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„Wir Imker kämpfen für eine intakte Natur“

Im Interview: Benedikt Polaczek. 33 Jahre lang hat er sich als Imkermeister um die Forschungsbienen der Freien Universität gekümmert.

17.12.2021

Benedikt Polaczek: Berlins wohl bekanntester Imker

Benedikt Polaczek: Berlins wohl bekanntester Imker
Bildquelle: Miriam Klingl

wir: Herr Polaczek, seit 1989 sind Sie Imkermeister an der Freien Universität. Demnächst gehen Sie in den Ruhestand. Sind Sie eigentlich traurig, dass es vorbei ist?

Benedikt Polaczek: Nein.

wir: Nicht?

Benedikt Polaczek: Warum soll ich traurig sein? Ich gebe die Imkerei an der Freien Universität in sehr gute Hände. Und ich habe erreicht, was ich wollte.

wir: Was waren Ihre Ziele?

Benedikt Polaczek: Ich gehe, die Bienen bleiben. Als ich 1989 kam, hieß es, Sie können hier alles machen: Praktika betreuen, Diplomarbeiten, Doktorarbeiten. Die Arbeit mit jungen Leuten hat immer Spaß gemacht. Ich hatte den schönsten Arbeitsplatz in Berlin.

wir: Was haben Sie sich für den Ruhestand vorgenommen?

Benedikt Polaczek: Mehr Zeit mit meiner Frau und den Enkeln verbringen. Ich möchte, dass die Enkel mit der Imkerei weitermachen. Und mindestens einmal in den Urlaub fahren. Das letzte Mal sind wir vor fünf Jahren gefahren. Ab Mitte April bis Ende Juni, in der Schwarmzeit, muss man in der Imkerei über Urlaub gar nicht erst nachdenken. Und im Winter habe ich oft Vorträge zur Imkerei gehalten.

wir: Und jetzt soll sich das ändern?

Benedikt Polaczek: Ich hoffe.

wir: Werden Sie denn privat noch Bienenvölker halten?

Benedikt Polaczek: Einmal Imker, immer Imker.

wir: Weiß das Ihre Frau?

Benedikt Polaczek: Ja, klar. Sie wusste, wen sie heiratet. Aber Spaß beiseite: Ein Grund, warum wir 1987 aus Polen nach Deutschland gingen, war meine Hoffnung, hier mehr Zeit mit meiner Familie verbringen zu können. Ich wollte eigentlich nicht mehr als Imker arbeiten. wir: Wie kam es dazu, dass Sie dennoch Imker blieben?

Benedikt Polaczek: Nach der Ankunft in Deutschland habe ich in Aachen gewohnt und in Düsseldorf einen Deutschkurs gemacht. Dann wollte mich ein Berater vom Arbeitsamt zur Umschulung schicken. Ich habe gesagt, dass ich zuerst Stellen finden will, die mit meinen beiden Berufen zu tun haben: Imkermeister und Diplom- Agraringenieur. Bei einer Weiterbildung für Diplom- Agraringenieure habe ich den Bienenforscher Professor Wilhelm Drescher von der Universität Bonn besucht und kennengelernt. Ich fragte ihn, ob ich ein Praktikum bei ihm machen könnte, um wieder in Kontakt mit Bienen zu kommen.

wir: Was war seine Antwort?

Benedikt Polaczek: Nach einer Woche schickte er seinen Mitarbeiter mit einer Stellenausschreibung zu mir: Die Freie Universität suchte damals einen Imkermeister.

wir: Und sie haben sich gleich beworben?

Benedikt Polaczek: Das war an einem Freitag. Am darauffolgenden Montag endete die Bewerbungsfrist. Jahre später erfuhr ich, dass Drescher bereits mit Burkhard Schricker, dem mittlerweile verstorbenen Bienenforscher und Zoologieprofessor der Freien Universität, telefoniert hatte. Er solle doch noch diese eine Bewerbung berücksichtigen. Drescher hat gleich erkannt, dass da ein „Bienen-Verrückter“ ist.

wir: Woran?

Benedikt Polaczek: Er war überrascht, dass ich ihn nur um ein Praktikum gebeten hatte.

wir: Obwohl Sie schon so viel über Imkerei wussten?

