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Augenblicke des Semesters

Tauchen für die Wissenschaft – Die Ernst-Reuter-Preise 2022 - Ein Gericht tagt an der Freien Universität – Nachruf auf Siegward Lönnendonker

23.02.2023

Forschungsobjekt Steinkoralle: Dr. Salah Amasheh, Professor Veterinär-Physiologie, untersucht, wie sich der Klimawandel auf die Korallen und die maritime Artenvielfalt auswirkt.

Forschungsobjekt Steinkoralle: Dr. Salah Amasheh, Professor Veterinär-Physiologie, untersucht, wie sich der Klimawandel auf die Korallen und die maritime Artenvielfalt auswirkt.
Bildquelle: privat

Biomediziner der Freien Universität taucht für die Wissenschaft

Von Düppel ans Rote Meer

Ausgerüstet mit Sauerstoffflasche, Taucherbrille und Flossen nähert sich Dr. Salah Amasheh, Professor am Institut für Veterinär-Physiologie der Freien Universität, im Golf von Aqaba in Jordanien einer Steinkoralle. Schon als Kind war der habilitierte Biomediziner während der Besuche bei seinen Verwandten vom Roten Meer begeistert, im Kunstunterricht zeichnete er Korallenriffe. „Tauchen ist meine große Leidenschaft, es ist toll, dass ich die nun mit meinem Beruf verbinden kann.“ Den Tauchschein hat er schon lange, „der erste sieht noch aus wie ein alter Führerschein aus Pappe, ist aber immer noch gültig!“ Tauchen gelernt hat er in Aqaba, dort erforscht er seit Beginn des Wintersemesters in Zusammenarbeit mit der Universität von Jordanien den artenreichsten maritimen Lebensraum: die Korallenriffe. Durch den Klimawandel sind die riffbildenden Korallen weltweit bedroht und dadurch eine Artenvielfalt von mehr als 4.000 tropischen Fischarten sowie ein Vielfaches an weiteren Organismenarten gefährdet. „Im aktuellen Forschungsprojekt wollen wir die regional und artspezifisch unterschiedliche Resistenz der Steinkorallen gegenüber Hitzestress und Umweltverschmutzung auf molekular-funktioneller Ebene ergründen“, sagt Amasheh, „wir wollen so einen möglichen Beitrag zur Arterhaltung leisten.“ Die Forschung auf molekularer Ebene erfolgt verstärkt auf dem veterinärmedizinischen Campus Düppel. „Wir können in Berlin mit einer Fülle etablierter Techniken an kultivierten Korallen sowie deren Proteinen forschen“, erläutert der Wissenschaftler. Dafür steht er unter anderem im Austausch mit dem Aquarium des Berliner Zoos. Der Umfang der Forschung wird abhängig von der weiteren Mitteleinwerbung durch Forschungsanträge sein: „Hier ist einiges auf den Weg gebracht, und wir erhalten bereits jetzt großen Zuspruch und viel Unterstützung, beispielsweise vom Fachbereich und der Abteilung Internationales der Freien Universität.“

Verleihung der Ernst-Reuter-Preise

Präsident Günter M. Ziegler (li.) mit den Preisträgerinnen und Preisträgern des Ernst-Reuter-Preises 2022.

Präsident Günter M. Ziegler (li.) mit den Preisträgerinnen und Preisträgern des Ernst-Reuter-Preises 2022.
Bildquelle: Christoph Assmann

Freiheit für die Forschung, Forschung für die Freiheit

Strahlend stehen sie neben Universitätspräsident Prof. Dr. Günter M. Ziegler (rechts): vier Gewinnerinnen und Gewinner des Ernst-Reuter-Preises 2022. Mit dieser Auszeichnung ehrt die Ernst-Reuter-Gesellschaft jährlich im Umfeld des Gründungsfeiertags der Freien Universität dort entstandene herausragende Doktorarbeiten. Die Psychologin Dr. Sophie Metz (links) lieferte neue Impulse zur Behandlung posttraumatischer Belastungs- und Borderline-Persönlichkeitsstörung; der Chemiker Dr. Merlin Kleoff (zweiter von links) schaffte den Durchbruch für die komplexe Synthese von Naturstoffen unter Luftabschluss; der Tiermediziner Dr. Christof Bertram (Mitte) entwickelte die weltweit erste Bildanalyse-Software zur mikroskopischen Krebsdiagnostik bei Hunden; der Politikwissenschaftler Dr. Michael Giesen (zweiter von rechts) untersuchte den Einfluss informeller Netzwerke in internationalen Organisationen. Die fünfte Preisträgerin Dr. Ryanne Flock konnte nicht vor Ort sein; sie beschäftigte sich in ihrer Dissertation mit der sozialen Produktion im urbanen China und in der chinesischen Metropole Guangzhou. „In all diesen vielfältigen, komplexen Fragestellungen geht es auch um Freiheit“, spannte die Berliner Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote in ihrem Grußwort den großen Bogen; und um diese Freiheit für künftige Generationen zu bewahren, so Gote, brauche es dringend Orte wie die Freie Universität. Prof. Dr. Susanne Baer, Bundesverfassungsrichterin und Alumna der Freien Universität, betonte in ihrer Festrede, dass die verfassungsrechtlich garantierte Wissenschaftsfreiheit verteidigt werden will und niemals als selbstverständlich gegeben verstanden werden darf, „denn weltweit erstarken autoritäre und nationalistische Strömungen, die sich gegen Pluralität, Weltoffenheit und Toleranz richten.“   

