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Für elf Minuten in die Vergangenheit

Anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der Freien Universität hat die Ernst-Reuter-Gesellschaft die Digitalisierung eines historischen 16-mm-Films finanziert, der die Gründungs- und Aufbauphase der Freien Universität dokumentiert.

23.02.2023

Historisches Dokument: Der Imagefilm über die Freie Universität aus dem Jahr 1963.

Historisches Dokument: Der Imagefilm über die Freie Universität aus dem Jahr 1963.
Bildquelle: Screenshot / Universitätsarchiv /Freie Universität Berlin

Die filmische Reise in die Vergangenheit der Freien Universität beginnt mit leicht verwackelten Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus der Luft; während über dem Dahlemer Campus die Sequenzen aus dem Flugzeug heraus gefilmt werden, setzt ein Sprecher an, die Bilder zu kommentieren: „Eine unsichtbare Hochschulstadt. Eine Universität im Villenvorort, im Grünen.“

Der Film „F.U. 1963“ des Regisseurs Wolfgang Kiepenheuer führt seine Zuschauerinnen und Zuschauer in die Realität der noch sehr jungen Hochschule ein – gerade einmal 15 Jahre war die Universität damals alt. Das knapp elf Minuten lange Werk, das im Original als 16-mm-Schwarz-Weiß-Film vorliegt, konnte nun mit Mitteln der Ernst-Reuter-Gesellschaft im Auftrag des Universitätsarchivs restauriert und digitalisiert werden.

Dr. Birgit Rehse leitet das Universitätsarchiv der Freien Universität.

Dr. Birgit Rehse leitet das Universitätsarchiv der Freien Universität.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Zu sehen sind Szenen aus der Gründungs- und Aufbauphase der Universität. Der Henry-Ford-Bau mit seinen großen Fensterfassaden entsteht – sie werden im Verlauf des Films noch eine Rolle spielen. Die erste Mensa wird gebaut, der Grundstein für das Studentendorf Schlachtensee gelegt. Der Alltag im seit 1959 entstehenden „Klinikum Steglitz“ (das ab 1994 „Universitätsklinikum Benjamin Franklin“ und jetzt „Charité Campus Benjamin Franklin“ heißt) wird ebenso dokumentiert wie das studentische Leben, unter anderem mit dem sogenannten „Brother-Sister-Programm“, bei dem sich Berliner Studierende um jeweils einen ausländischen studentischen Gast kümmerten. Auch zu sehen: die Arbeit der akademischen Gremien mit studentischem Mitspracherecht – inklusive des Kuratoriums unter Vorsitz von Willy Brandt. Neben dem damaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin hat noch ein weiterer prominenter Politiker einen Auftritt: Mit beeindruckenden Bildern der Rede des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy am 26. Juni 1963 vor rund 20.000 Besucherinnen und Besuchern vor dem Henry-Ford-Bau endet der Film.

Die Produktion des Streifens „F.U. 1963“ hatte das Rektorat der Universität beauftragt. „Das Ganze sollte als Imagefilm dienen“, sagt Dr. Birgit Rehse. Die Historikerin und wissenschaftliche Archivarin hat als Leiterin des Universitätsarchivs die Erschließung und Digitalisierung betreut. „Im Film ging es ganz klar darum, in Richtung USA zu zeigen, dass mit der Freien Universität eine Institution gegründet worden war, die demokratisch arbeitet und die Freiheit der Wissenschaft besonders hochhält“, sagt Rehse und fährt fort: „die dafür aber auch wirklich eine Menge Geld benötigt.“ Geld, das auch aus den USA kam.

Viel Platz, große Glasflächen: Die großzügige Architektur des Henry-Ford-Baus war ungewohnt in Berlin.

Viel Platz, große Glasflächen: Die großzügige Architektur des Henry-Ford-Baus war ungewohnt in Berlin.
Bildquelle: Reinhard Friedrich / Universitätsarchiv / Freie Universität Berlin

Wenn im Film also beispielsweise gezeigt wird, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in provisorischen Laboren im Keller des „Klinikums Steglitz“ forschen oder Vorlesungen in einer engen Bibliothek abgehalten werden, sei dies als eindeutiger Hinweis auf die Raumproblematik der jungen Universität zu sehen. Und wenn zu den Bildern zweier Fensterputzer, die die meterhohen Fenster des Henry-Ford-Baus reinigen, betont wird, wie hoch die Kosten dafür seien – nämlich 40.900 Mark – ist dies als Verweis auf die enormen finanziellen Unkosten der Universität zu verstehen.

Für Rehse ist die Anekdote um die Fensterputzer noch aus einem anderen Grund interessant: „Die Freie Universität entsprach mit den großen Glasfassaden des Henry-Ford-Baus einer Architektur der Moderne, die in den USA bereits weitverbreitet war und für Transparenz und Demokratie stand, für viele in Berlin aber zunächst gewöhnungsbedürftig war.“

So ist der Film auch als Bitte zu verstehen, die finanzielle Hilfe für die Freie Universität nicht einzustellen – zugleich wird gezeigt, was mit den bisherigen Spenden bereits alles schon geschaffen werden konnte. Besonders deutlich wird dieser Fortschritt im Vergleich mit dem Film Eine freie Universität, der bereits 1949, also ein Jahr nach Gründung der Freien Universität, ebenfalls von Regisseur Kiepenheuer gedreht und mit großem Erfolg veröffentlicht wurde. „Viele Versatzstücke aus dem ersten Film wurden in „F.U. 1963“ integriert, um so auch in diesem Film die Gründungsgeschichte der Universität wiedergeben zu können, die Hauptthema des ersten Films gewesen ist“, betont Rehse. Die Archivarin hat den Film bereits dutzendmal gesehen; bleibt die Frage, ob sie eine Lieblingsszene hat? „Der Besuch von John F. Kennedy und der Blick auf diese unglaubliche Menschenmasse, die da vor dem Henry-Ford-Bau steht, ist schon außergewöhnlich und für mich ein richtiger Gänsehautmoment“, sagt sie.

Davon selbst überzeugen können sich Interessierte, indem sie sich beim Team des Universitätsarchivs melden ( archiv@fu-berlin.de ). Der Film war aufgrund ungeklärter Rechte lange Zeit auch nicht online verfügbar, wird aber spätestens im Rahmen der Feierlichkeiten zum 75-jährigen Jubiläum in Veranstaltungen der Freien Universität gezeigt werden.