Benedikt Polaczek: Mein Vater hatte mir Fachbegriffe der Imkerei auf Deutsch beigebracht. Ich wollte aber meine Sprachkenntnisse weiter verbessern. Den Dialekt in Aachen habe ich nämlich überhaupt nicht verstanden – trotz Sprachkurs. In Berlin hatte ich Glück: Die Menschen sprachen Hochdeutsch.

wir: Die Berliner sprachen Hochdeutsch?

Benedikt Polaczek: (lacht) Nicht alle, aber die an der Universität. Das war mein Glück. Schricker holte mich vom Flughafen ab. Zuerst fuhren wir an die Freie Universität, dann hat er mir noch Berlin gezeigt.

wir: Sie haben die Zusage bekommen?

Benedikt Polaczek: Etwa eine Woche später hat mich Schricker angerufen und gesagt, dass ich sehr bald bei den Bienen anfangen kann.

wir: Wie reagierte Ihre Frau, als Sie wieder Imker wurden?

Benedikt Polaczek: Man musste doch ein festes Einkommen haben.

wir: Und dann zogen Sie mit ihrer Familie nach Berlin?

Benedikt Polaczek: Meine Frau und mein Sohn blieben zunächst in Aachen, und ich pendelte anfangs jedes Wochenende zu meiner Familie. Als meine Probezeit vorbei war, zog die Familie nach. Kurz danach erlebten wir die Wende. Und ich hatte immer Meißel und Hammer im Kofferraum.

wir: Warum denn das?

Benedikt Polaczek: (lacht) Wir mussten doch die Berliner Mauer abbauen!

wir: Sie mussten?

Benedikt Polaczek: Mein Sohn war klein. Das hat ihm Spaß gemacht.

„Eigentlich wollte ich nicht mehr als Imker arbeiten.“

„Eigentlich wollte ich nicht mehr als Imker arbeiten.“
Bildquelle: Miriam Klingl

wir: Sie sind 1957 in Schlesien im damals sozialistischen Polen geboren. Welche Rolle spielte die Imkerei dort für Sie?

Benedikt Polaczek: Es war ein Nebenerwerb für meinen Vater und später für mich. Ich kannte damals keine Berufsimker. Die gab es erst später. Wir Imker mussten damals sogar die Behausungen für die Bienen, die sogenannten „Bienenbeuten“, selbst zimmern.

wir: War die Imkerei eine Familientradition?

Benedikt Polaczek: Schon mein Großvater hielt Bienen. So richtig los ging es aber mit meinem Vater. Der kam vor dem Zweiten Weltkrieg mit Herzproblemen ins Krankenhaus. Der Kardiologe sagte zu ihm: „Sie brauchen ein neues Herz.“ Aber Herztransplantationen waren damals noch nicht möglich. Der Arzt riet stattdessen zu Bienenprodukten. Die könnten das Leben etwas verlängern. Das hat sich mein Vater im wahrsten Sinne des Wortes zu Herzen genommen. Als die Imker des Dorfes in den Krieg mussten, blieb mein Vater wegen seiner Erkrankung verschont. Als Kleinkind verschwand ich oft im Garten, bei den Bienenvölkern haben sie mich gefunden. Mein Vater sagte angeblich: „Der wird Imker.“

wir: Später brachte Ihr Vater Ihnen die Imkerei bei?

Benedikt Polaczek: Ich hatte das Glück, meinem Vater helfen und dabei lernen zu können. Am Anfang habe ich gelacht: „Er kann ohne Handlanger nicht mit Bienen arbeiten.“ Später war ich ihm aber dankbar. Ich konnte noch gar nicht schreiben, da musste ich die Bienen schon mit einem „Smoker“ beruhigen, das ist ein Imkereigerät, mit dem ich Rauch erzeugen kann. In Schlesien waren die Bienen damals aggressiver als die, die ich später in Berlin übernommen habe, obwohl mein Vater die Bienen durch Selektion in der Zucht gutmütiger machen konnte. Faulbrut, eine Bienenseuche, habe ich zum ersten Mal mit 12 gesehen. Mit 19 war ich Sachverständiger für Bienenkrankheiten. Das bedeutete, wenn irgendwo Faulbrut entdeckt wurde, musste ich zu Imkern und ihren Bienenvölkern; gemeinsam haben wir dann den Brutzustand beurteilt. 1976 begann ich in einem Imkereibetrieb zu arbeiten. Gleichzeitig habe ich studiert und Bienen gehalten.

wir: Was haben Sie studiert?

