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Schneller, Höfer, Weiter

Andreas Höfer promovierte 1994 an der Freien Universität zur Idee des olympischen Friedens. Heute leitet er das „Deutsche Sport & Olympia Museum“ in Köln.

20.02.2021

Fast auf den Tag genau 100 Jahre nach Gründung des Internationalen Olympischen Komitees promovierte Andreas Höfer 1994 an der Freien Universität zur Idee des olympischen Friedens.

Fast auf den Tag genau 100 Jahre nach Gründung des Internationalen Olympischen Komitees promovierte Andreas Höfer 1994 an der Freien Universität zur Idee des olympischen Friedens.
Bildquelle: Gregor Hübl

Andreas Höfer hat für das Videogespräch einen Hintergrund aus bunten Bällen ausgesucht: ein trotziger Farbklecks des Museumsdirektors nicht nur gegen den grauen Himmel, sondern auch gegen das Corona-Virus, das den Karneval vereitelt und den Museumsbetrieb lahmgelegt hat. An einem normalen Dienstag würden im „Deutschen Sport & Olympia Museum“ in Köln Schulklassen auf die Original- Torwand aus dem „Aktuellen Sportstudio“ schießen, in der „Turnhalle“ auf dem Schwebebalken balancieren oder Selfies vor dem Modell der Olympia-Ausgrabungsstätte machen. Ende November hätte das Museum eine Ausstellung mit „Live Paintings“ der früheren Fußballnationalspielerin Josephine Henning eröffnet. Für ein privat geführtes Museum wie das „Deutsche Sport & Olympia Museum“ ist der Corona-Lockdown besonders schmerzlich. Besucherinnen und Besucher bleiben weg, Veranstaltungen fallen aus. Aber: „Wir bleiben zuversichtlich“, sagt Höfer.

Durch und durch sportbegeistert

Die Museumsleitung übernahm der promovierte Sporthistoriker Höfer im Oktober 2013. Sport begeisterte ihn aber schon als Kind: In seinem Heimatort Wesseling, einem südlichen Vorort von Köln, habe er mit Leidenschaft gekickt, von der E- bis zur A-Jugend – täglich außer sonntags, „wir waren katholisch.“ Daneben sog er alles, was mit Sport zu tun hatte, „wie ein Schwamm auf “. Er verfolgte jede Sportübertragung im Fernsehen, vom Fußball-Viertelfinale im Europapokal der Landesmeister – dem Vorläufer der Champions League – bis zum Hochsprung bei den Olympischen Spielen 1972, als Ulrike Meyfarth Gold gewann. Meyfarth stammte wie Höfer aus Wesseling, die Tochter ihres Trainers war seine Klassenkameradin.

Nach dem Abitur schrieb Höfer sich an der Deutschen Sporthochschule sowie der Universität zu Köln ein. „Ich hatte damals die Idee, Sport- und Geschichtslehrer zu werden.“ Doch schon in einer der ersten Vorlesungen merkte er, dass ihn eine wissenschaftliche Laufbahn stärker reizte. Der Sporthistoriker Manfred Lämmer dozierte über „Sport und Agonistik in der griechisch- römischen Antike“.

Antiker Weitsprung im Hörsaal

An Lämmers Institut für Sportgeschichte wurde Höfer später erst studentischer, dann wissenschaftlicher Mitarbeiter. In letzterer Funktion vertrat er den Professor auch bei Vorlesungen – was bedeutete, dass er, wie sein Chef, im Hörsaal den antiken Weitsprung vorführen musste, „fünf Sprünge aus dem Stand“, unter dem Beifall der Studierenden.

Andreas Höfer und das Modell des Austragungsort Olympia, der zugleich ein Heiligtum der Griechen war.

Andreas Höfer und das Modell des Austragungsort Olympia, der zugleich ein Heiligtum der Griechen war.
Bildquelle: Gregor Hübl

Nicht zuletzt dank Lämmer fand Höfer auch das Thema, über das er später seine Diplomarbeit verfasste und mit dem er 1994 an der Freien Universität promovierte: „Der olympische Friede: Anspruch und Wirklichkeit einer Idee“. Darüber kommt Höfer sofort ins Erzählen: Der olympische Friede habe im alten Griechenland keineswegs bedeutet, dass man die Kriege unterbrochen hätte. Er galt einerseits nur für den Austragungsort Olympia, der zugleich das wichtigste Zeus-Heiligtum der Griechen war. „Das war Genicht einmal eine Stadt, abseits gelegen auf der Peloponnes, schwer erreichbar“. Und andererseits galt der olympische Friede auch für die Athleten (es waren nur Männer): Bei der An- und Abreise war ihnen freies Geleit garantiert, selbst wenn sie durch Feindesland reisten.

Etwas wie eine Bronzemedaille wäre den Griechen nie in den Sinn gekommen

„Für die alten Griechen war der Sport eine sehr ernste Angelegenheit“, sagt Höfer. Das zeigte sich nicht zuletzt am griechischen Begriff für „Wettkampf “: „Agon“ konnte auch „Krieg“ bedeuten. Daher werde die neuzeitliche Übersetzung „Olympische Spiele“ dem Charakter der antiken Wettkämpfe nicht ganz gerecht.

Unentschieden gab es nicht, „und so etwas wie eine Bronzemedaille wäre den Griechen nie in den Sinn gekommen“, sagt Höfer. „Hätte es damals schon Fußball gegeben, hätten sie gleich mit dem Elfmeterschießen angefangen.“ Denn der einzige Zweck des Wettkampfes war es, einen Sieger zu ermitteln.