Landesverfassungsgericht verhandelt an der Freien Universität

Neun Richterinnen und Richter des Berliner Verfassungsgerichtshofs verhandelten im großen Hörsaal der Biochemie Einsprüche gegen die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 25. September 2021.

Neun Richterinnen und Richter des Berliner Verfassungsgerichtshofs verhandelten im großen Hörsaal der Biochemie Einsprüche gegen die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 25. September 2021.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Ein Gericht ordnet das Wahlchaos

Wo sonst Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lehren, stehen an diesem Septembertag Frauen und Männer in schwarzen Roben. Es sind die neun Richterinnen und Richter des Berliner Verfassungsgerichtshofs. Sie verhandeln Einsprüche gegen die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 25. September 2021. Wegen unzureichender Vorbereitung der Berlin-Wahl hatten sich am Wahltag lange Schlangen zur Stimmabgabe gebildet. Stimmzettel gingen aus, teils wurden falsche ausgegeben, der zeitgleich stattfindende Berlin-Marathon sorgte für Verzögerungen. Als Medien schon Ergebnisse der Wahl vermeldeten, wurde in einigen Wahllokalen noch immer gewählt. Wegen des großen öffentlichen Interesses an den Geschehnissen hatte die Freie Universität für die Gerichtsverhandlung den großen Hörsaal des Gebäudes Arnimallee 22 auf dem Campus in Dahlem bereitgestellt. Im Laufe der Verhandlung wird Gerichtspräsidentin Ludgera Selting sagen, eine „vollständige Ungültigkeit“ der Wahl komme in Betracht. Später urteilt das Gericht: Die Berlin-Wahl muss wiederholt werden.

Nachruf auf Siegward Lönnendonker

Dr. Siegward Lönnendonker leitete das „Archiv Außerparlamentarische Opposition und soziale Bewegungen“ im Universitätsarchiv der Freien Universität.

Dr. Siegward Lönnendonker leitete das „Archiv Außerparlamentarische Opposition und soziale Bewegungen“ im Universitätsarchiv der Freien Universität.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Dr. Siegward Lönnendonker war ein Urgestein der Freien Universität; seit 1958 gehörte er ihr an. Er begann dort 1958 Physik und Mathematik zu studieren und wechselte 1963 zur Soziologie, Politologie und Psychologie. In dieser Zeit begann auch sein politisches Engagement in den Deutsch-Israelischen Studiengruppen, deren Bundesvorsitzender er 1964 war. In dieser Funktion war er zudem Mitinitiator einer Unterschriftensammlung für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel. Außerdem gehörte er in den 1960er-Jahren dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund an, dessen Flugblätter und Plakate er in seiner Studienzeit eifrig sammelte. Dies war der Beginn seiner späteren Berufskarriere als Leiter des „Archivs Außerparlamentarische Opposition und soziale Bewegungen“ im Universitätsarchiv der Freien Universität. Mit Dr. Tilman Fichter hat Lönnendonker 1973 den ersten Band der Dokumentation „Hochschule im Umbruch“ herausgegeben. Bis 1990 erschienen sechs Bände dieser Dokumentation. Danach gaben er und Prof. Dr. Karol Kubicki (Matrikelnummer 1 der Freien Universität) eine siebenbändige Wissenschaftsgeschichte der Freien Universität heraus. Keine Nebensache war für Lönnendonker die Musik. Als Bassist und Manager der „Metropolitan Jazz-Band“ kannte man ihn in den angesagten Berliner Musiklokalen. In der Nacht vom 2. auf den 3. September 2022 ist Lönnendonker im Alter von 83 Jahren gestorben. Er ruht nun auf dem Parkfriedhof Lichterfelde mit Otto Dibelius, Sebastian Haffner, Kurt von Schleicher und Drafi Deutscher.