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Ernst-Reuter-Preise 2019

Die besten Promovendinnen und Promovenden werden seit 1985 mit dem Ernst-Reuter-Preis geehrt. Wir stellen Ihnen die Preisträgerinnen und Preisträger 2019 vor.

27.11.2019

Henrik Wilimg untersuchte, wie Gesetze der Thermodynamik aus Sicht der Quantentheorie verstanden werden können.

Henrik Wilimg untersuchte, wie Gesetze der Thermodynamik aus Sicht der Quantentheorie verstanden werden können.
Bildquelle: privat

Henrik Wilming

Henrik Wilming, 32, studierte von 2007 bis 2013 Physik (Bachelor an der Freien Universität, Master an der Technischen Universität Berlin), von 2014 bis 2018 folgte die Promotion an der Freien Universität.

Wie lautet der Titel Ihrer Arbeit? „A Quantum of Thermodynamics. From ground state cooling to spontaneous symmetry breaking" (Erstgutachter: Prof. Dr. Jens Eisert, Freie Universität).

Wie würden Sie das Thema der Arbeit einem zwölfjährigen Kind erklären?

In meiner Doktorarbeit bin ich folgender Frage nachgegangen: Wie können die Gesetze der Thermodynamik, die Dinge wie Kraftwerke, Kühlschränke und andere große Objekte und Maschinen beschreibt, aus Sicht der Quantentheorie verstanden werden, die wiederum das Verhalten extrem kleiner Objekte beschreibt – beispielsweise einzelner Atome? Das ist interessant, weil es uns hilft, besser zu verstehen, inwiefern die Gesetze der Thermodynamik auch für extrem kleine Systeme anwendbar sind und damit potenziell auch relevant für zukünftige Quantentechnologien.

Tobias Jochum

Jochum Tobias untersuchte ethische und politische Fragen zu US-mexikanischer Grenzliteratur.

Jochum Tobias untersuchte ethische und politische Fragen zu US-mexikanischer Grenzliteratur.
Bildquelle: privat

Tobias Jochum, 36, studierte Nordamerikastudien am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität. Auslandsaufenthalte führten ihn an die UC Berkeley (USA) und an die Universidad de La Laguna (Teneriffa/ Spanien), wo er von 2011 bis 2013 seinen Master in Nordamerikastudien absolvierte. 2014 folgte das Promotionsstudium an der Graduate School of North American Studies der Freien Universität Berlin.

Wie lautet der Titel Ihrer Arbeit?

"The Ethics of Representation in Contemporary Literary Narratives of Border Violence" (Erstgutachterin: Prof. Dr. Ulla Haselstein, Freie Universität).

Wie würden Sie das Thema Ihrer Arbeit einem zwölfjährigen Kind erklären?

In meiner Dissertation habe ich mich mit ethischen und politischen Fragen zu US-mexikanischer Grenzliteratur beschäftigt. Als Fallbeispiel diente die nordmexikanische Grenzstadt Ciudad Juárez, die seit den 1990er-Jahren immer wieder Schlagzeilen macht mit extremer sozialer und politischer Gewalt, vor allem gegen Frauen. Mich hat interessiert, welche narrativen Strategien verschieden positionierte Autorinnen und Autoren entwickeln, um einerseits einer enorm komplexen und undurchsichtigen Lage vor Ort gerecht zu werden, andererseits Trauma und soziale Realitäten in einer Art und Weise zu artikulieren, die affektiv aufzurütteln vermag, ohne dabei unweigerlich Teil einer diskursiven Gewaltspirale zu werden. Es gibt kein klares Rezept für eine moralisch lupenreine und effektive Darstellung konkreter historischer Grausamkeiten, die unser globales System produziert, aber die spannendsten Texte hier agieren informativ und selbstreflexiv, verbinden Dokumentarisches mit Fiktionalem und erweitern Vorstellungshorizonte jenseits von Zynismus und Hoffnungslosigkeit. Ciudad Juárez ist nicht außergewöhnlich, sondern steht exemplarisch für die von Militarisierung und Neoliberalismus geprägte Welt; außergewöhnlich ist aber die transnationale zivilgesellschaftliche Reaktion auf die Ereignisse dort, die bereits bemerkenswerte kritische Erkenntnisse sowie neue Formen politischen Widerstands und künstlerischen Ausdrucks hervorgebracht hat.

