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„Das Leben ohne Hund ist möglich, aber nicht sinnvoll!“

Dr. Carola Fischer-Tenhagen studierte an der Freien Universität Veterinärmedizin, in ihrer Arbeit als Forscherin beschäftigt sie sich vor allem mit Nutztieren. Heute arbeitet sie für das „Bundesinstitut für Risikobewertung“.

23.02.2023

Ein Forschungsobjekt von Alumna Carola Fischer-Tenhagen sind unter anderem Ziegen.

Ein Forschungsobjekt von Alumna Carola Fischer-Tenhagen sind unter anderem Ziegen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

wir: Frau Dr. Fischer-Tenhagen, haben Sie einen Hund?

Carola Fischer-Tenhagen: Natürlich habe ich einen Hund. Frei nach Loriot: Das Leben ohne Hund ist möglich, aber nicht sinnvoll! Wir haben sogar zwei, Laila, eine ältere Hündin, und Leo, der ist noch ganz jung. Beides sind Labrador Retriever. Laila war sogar wissenschaftliche Mitarbeiterin der Freien Universität. Sie hat dort bei verschiedenen Forschungsprojekten mitgemacht. Dafür habe ich mit ihr trainiert. Das war eine spannende Zeit.

wir: Sind Sie Hundetrainerin?

Carola Fischer-Tenhagen: Nein. Ich war zertifizierte Ausbilderin beim Bundesverband für Rettungshunde. Um Hundetrainerin zu sein, braucht man heute eine Bescheinigung vom Veterinäramt. Die habe ich nicht.

wir: Sie haben sich auch wissenschaftlich mit Hunden beschäftigt, zu physiologischen Grundlagen des Riechens und der Bedeutung des Riechgedächtnisses von Hunden geforscht. Wie sind sie auf die Hundenase gekommen?

Carola Fischer-Tenhagen: Dieses Forschungsgebiet ist natürlich nicht neu. Für mich fing alles mit meinem zweiten Hund an. Das war Maximiliane. Sie ist mir vom Projekt „Retriever in Not“ vermittelt worden. Ich habe sie zur Rettungshündin ausgebildet. Und während eines Workshops ist mir dann aufgefallen, dass meine Hündin bei den anderen die Runde gemacht und sich bei jedem zweiten hingesetzt hat. Das hat mich stutzig gemacht. Irgendwann war klar, dass sie gerochen hat, wer von den Anwesenden Futter in der Tasche hatte. Da ist sie sitzen geblieben. Ich habe mir dann gedacht, dass man diesen Geruchssinn auch für andere Dinge nutzen könnte.

wir: Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Carola Fischer-Tenhagen: Mein Spezialgebiet ist die Reproduktion von Nutztieren, Rindern vor allem. Da die Brunsterkennung für die künstliche Besamung von Kühen eine große Herausforderung ist, habe ich das zu meinem Forschungsziel gewählt. Ich habe dann mit einer Doktorandin Hunde trainiert, brünstige Kühe am Geruch zu erkennen.

wir: Hunde können auch bestimmte Krankheiten riechen, etwa Krebs. Haben Sie sich auch damit beschäftigt?

Carola Fischer-Tenhagen: 2013 hat sich Prof. Dr. Irene Nehls vom „Bundesamt für Materialforschung und -prüfung“ bei mir gemeldet. Sie hatte Veröffentlichungen meiner Forschungsergebnisse zu Geruchshunden gelesen und ein Projekt initiiert, in dem es darum ging, Hunde zu trainieren, damit sie Lungenkrebs erkennen. Genauer gesagt haben wir Moleküle analysiert, die ein Hund riechen und mit deren Hilfe sich diese Krebsart feststellen lassen kann. Da konnten wir wichtige Forschungsergebnisse erzielen.

wir: Werden die Vierbeiner jetzt verstärkt zur Diagnostik eingesetzt?

Carola Fischer-Tenhagen: Leider nicht. Bisher sind das nur Einzelfälle. In Italien etwa helfen speziell ausgebildete Hunde an einzelnen Kliniken den Ärzten, Prostatakrebs zu erkennen. Bei diesen Einzelfällen wird es wohl auch in der Zukunft bleiben. Das hat mehrere Gründe. Es ist schwierig, zu kontrollieren, ob die eingesetzten Hunde wirklich gut arbeiten. Auch die Ausbildung der Hunde ist nicht einfach. Dann ist da noch die Kostenfrage. Die Pharmaindustrie gibt kein Geld, diese Art der Diagnostik weiterzuentwickeln. Denen ist das nicht wissenschaftlich genug. Das ist schade, denn ich glaube fest daran, dass entsprechend ausgebildete Hunde gute Diagnosen stellen können.

