Rektors der Freien Universität und des West-Berliner Wissenschaftssenators nicht weiter verfolgen.“ Auch die Aussöhnung mit Israel ist Wesner wichtig. 1966 organisiert er für 15 Bewohner des Studentendorfs eine Reise dorthin. Das Geld dafür kann er beim Axel-Springer-Konzern akquirieren. Die West-Berliner Studentenbewegung, die Mitte der 1960er-Jahre Fahrt aufnimmt, versucht Wesner vom Dorf fernzuhalten. „Ich wollte den Ausgleich“, sagt er. „Ich wollte das harmonische Zusammenleben nicht gefährden.“

Doch als im Jahr 1967 – Wesner ist da bereits aus dem Studentendorf ausgezogen – der West-Berliner Student Benno Ohnesorg erschossen wird, schlägt das auch in Schlachtensee Wellen. „Das war ein deutlicher Einschnitt“, sagt Jens-Uwe Köhler. „Viele Bewohnerinnen und Bewohner wurden durch Ohnesorgs Tod politisiert und mobilisiert.“ Sie protestieren gegen die immer noch herrschende Geschlechtertrennung, bald darauf folgt ein Mietstreik für ein bundesweites Wohngeld für Studierende. Doch das politische Engagement der Studierenden kommt nicht überall gut an. Hatte man noch wenige Jahre zuvor den fehlenden Einsatz beklagt, wird es der Stiftung aus Land Berlin, Ford Foundation und Freier Universität nun zu viel. „Die Stiftung war der Ansicht, dass die eigentliche Verantwortung für das Studentendorf bei der Universität und ihren Partnern liegt“, sagt Köhler. „Eine tatsächliche Selbstverwaltung durch die Studierenden zuzulassen, war man nicht bereit.“ Anfang der 1970er-Jahre wird das Experiment demokratischer Selbstverwaltung schließlich aufgegeben. Die Stiftung wird aufgelöst, das Studentendorf unter die Trägerschaft des Studentenwerks gestellt.

Christa Markl-Vieto, Politikerin von Bündnis 90 / Die Grünen, zog 1973 ins Studentendorf: „Mein politisches ABC habe ich dort gelernt.“

Christa Markl-Vieto, Politikerin von Bündnis 90 / Die Grünen, zog 1973 ins Studentendorf: „Mein politisches ABC habe ich dort gelernt.“
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

„Ein Studentenheim wie jedes andere wurde Schlachtensee trotzdem nicht“, sagt Christa Markl-Vieto. Die Politikerin von Bündnis 90 / Die Grünen war 1973 in eine Wohngemeinschaft eingezogen – mit 19 Jahren, ohne Abitur und ohne Mietvertrag. „Die ersten Jahre habe ich dort einfach schwarz gelebt“, sagt sie. Abends lernt sie mit ihren Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern. Sie holt ihr Abitur nach, nimmt schließlich ein Studium der Erziehungswissenschaft an der Freien Universität auf. „Man konnte im Studentendorf Menschen aus der ganzen Welt kennenlernen“, sagt sie. „Es lebten damals viele Intellektuelle etwa aus dem Iran und den palästinensischen Gebieten im Dorf, alle sehr engagiert, sehr belesen.“

Weltpolitik in der WG-Küche

Weltpolitik spielt sich für Markl-Vieto nun nicht mehr nur in der Tagesschau ab, sondern in der WG-Küche. „Mein gesamtes politisches ABC habe ich dort gelernt“, sagt sie. „Und vor allem habe ich gelernt, was für mutige Menschen es auf der Welt gibt, die sich unter größten Gefahren politisch engagieren.“ Zehn Jahre lang lebt Markl-Vieto in Schlachtensee. Sie lernt dort ihren späteren Ehemann kennen, einen angehenden Bauingenieur aus Costa Rica. 1980 kommt die gemeinsame Tochter zur Welt, sie verbringt ihre ersten drei Lebensjahre in Schlachtensee. „Sie hatte im Prinzip eine Kindheit auf dem Dorf “, erzählt Markl- Vieto. „Sie ist als Einzelkind aufgewachsen, und doch in einer großen Gemeinschaft.“ Auch als die junge Familie 1983 das Studentendorf verlässt, geht die Tochter weiter in die Dorfkita, die Markl-Vieto einst mitgegründet hatte und die bis heute fortbesteht.