Benedikt Polaczek: Landwirtschaft. Weil die Imkerei im gesamten ehemaligen Ostblock zur Landwirtschaft gehörte. Und ich musste damals auf dem Bauernhof meines verstorbenen Onkels helfen. Ich fand es bewundernswert, wie dort alle ihr Wissen von Generation zu Generation weitergaben. Ihr Wissen hat mir im Studium geholfen, zum Beispiel, wenn es um die Fruchtfolge auf den Feldern geht.

wir: Und nach dem Studium?

Benedikt Polaczek: Ich arbeitete im Stahl- und Werkzeughandel. Die Zeiten waren hart, man musste Kontakte knüpfen, um beliefert zu werden oder noch bessere Waren zum Tausch zu haben. Ich hatte Kontakt zu einer Süßwarenfabrik. Von dort bezogen wir Süßwaren, die wir weiter angeboten haben, um gute Waren zu bekommen. Ich muss aber betonen: Ich war parteilos.

wir: Sie waren nicht in der Kommunistischen Partei?

Benedikt Polaczek: Nein, niemand aus meiner Familie. Sogar während des Wehrdiensts hatte ich den Eintritt in die Partei verweigert. Der Chef der politischen Abteilung zitierte mich zu sich und fragte mich, warum ich nicht wolle. Ich antwortete, ich hätte kein solches Bedürfnis. Und dann erzählte ich ihm vom Engagement meines Vaters für die Imkerei.

wir: Und damit kamen Sie durch?

Benedikt Polaczek: Ich hatte immer mit allen sehr gute Kontakte. Als ich in der Wendezeit an die Freie Universität kam, habe ich das beibehalten. Mir ist egal, ob einer rot ist, grün oder gelb. Ich spreche mit allen. Für mich zählt der Mensch. Und wenn alle mitmachen, ist vieles möglich. Nehmen Sie den Stand zur Imkerei, mit dem sich die Freie Universität und der „Imkerverein Berlin-Zehlendorf und Umgebung e. V.“ zusammen auf der Internationalen Grünen Woche präsentieren.

„In Schlesien waren die Bienen damals aggressiver als die, die ich später in Berlin übernommen habe.“

„In Schlesien waren die Bienen damals aggressiver als die, die ich später in Berlin übernommen habe.“

wir: Wie kam es zur Zusammenarbeit von Freier Universität und Imkerverein?

Benedikt Polaczek: Neben meiner Arbeit als Imker an der Freien Universität wurde ich 2007 zum Vorsitzenden des Imkervereins Zehlendorf gewählt. 2001 erreichte uns die Bitte, auf der Internationalen Grünen Woche einen Informationsstand zur Imkerei zu betreiben. Wissen Sie, wir diskutieren sehr gerne. Aber wenn es um die Arbeit geht, dann finden Sie oft nur wenige Leute. Also habe ich gesagt: „Wir nehmen Bienenschaukästen aus der Imkerei der Freien Universität mit, ich stelle mich an den Stand und brauche zwei, die sich dazustellen.“ Zu Beginn standen wir da zu dritt auf der Grünen Woche, seit 2011 arbeiten wir dort zu fünft: drei Leute vom Imkerverein, zwei von der Freien Universität.

wir: Hat sich die Anstrengung gelohnt?

Benedikt Polaczek: Wir haben viele erreicht durch die Grüne Woche, da treffen sich die Multiplikatoren. Fast jedes Jahr kommt die Bundesministerin oder der Bundesminister für Landwirtschaft oder der Chef des Julius-Kühn-Instituts, des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen. An einem Tag kamen sogar meine Chefs, um dort zu arbeiten.

wir: Wie wichtig sind Honigbienen?

Benedikt Polaczek: Können Sie sich ein Leben ohne Bienen vorstellen? Wir können Obst und Gemüse kaufen, die Bestäubung aber nicht: Dazu brauchen wir die Honigbienen. Bienen stehen in der Tierproduktion an dritter Stelle, nach Rinder- und Schweinezucht und vor der Hühnerzucht.

wir: Machen Sie die Imkerei so auch den Studierenden der Veterinärmedizin schmackhaft?