Die Labradorhündin Laila wurde so trainiert, dass sie bei verschiedenen Forschungsprojekten an der Freien Universität eingesetzt werden konnte.

Die Labradorhündin Laila wurde so trainiert, dass sie bei verschiedenen Forschungsprojekten an der Freien Universität eingesetzt werden konnte.
Bildquelle: privat

wir: Beschäftigen Sie sich gegenwärtig noch mit diesem Thema?

Carola Fischer-Tenhagen: Nein, ich habe es zwangsläufig zur Seite gelegt. Das hat auch mit meiner derzeitigen Arbeit am „Bundesinstitut für Risikobewertung“ (BfR) zu tun. Sollte es aber wieder einmal ein entsprechendes Projekt geben, wäre ich sofort dabei. Ich bin ja immer noch in dieser Community zu Hause, werde nach wie vor zu Vorträgen und Konferenzen zu diesem Thema eingeladen.

wir: Gehen wir einmal einen Schritt zurück. Sie haben von 1988 bis 1994 an der Freien Universität Veterinärmedizin studiert. Ist das Ihr Traumberuf?

Carola Fischer-Tenhagen: Für mich war immer klar, dass ich Tierärztin werden will. Da gab es einfach überhaupt keine Alternative. Und ich würde es wieder so machen. Eine meiner Töchter studiert auch gerade Veterinärmedizin. Ich habe ihr da nicht abgeraten.

wir: Was fasziniert Sie an diesem Beruf?

Carola Fischer-Tenhagen: Die Vielseitigkeit. Bisher habe ich mit Wildtieren, mit Nutztieren, mit Hunden und jetzt mit Versuchstieren gearbeitet. Dann war ich in der tierärztlichen Praxis, Forschung und Lehre tätig. Auch nach fünfundzwanzig Berufsjahren lerne ich ständig etwas Neues. Aber am Ende sind es natürlich immer die Vierbeiner, die mich faszinieren.

wir: Wie ging es nach dem Studium für Sie weiter?

Carola Fischer-Tenhagen: 1998 habe ich promoviert, danach zehn Jahre lang als Tierärztin gearbeitet. 2008 bin ich dann an die Freie Universität zurückgekehrt. Dort wurde eine Stelle frei. Ich habe zur Fortpflanzung von großen Nutztieren geforscht und war in diesem Bereich auch in der Lehre tätig. Geburtshilfe bei Rindern etwa war ein Thema, das wir sehr intensiv behandelt haben. An einer Modell-Kuh habe ich den Studierenden gezeigt, wie ein Kaiserschnitt vorgenommen wird. Die Arbeit mit dem medizinischen Nachwuchs hat mir viel Spaß gemacht. Und das Feedback war durchweg positiv.

wir: Vor zwei Jahren sind Sie dennoch an das BfR gewechselt. Wie kam es dazu?

Carola Fischer-Tenhagen: An der Freien Universität hatte ich keine Perspektive mehr. Es gab für mich nur Zeitverträge, die nach zwölf Jahren nicht mehr hätten verlängert werden können. 2020 habe ich mich zwar auf eine Professur in meinem Fachbereich beworben, das hat aber nicht geklappt. Der Bewerbungsvorgang war übrigens sehr enttäuschend für mich. Ich musste die Erfahrung machen, dass Frauen es in der veterinärmedizinischen Forschung noch immer schwer haben. Glücklicherweise bin ich aber noch als Privatdozentin an der Freien Universität tätig. Ich kann also weiterhin lehren, was mir viel Freude macht.

wir: Was macht eine Tierärztin am BfR?

Carola Fischer-Tenhagen: Am Institut werden Risiken für den Verbraucher eingeschätzt, unter anderem auch Risiken, die von Lebensmitteln tierischer Herkunft ausgehen können. Dort befindet sich auch das „Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren“. Es gibt ein Versuchsgut, einen Bauernhof im Berliner Stadtteil Alt-Marienfelde, auf dem Milchkühe, Ziegen und Schafe leben. Hier kümmere ich mich um die Gesundheit der Tiere und forsche dazu, was getan werden kann, damit es ihnen auch während eines Versuchs möglichst gut geht. Zusammen mit einer Doktorandin trainiere ich mit den Tieren, bereite sie auf eine Blutentnahme oder die Medikamenteneinnahme vor. Dieses „Medical Training“ soll dafür sorgen, dass die Tiere die Maßnahmen erdulden, ohne fixiert werden zu müssen.

wir: Können Sie ein Beispiel nennen?