Siddharth Kammar, 26-jähriger Marketing-Student aus dem indischen Bangalore: „Es ist toll, dass hier Menschen aus allen Ecken der Welt zusammenkommen.“

Siddharth Kammar, 26-jähriger Marketing-Student aus dem indischen Bangalore: „Es ist toll, dass hier Menschen aus allen Ecken der Welt zusammenkommen.“
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Heute sind es Menschen wie Siddharth Kammar, die das Leben im Studentendorf prägen. Der 26-jährige Marketing-Student aus dem indischen Bangalore lebt seit März 2019 in Schlachtensee. In seiner Freizeit widmet er sich seinem Hobby: Bollywood-Tänzen. Fünf Auftritte hat Kammar bereits im Studentenclub A18 organisiert. „Das Publikum war grandios“, sagt er. „Es ist toll, dass hier Menschen von allen Berliner Universitäten und aus allen Ecken der Welt zusammenkommen.“

Das deutsch-amerikanische Paar Johanna Heß und Andrew Hoy Mades setzt sich für politische Traditionen ein: „Besonders spannend ist die Zusammenarbeit mit Studierenden aus Ländern, in denen Demokratie nicht selbstverständlich ist.“

Das deutsch-amerikanische Paar Johanna Heß und Andrew Hoy Mades setzt sich für politische Traditionen ein: „Besonders spannend ist die Zusammenarbeit mit Studierenden aus Ländern, in denen Demokratie nicht selbstverständlich ist.“
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Johanna Heß und Andrew Hoy Mades setzen sich dafür ein, dass neben dem Freizeitprogramm auch die Tradition des politischen Engagements erhalten bleibt. Das deutsch-amerikanische Paar wohnt seit rund einem Jahr in einem kleinen Apartment im Dorf. „Und es ist wirklich wie in einem Dorf “, sagt Johanna Heß. „Es ist ein ganz anderer Austausch als in der Stadt, wo man seine Nachbarn gar nicht kennt.“

Angefangen haben die beiden mit einem Gärtnereiprojekt. „Aber dann haben wir festgestellt, dass wir mehr machen wollen“, sagt Andrew Hoy Mades. „Wir wollen die Bewohnerinnen und Bewohner wieder mehr zusammenbringen, ein Forum schaffen, in dem man Anliegen und Ideen gegenüber der Verwaltung formulieren kann.“ Gerade sind die beiden dabei, Kontakte zu knüpfen und erste Treffen zu organisieren. „Besonders spannend ist die Zusammenarbeit mit Studierenden aus Ländern, in denen Demokratie nicht selbstverständlich ist“, sagt Heß. „Wir sind vielen Menschen begegnet, die hier gelernt haben, sich zu organisieren und eigene Interessen zu vertreten.“ So wiederholt sich im Studentendorf die Geschichte.

Um die Jahrtausendwende regte sich lautstarker Protest gegen den drohenden Abriss des Studentendorfs.

Um die Jahrtausendwende regte sich lautstarker Protest gegen den drohenden Abriss des Studentendorfs.
Bildquelle: Universitätsarchiv / Freie Universität Berlin

Christa Markl-Vieto, heute Vorsitzende des Aufsichtsrats der Genossenschaft, freut es ganz besonders, wenn sich Bewohnerinnern und Bewohner engagieren. „Wir betreiben das Studentendorf privatwirtschaftlich, aber wir sind keine Firma wie jede andere“, sagt sie. „Wir fühlen uns dem politischen Erbe des Studentendorfs verpflichtet: Wir wollen ein Ort sein, an dem über gesellschaftliche Fragen debattiert wird, wo man sich einsetzt und einmischt.“