Neben seinen sportwissenschaftlichen Studien musste Höfer an der Deutschen Sporthoch- schule Köln turnen und schwimmen, Hockey und Badminton spielen, auf Schwebebalken balancieren und Gymnastik machen. „Das war alles Pflicht und auch mit Prüfungen belegt.“ Als er die Hochschule als Diplom-Sportlehrer abschloss, war für ihn klar, dass er die akademische Laufbahn fortsetzen und promovieren wollte. Durch seine Arbeit am Institut hatte Höfer längst Kontakte in die Sportwissenschaft deutschlandweit aufgebaut. So kam er schließlich an die Freie Universität zu Sportwissenschaftlerin Gertrud Pfister.

An der Freien Universität hatte Höfer die Möglichkeit, den Titel „Dr. phil.“ zu erwerben, während er an seiner angestammten Hochschule auf einen „Doktor der Sportwissenschaft“ festgelegt gewesen wäre. Neben Manfred Lämmer fungierte Gunter Gebauer als Gutachter. Der mittlerweile pensionierte Sportphilosoph ist noch immer ein gefragter Interviewgast in den Medien und steht bis heute mit Höfer in Kontakt. So wirkte Gebauer vor gut einem Jahr mit einem Vortrag an einem akademischen Symposium zum zwanzigjährigen Bestehen des Museums mit.

Das Museum als Herzensangelegenheit

Am 24. Juni 1994 verteidigte Höfer seine Dissertation – das Datum weiß er deshalb noch, weil exakt 100 Jahre und einen Tag zuvor der französische Baron Pierre de Coubertin das Internationale Olympische Komitee (IOC) gegründet hatte. Auf Coubertin geht auch die heutige Vorstellung vom „olympischen Frieden“ zurück, da der Franzose den Gedanken bewusst weiter fasste als die alten Griechen. „Damit hatte Coubertin den Spielen einen neuen Sinn und eine tragende Legitimation verliehen“, sagt Höfer. Bald nach der erfolgreichen Verteidigung zog Höfer nach Potsdam-Babelsberg. Er wurde Wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Olympischen Instituts, das seinerzeit in einer Villa am Kleinen Wannsee untergebracht war. 2007 wurde er Gründungsdirektor der Deutschen Olympischen Akademie in Frankfurt am Main, bevor er 2013 nach Köln zurückkehrte und die Leitung des „Deutschen Sport & Olympia Museums“ übernahm.

Damit schlossen sich für Andreas Höfer gleich mehrere Kreise: Das Museum war eine Herzensangelegenheit seines Mentors Manfred Lämmer gewesen, und das Modell des antiken Olympia, an dem der Student Höfer jeden Morgen im Foyer der Sporthochschule vorbeigelaufen war, hatte im Museum einen neuen Standort gefunden.

2013 übernahm Höfer die Leitung des „Deutschen Sport & Olympia Museums“.

2013 übernahm Höfer die Leitung des „Deutschen Sport & Olympia Museums“.
Bildquelle: Gregor Hübl

"The games must go on"

Neben Themenräumen wie „Antike Athletik“, „Deutsches Turnen“ oder „Trendsportarten“ widmet das Museum auch den beiden bislang einzigen Olympischen Sommerspielen in Deutschland eigene Räume. Beide zeigen exemplarisch, wie die Idee eines globalen Friedensfestes verdreht, instrumentalisiert oder zerstört werden kann.

Da waren einerseits die Spiele unterm Hakenkreuz von 1936 in Berlin, bei denen sich das Hitlerregime als weltoffener Gastgeber präsentieren wollte, während es Holocaust und Weltkrieg längst vorbereitete. Und andererseits die „heiteren Spiele“ von München 1972, die sich kulturell und architektonisch als Gegenentwurf zu Berlin 1936 verstanden. Bei denen dann jedoch ein palästinensisches Terrorkommando das Olympische Dorf stürmte, israelische Athleten und Trainer als Geiseln nahm und elf von ihnen ermordete; und die der damalige IOC-Präsident Avery Brundage mit den trotzigen Worten „The games must go on“ eben nicht abbrach.

Das Museum bald wieder öffnen

Für Höfer zeigen schon diese beiden Großveranstaltungen die vielfältigen wirtschaftlichen, politischen, kulturellen, ökologischen und sozialen Implikationen des Sports. Die Auseinandersetzung damit dürfe durchaus kritisch sein, auch und gerade bei einem Olympia-Enthusiasten wie Andreas Höfer. Er spricht von Doping, von Korruption und „anderen Risiken und Nebenwirkungen, die mit der olympischen Idee nicht vereinbar sind. Auch der dunklen Seite der glänzenden Medaille müssen wir uns stellen.“ Manch andere Kritik will er aber nicht so stehen lassen, etwa den oft geäußerten Vorwurf, die Spiele seien reiner Kommerz: „Die Einnahmen des IOC aus den Spielen sammeln sich nicht auf einem Schweizer Nummernkonto, sondern fließen zu einem großen Teil zurück an die nationalen olympischen Komitees – und damit in den Sport in den jeweiligen Ländern“, erläutert er.

Er bleibt optimistisch, dass im Laufe des Frühjahrs das Museum wieder normal öffnen kann und dass im Sommer die Olympischen Spiele in Tokio nach der Verschiebung durch Corona tatsächlich stattfinden werden – und er noch einmal Spiele in Deutschland erleben kann, wenn es etwas mit der Bewerbung des Ruhrgebiets für 2032 wird. „Wir können uns ja nicht immer nur von anderen einladen lassen“, sagt Höfer.