Carola Fischer-Tenhagen: Stellen wir uns vor, ein Schaf soll auf die Blutentnahme vorbereitet werden. Zunächst müssen wir dafür sorgen, dass es richtig auf uns zukommt. Das funktioniert über Futter, wie in einem Streichelzoo. Dann lernt das Tier nach und nach, dass es seinerseits etwas tun muss, um beispielsweise einen Keks zu bekommen. Es lernt, sein Kinn für einige Sekunden auf meine Hand zu legen. In dieser Position kann leicht Blut abgenommen werden. Auch Medikamente können so problemlos verabreicht werden. Verweigert das Tier in einer anderen Situation – etwa beim Fiebermessen – dieses Verhalten, signalisiert es uns damit, wo seine Grenzen liegen. Unsere Forschungen sind sehr praxisbezogen, zumal seit 2021 europaweit vorgeschrieben ist, dass jedem Antrag auf einen Tierversuch ein entsprechender Trainingsplan beigelegt werden muss. Der soll zeigen, was unternommen wird, damit die Belastung der Tiere so gering wie möglich bleibt.

Modellhafte Lehre: An einer Modell-Kuh zeigt Carola Fischer-Tenhagen, wie ein Kaiserschnitt vorbereitet werden muss.

Modellhafte Lehre: An einer Modell-Kuh zeigt Carola Fischer-Tenhagen, wie ein Kaiserschnitt vorbereitet werden muss.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

wir: Ihre Doktorarbeit haben Sie aber nicht über Rinder, sondern über Infektionskrankheiten beim Nashorn verfasst. Wie kam es dazu?

Carola Fischer-Tenhagen: Während meines Studiums habe ich zwei Praktika bei einem befreundeten Tierarzt in Namibia absolviert. Weil ich mich dort sehr wohl gefühlt habe, wollte ich meine Doktorarbeit unbedingt über Afrika machen. Ich bin deshalb zum „Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung“ gegangen und habe meinen Wunsch dort vorgetragen. Der damalige Leiter, Prof. Dr. Reinhold Hofmann, hat mir dann angeboten, zum Nashorn zu arbeiten. Es ging darum, bestimmte Erkrankungen dieser Tiere im Blutserum festzustellen.

wir: Namibia hat Sie nicht losgelassen. Im vergangenen Jahr haben Sie auch Studierende der Freien Universität für dieses Land begeistern können. Erzählen Sie uns von diesem Projekt.

Carola Fischer-Tenhagen: Im Sommer 2022 bin ich mit vier Studierenden für eine Woche in die Etosha-Pfanne, eine Salztonebene, nach Namibia gereist. Acht weitere Studierende sind mit zwei Kolleginnen in den folgenden Wochen nachgereist. Wir haben dort an einem Kurs teilgenommen, in dem es darum ging, Wildtiere zu betäuben, zu untersuchen und wieder aufzuwecken. Wildtiere müssen zu Forschungszwecken, zum Transport oder zu tierärztlichen Eingriffen immer einmal betäubt werden, sodass dies für namibische Tierärzte eine wichtige Tätigkeit ist. Unsere Studierenden waren begeistert von dieser Reise. Jetzt sind wir dabei, den Besuch von namibischen Studierenden bei uns in Deutschland vorzubereiten. Dieses Austauschprogramm beruht auf einer Kooperation mit der University of Namibia (UNAM), für die ich mich seit zehn Jahren eingesetzt habe. Die Zusammenarbeit wird über das europäische Erasmus+-Austauschprogramm gefördert.

wir: Zurück nach Berlin. Mögen Sie die Stadt? Carola Fischer-Tenhagen: Ich bin damals nach Berlin gekommen und der Liebe wegen in der Stadt hängen geblieben. Aber ich bin einfach kein Stadtmensch, deshalb lebe ich mit meiner Familie schon seit einigen Jahren in einem kleinen Dorf in Brandenburg. Auf unserem Hof sind auch zwei Pferde, zwei Kühe, zwei Schafe und Hühner zu Hause und natürlich unsere Hunde. So habe ich mir das immer gewünscht.

Das Interview führte Regina Köhler

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Die Hundeversteherin

Dr. Carola Fischer-Tenhagen studierte an der Freien Universität Veterinärmedizin. Ihr Spezialgebiet ist die Reproduktion von Nutztieren. Sie hat aber auch zum Geruchssinn von Hunden geforscht und sich dazu habilitiert. Ihre Promotion schrieb sie über Erkrankungen beim Nashorn. Nach zehn Jahren als praktische Tierärztin ging sie 2008 an die Freie Universität zurück, war dort in der Lehre tätig. 2020 wechselte sie an das Bundesinstitut für Risikobewertung, wo sie Versuchstiere betreut und trainiert. In der Lehre ist sie aber weiterhin tätig. Als Privatdozentin bildet sie an der Freien Universität den veterinärmedizinischen Nachwuchs aus.