Um die Jahrtausendwende droht dem Studentendorf der Abriss

Dabei ist es alles andere als selbstverständlich, dass es diesen Ort so noch gibt. Um die Jahrtausendwende wäre das Studentendorf um ein Haar abgerissen worden. „Es begann damit, dass Peter Radunski, dem damaligen Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur, ein Teil der ehemaligen Schultheiss- Brauerei in Kreuzberg zum Kauf angeboten wurde“, sagt Köhler. Eine Investorengruppe verfolgte den Plan, den alten Eiskeller der Brauerei als Standort für die Berlinische Galerie zu nutzen, deren Bestände damals im Depot schlummerten. „Dafür wollten die Investoren allerdings 23,5 Millionen Mark“, sagt Köhler. „Die aber wurden dem Kultursenator von der damaligen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing nicht bewilligt.“ Stattdessen vereinbarte man einen Grundstücktausch – die Wahl fiel auf das Studentendorf. „Laut einem Gutachten des Senats betrug der Wert dieses Grundstücks ebenfalls 23,5 Millionen“, sagt Köhler lachend, „was für ein Zufall!“

Jens-Uwe Köhler, Finanzvorstand des Studentendorfs: „Bei uns gibt es keine abgetrennten Einzimmerapartments, wie in anderen Heimen, bei uns gilt: miteinander leben, miteinander lernen – und natürlich auch miteinander feiern.“

Jens-Uwe Köhler, Finanzvorstand des Studentendorfs: „Bei uns gibt es keine abgetrennten Einzimmerapartments, wie in anderen Heimen, bei uns gilt: miteinander leben, miteinander lernen – und natürlich auch miteinander feiern.“
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Das Studentenwerk begann das Dorf nach und nach zu leeren. Bis zum Jahr 2001 schrumpft die Bewohnerzahl auf 20 Hartnäckige – sie bleiben trotz Räumungsklagen in ihren Wohnungen und wehren sich. Auch Jens-Uwe Köhler und Christa Markl-Vieto sind bei den Protesten dabei. Prominente Unterstützung erhalten sie von dem Architekten Hardt-Waltherr Hämer, genannt Gustav, dem ehemaligen Chef der Internationalen Bauhaus-Ausstellung, Vizepräsidenten der Akademie der Künste und Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau. Sie informieren die Öffentlichkeit, nehmen Kontakt auf zur Verwaltung der Freien Universität und zum Allgemeinen Studentenausschuss (AStA). Nach zähem Ringen setzen sie sich schließlich gegen mehrere Investoren durch. Im September 2002 wird eine Genossenschaft gegründet, rund ein Jahr später kann der Kaufvertrag mit dem Land Berlin unterzeichnet werden.

Andreas Barz, Vorstandsvorsitzender der Studentendorf Schlachtensee eG.: „Angesichts stärker werdender antidemokratischer Bewegungen und autoritärer Regime ist gelebte Demokratieerfahrung im Studentendorf aktueller denn je.“

Andreas Barz, Vorstandsvorsitzender der Studentendorf Schlachtensee eG.: „Angesichts stärker werdender antidemokratischer Bewegungen und autoritärer Regime ist gelebte Demokratieerfahrung im Studentendorf aktueller denn je.“
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

„Ohne die langjährige und tiefe Partnerschaft mit der Freien Universität hätte das nicht geklappt“, sagt Andreas Barz, Vorstandsvorsitzender der Studentendorf Schlachtensee eG. Nicht wenige aus der Berliner Politik hätten das Projekt damals belächelt. „Es hieß: Wohnheimplätze braucht doch kein Mensch!“, sagt Jens-Uwe Köhler. „Aber ich habe immer gesagt: Ihr werdet den Zimmern noch hinterherweinen, irgendwann werdet ihr sie dringend brauchen!“

Seit 2006 genießt das Studentendorf Schlachtensee den Rang eines Nationalen Kulturdenkmals. Die Sanierung wird von der Bundesregierung, dem Land Berlin und der Stiftung Deutscher Denkmalschutz unterstützt. Heute leben rund 900 Studierende in Schlachtensee. „Natürlich hat sich seit der Gründung vor 60 Jahren einiges verändert“, sagt Jens-Uwe Köhler. „Aber wir fühlen uns dem geschichtlichen Erbe bis heute verpflichtet.“ Und Andreas Barz ergänzt: „Angesichts stärker werdender antidemokratischer Bewegungen und autoritärer Regime ist gelebte Demokratieerfahrung, wie sie das Studentendorf bietet, aktueller denn je.“