Benedikt Polaczek: Wir arbeiten am Institut für Veterinär- Biochemie in Kleingruppen. Die Studierenden sollen die Bienen kennenlernen. Dieses Jahr mussten wir wegen Corona und der Lockdowns pausieren. Als wir wieder anfingen, blieben die Studierenden jedes Mal freiwillig eineinhalb Stunden länger. Ich denke, sie merken, dass ich mich für Bienen begeistere. Begeisterung steckt an. Aus Sicht eines Imkers hatte ich drei Mal im Leben Glück: einmal mit meinem Vater, das zweite Mal mit Professor Schricker und das dritte Mal mit der Zusammenarbeit mit dem Veterinär-Biochemiker Professor Ralf Einspanier der Freien Universität. Schricker hatte während seines Studiums einige Jahre mit Nobelpreisträger Professor Karl von Frisch zusammengearbeitet. Und nach dessen Konzept haben wir an der Freien Universität Versuche mit Bienen gemacht. Wir haben Bienen dressiert, um herauszufinden, wie sie Farben, Formen und Düfte unterscheiden können. Wie sie tanzen! Wer Bienen gut kennenlernt, mag ohne sie nicht mehr leben. Heutzutage bieten wir Praktika an zu Bienenthemen, die der veterinärmedizinische Nachwuchs braucht.

wir: Was lehren Sie zum Umgang mit Bienen?

Benedikt Polaczek: Da zeigen wir die wichtigsten Dinge, die man über Bienen wissen muss, zum Beispiel, wie man Proben nimmt, um den Gesundheitszustand oder Krankheiten in einem Bienenvolk zu untersuchen. Und dass niemand vor Bienen Angst haben muss. Einige Studierende werden in Veterinärämtern arbeiten. Dann sollen sie keine Angst vor Bienen haben.

wir: Ist man mit Bienenangst im falschen Studium?

Benedikt Polaczek: Nein, um Gottes Willen! Bienen sind nur ein kleiner Teil des Veterinärwesens. Alle können ihre Schwerpunkte wählen. Ich wünsche mir nur mehr unter den zukünftigen Veterinärinnen und Veterinären, die selbst Bienen halten und ihr Wissen weitergeben.

Stefanie Ludewig wird Nachfolgerin von Benedikt Polaczek. Sie kümmert sich jetzt um die Bienen der Freien Universität.

Stefanie Ludewig wird Nachfolgerin von Benedikt Polaczek. Sie kümmert sich jetzt um die Bienen der Freien Universität.
Bildquelle: Miriam Klingl

wir: Worauf kommt es an, damit Bienen ruhig bleiben?

Benedikt Polaczek: Die meisten Stiche bekomme ich, wenn ich zu hektisch bin. Bienen bestrafen Hektik. Wer mit ihnen arbeiten will, muss sie vorwarnen. Für Bienen gibt es nichts Schlimmeres, als wenn jemand unvermittelt die Abdeckung am Bienenstock entfernt und die ganze Behausung wackelt. Besonders bei aggressiven Völkern nehme ich deshalb einen Smoker und gebe etwas Rauch durchs Flugloch. Der Rauch ist wie das Klopfen an die Tür bei uns Menschen. Die Bienen ziehen sich dann in ihre Futterzellen zurück. Und fressen. Und werden träge. Wie wir Menschen nach dem Essen.

wir: Zusammen mit dem Imkerverein geben Sie an der Freien Universität jedes Jahr sechs Kurse für alle, die sich der Imkerei widmen wollen.

Benedikt Polaczek: Ja, und mein Credo war immer: „Es gibt keine dummen Fragen.“ Als ich den Vereinsvorsitz übernahm, hörte ich, wie die Alten die Neulinge auslachten, wenn die Fragen stellten! Ich habe gesagt: „Da gibt’s nichts zu lachen.“ Wir haben begonnen, Anfängerkurse anzubieten, zum Beispiel „Imkern ohne Risiko“.

wir: Wie erklären Sie sich den Imkerei-Boom in Großstädten wie Berlin?

Benedikt Polaczek: Die Imkerei, die Medien und auch die Universität sind ein bisschen selbst schuld. Wir haben immer gesagt: „Alle können Bienen halten.“ Und immer mehr Menschen wollen sich für eine nachhaltige Zukunft engagieren. Gerade in der Stadt werden Probleme in Folge der globalen Erderwärmung sichtbar. Auf dem Land ist alles noch grün, die Umwelt wirkt auf den ersten Blick intakt.

wir: Glauben Sie, dass es Leuten, die sich ein Bienenvolk auf den Balkon stellen, um Nachhaltigkeit geht?