Gibt es eine Anekdote aus Ihrer Promotionszeit?

Ich hatte das große Glück, Ciudad Juárez bei mehreren längeren Besuchen als eine unglaublich faszinierende und vielschichtige Stadt kennenzulernen und dort tiefe Freundschaften mit Kulturschaffenden sowie Akademikerinnen und Akademikern zu schließen. Womit ich aber nicht gerechnet hatte: Ein mexikanischer Freund und großer Schallplattensammler führte mich in die deutsche „Prog"- und „Krautrockgeschichte" ein. Seine Vinylschätze findet er seit den siebziger Jahren auf den Straßenmärkten von Juárez; amerikanische G.I.s, stationiert auf der Militärbasis Fort Bliss im benachbarten El Paso, brachten die Platten damals von ihren Aufenthalten aus Deutschland mit, und so fand die Musik schnell ihren Weg über die Grenze. Ich hatte mich vorher noch nie ernsthaft mit Bands wie CAN oder Popul Vuh beschäftigt, und wer (in meinem Alter) hätte schon gedacht, dass die Scorpions früher tatsächlich mal richtig coole Musik gemacht haben?

Annika Schnücker

Annika Schnücker entwickelte mathematische  Werkzeuge, um Preisdifferenzen besser verstehen zu können.

Annika Schnücker entwickelte mathematische Werkzeuge, um Preisdifferenzen besser verstehen zu können.
Bildquelle: privat

Annika Schnücker, 31, studierte von 2008 bis 2013 Geschichte und Wirtschaftswissenschaft in Oldenburg (Bachelor) und Volkswirtschaftslehre in Münster (Master). Von Oktober 2013 bis Juli 2018 promovierte sie am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität und am „DIW Berlin Graduate Center".

Wie lautet der Titel Ihrer Arbeit?

„Model selection methods for panel vector autoregressive models" (Erstgutachter: Prof. Dr. Helmut Lütkepohl, Freie Universität / DIW).

Wie würden Sie das Thema Ihrer Arbeit einem zwölfjährigen Kind erklären?

Ich entwickelte in meiner Arbeit mathematische Werkzeuge, um wirtschaftliche Zusammenhänge zwischen Ländern zu untersuchen. Ein Beispiel: Es gibt für die gleichen Waren in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Preise – und die können sich im Laufe der Zeit verändern. Mit den von mir entwickelten Werkzeugen kann ich untersuchen, was mit den Preisen in einem Land passiert, wenn sich die Preise für die gleichen Waren in einem anderen Land verändern.

Jakob Trimpert

Jakob Trimpert nutze in seiner Arbeit Viren, um Fehler beim Kopieren von Erbinformationen zu untersuchen.

Jakob Trimpert nutze in seiner Arbeit Viren, um Fehler beim Kopieren von Erbinformationen zu untersuchen.
Bildquelle: privat

Jakob Trimpert, 33, studierte von 2006 bis 2013 Veterinärmedizin an der Freien Universität Berlin. Forschungsprojekte führten ihn während des Studiums an die Cornell University in Ithaca (USA), die University of Melbourne (Australien) und die University of California in Davis (USA). Von 2013 bis 2018 promovierte er an der Freien Universität am Institut für Virologie.

Wie lautet der Titel Ihrer Arbeit?

„The role of DNA polymerase fidelity on genetic variation and pathogenicity of Marek’s disease virus" (Erstgutachter: Prof. Dr. Klaus Osterrieder, Freie Universität Berlin).

Wie würden Sie das Thema Ihrer Arbeit einem zwölfjährigen Kind erklären?

Im Rahmen meiner Doktorarbeit habe ich untersucht, was es für einen Organismus bedeutet, wenn dieser plötzlich ganz viele Fehler beim Kopieren seiner Erbinformation macht. Um das zu überprüfen, habe ich Viren so verändert, dass sie jedes Mal Fehler einbauen, wenn sie ihre Erbinformation vervielfältigen, um einen neuen Viruspartikel zu produzieren. Mit jedem Mal Vervielfältigen wurden die Fehler mehr und die Viren schwächer. Die Fehler in der Erbinformation haben wahrscheinlich dazu geführt, dass wichtige Teile der Viruspartikel nicht mehr richtig zusammengebaut wurden und damit auch nicht gut funktionierten. Ganz am Ende meiner Arbeit stellte sich aber heraus, dass Viren lernen können, mit den vielen Fehlern zu leben, und aus dem Problem vielleicht ein Vorteil werden kann, nämlich dann, wenn viele verschiedene Viren miteinander kooperieren, um gemeinsam einen Vorteil zu erhalten.