Benedikt Polaczek: Manche wollen Honig haben, andere die Bienen beobachten. Manche sind ein Problem, weil sie die Bienen nur als Gegenstände oder Spielzeug sehen, nicht als Lebewesen. Sie wissen nicht, welche Pflichten die Tierhaltung mit sich bringt und welche Bedürfnisse der Bienen erfüllt werden müssen.

wir: Meinen Sie diejenigen, die sich im Internet Bienenvölker bestellen?

Benedikt Polaczek: Nicht alle, aber viele. Vor allem Unerfahrene. Eines Tages rief zum Beispiel eine verzweifelte Hobbyimkerin an und wunderte sich, dass sie nicht mehr in Ruhe auf dem Balkon sitzen konnte. Ich fragte sie: „Kennen Sie die Biologie eines Bienenvolks?“ Sie antwortete: “Nein, im Internet stand aber, dass ich nichts machen muss, und ein Mal im Jahr kann ich 15 Kilogramm Honig ernten.“ Aber nur ernten oder Bienen fliegen sehen und nichts für sie tun wollen, das geht eben nicht.

wir: Haben Sie deshalb einen Nachweis für Bienenhalterinnen und Bienenhalter gefordert?

Benedikt Polaczek: Damit habe ich in der Presse und bei Leuten aus der Hobbyimkerei ein Erdbeben verursacht. Aber es ist doch wahr: Wie jedes Haus- oder Nutztier brauchen Bienen Pflege und angemessenen Lebensraum. Es stellt sich ja auch niemand eine Kuh auf den Balkon, um etwas Milch für den Kaffee zu haben. Außerdem sind Bienen ein teures Hobby. Sie kosten viel Geld und Zeit. Oft fragen mich Leute: „Wie viel Zeit muss ich pro Volk einplanen?“ Aber das kann man nicht so einfach beantworten.

wir: Was raten Sie Menschen mit Interesse am Imkern?

Benedikt Polaczek: Nehmen Sie Kontakt auf mit einem Imkerverein. Besuchen Sie dort Versammlungen. Nutzen Sie Angebote wie „Imkerei auf Probe“. Da bekommen Sie erfahrene Imkerinnen und Imker an die Seite und erleben eine Imkerei-Saison hautnah mit. So können Sie herausfinden, ob Bienen Ihre wahre Liebe sind – denn man muss lieben, was man tut. Und verschenken Sie bitte keine Bienenvölker zu Weihnachten oder zum Geburtstag. Wer den Bienen einfach nur helfen will, kauft besser Honig beim Imker.

wir: Viele Menschen, die sich Sorgen um Bienen machen, haben „More than Honey“ gesehen, den berühmten Dokumentarfilm des Schweizer Regisseurs Markus Imhoof. Sie auch?

Benedikt Polaczek: Ja, aber ich habe Probleme mit dem Film: Imhoof zeigt viel Extremes aus Amerika. Und es waren auch Methoden im Umgang mit Bienen zu sehen, die sein Opa noch anwandte, die aber heute nicht mehr zeitgemäß sind. Kein Imker in Deutschland reißt der Bienenkönigin beispielsweise den Kopf ab. Später habe ich Imhoof auf der Grünen Woche getroffen und war überrascht: Da hat er mehr Filmmaterial aus Europa gezeigt.

wir: Der Film hat aber auch Positives bewirkt?

Benedikt Polaczek: Imhoof hat politische Aufmerksamkeit für das Bienensterben und seine Ursachen geweckt.

wir: Für den Insektizid- und Pestizideinsatz in der Landwirtschaft?

Benedikt Polaczek: Ich habe mal die Fabrik eines deutschen Agrarchemiekonzerns besucht. Da hieß es: „Wir müssen die Welt ernähren.“ Aber um welchen Preis? Zwar ist der Pestizideinsatz gesunken, aber die Pestizide sind immer giftiger geworden. Die Bienen bringen diese Giftstoffe mit dem Blütennektar und vor allem mit den Pollen in ihre Völker und sitzen dann auf einer tickenden Zeitbombe: Sie schwärmen wegen der Giftstoffe zu früh aus und sterben dadurch.

wir: Was ist Ihre Botschaft?

Benedikt Polaczek: Wir Imker kämpfen nicht nur für die Honigbienen, wir kämpfen für eine intakte, bunte Natur.

Das Interview führte Jonas Krumbein.