Gibt es eine kleine nette Anekdote aus Ihrer Promotionszeit?

Ich hatte das Glück, in einem sehr international besetzen Labor zu arbeiten, viele Menschen unterschiedlichster Herkunft haben für ein bereicherndes Arbeitsumfeld gesorgt. Einer unserer klügsten wissenschaftlichen Mitarbeiter stammte aus der Slowakei, und durch ihn zeigte sich, dass das Erlernen der deutschen Sprache eine Herausforderung ist und für amüsante Missverständnisse sorgen kann – denn dieser Mitarbeiter hatte einmal die Aufgabe, einem neuen Doktoranden aus Indien die Mensa zu zeigen. Diesen Sachverhalt erklärte er uns mit angestrengtem Gesichtsausdruck und den wohl gewählten Worten: „Ich gehe den Indianer essen."

Sophia Walter

Für ihre Dissertation beobachtete Sophia Walter, wie Photosynthese aus dem Weltraum aussieht.

Für ihre Dissertation beobachtete Sophia Walter, wie Photosynthese aus dem Weltraum aussieht.
Bildquelle: privat

Sophia Walter, 30, studierte von 2008 bis 2014 Meteorologie an der Freien Universität (Bachelor und Master). Im Anschluss promovierte sie von 2014 bis 2018 zunächst ein halbes Jahr am Institut für Weltraumwissenschaften der Freien Universität, dann am GeoForschungsZentrum Potsdam (mit Aufenthalten am Joint Research Centre der Europäischen Kommission in Ispra/Italien).

Wie lautet der Titel Ihrer Arbeit?

„Assessment of the dynamics of terrestrial vegetation using satellite observations of greenness and sun-induced chlorophyll fluorescence" (Erstgutachter: Prof. Dr. Luis Guanter, Universitat de València).

Wie würden Sie das Thema Ihrer Arbeit einem zwölfjährigen Kind erklären?

In meiner Arbeit habe ich untersucht, wie man vom Weltraum aus beobachten kann, wie unsere Vegetation Photosynthese betreibt. Dazu benutzt man seit Jahrzehnten Messungen der „Grünheit" der Landoberfläche. Wenn eine Pflanze sattgrün ist, bedeutet das aber nicht in jedem Fall, dass die Pflanze sehr aktiv ist, wie das Beispiel der sibirischen Taiga zeigt, deren Bäume das ganze Jahr über grün sind, wo Kälte und Dunkelheit im Winter aber Photosynthese verhindern. Vor ein paar Jahren ist es erstmals gelungen, aus Satellitendaten ein schwaches Leuchten zu bestimmen, das das Chlorophyll der Pflanzen nur aussendet, wenn diese Photosynthese betreiben. Ich habe herausgefunden, dass dieses Leuchten der Chlorophyll-Moleküle (zum Beispiel in der Taiga) oft besser geeignet ist als Grünheitsmessungen, um Änderungen in der Photosynthese-Aktivität anzuzeigen. Das hilft uns, besser zu verstehen, wann und in welcher Form die Vegetation unter unterschiedlichen Umweltbedingungen aktiv ist – und das auch in den entlegensten Winkeln der Erde. Unsere Erkenntnisse sind wichtig, weil Pflanzen durch ihre Photosynthese-Aktivität Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnehmen und damit einen wichtigen Teil der menschlichen Kohlendioxid- Emissionen ausgleichen.

Gibt es eine Anekdote aus Ihrer Promotionszeit?

Das war meine allererste Konferenz. Die war sehr aufregend, weil sie thematisch völlig zu meinem Promotionsthema passte und alle großen Persönlichkeiten aus meinem Forschungsgebiet dort waren. Es war spannend, die Gesichter zu sehen, die ich nur von Papern kannte! Meinen Vortrag und die anschließende Diskussion hab‘ ich trotz Nervosität gut gemeistert – auch wenn ich das Pech hatte, dass ich wegen der schlechten Akustik nicht alle Fragen beantworten konnte.