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Abfall als Politikum

Von Lankwitz nach Ghana: Maria Petrova unternahm für ihre Masterarbeit einen Feldforschungstrip in den westafrikanischen Staat – finanziell unterstützt wurde sie dabei von der Ernst-Reuter-Gesellschaft.

26.05.2023

Die Märkte der ghanaischen Hauptstadt waren Untersuchungsgegenstand der Masterarbeit von Maria Petrova.

Die Märkte der ghanaischen Hauptstadt waren Untersuchungsgegenstand der Masterarbeit von Maria Petrova.
Bildquelle: Erin Johnson

An den Ständen werden Lebensmittel, Gewürze und Stoffe angeboten, es ist bunt, laut, trubelig - und in vielen Ecken schmutzig. Mitten in der Markthektik der ghanaischen Hauptstadt Accra steht Maria Petrova. Die 27-Jährige studiert an der Freien Universität Geographische Entwicklungsforschung und ist gemeinsam mit einer Kommilitonin in den westafrikanischen Staat gekommen, um für ihre Masterarbeit zu forschen.

Denn da ist dieses eine Thema, das Petrova schon durch ihr gesamtes Studium begleitet und das gleichzeitig eines der größten Probleme des Landes ist: Müll. Dies erkennt man deutlich zwischen den Ständen der Marktplätze in Accra: Dort stapelt sich der Abfall. Zudem befindet sich in der knapp 280.000 Einwohner großen Metropole auch Afrikas bekannteste Elektromüllkippe Agbogbloshie.

Schon während der ersten Semester im Masterstudium belegte Petrova bei der Geographieprofessorin Dr. Uli Beisel mehrere Seminare zum Thema Behandlung und Beseitigung von Abfällen und Müll. Der geplante Forschungsaufenthalt im Ausland, der regelhaft zum Masterstudium gehört, fiel bei Petrova damals aber genau in die Hochphase der Corona-Pandemie. Sie blieb deshalb in Berlin. Doch mit der Masterarbeit nahm die Idee Gestalt an, „für Teile meiner Abschlussarbeit – unterstützt durch das ghanaische Netzwerk meiner Dozentin – vor Ort in Afrika zu arbeiten“, sagt Petrova. Realisiert werden konnte ihr Wunsch schließlich durch die Förderung der Ernst-Reuter-Gesellschaft, die den vierwöchigen Forschungsaufenthalt in ­Accra finanzierte. „Ich bin wirklich sehr dankbar für diese Chance und finde es großartig, dass die ERG durch Förderungen dieser Art zu mehr Bildungsgerechtigkeit beiträgt.“

Die wenig effektive Müllsammlung führt zu riesigen Abfallbergen

Doch worum genau geht es in der Masterarbeit? „Ich befasse mich mit der öffentlichen Verwaltung der Abfallsammlung in Accra,“ erläutert Petrova. „Bei uns in Deutschland sammeln wir unseren Müll zu Hause, werfen ihn sortiert in verschiedene Tonnen und irgendwann wird er abgeholt.“ Was so banal klinge, funktioniere aber offenkundig in anderen Ländern – etwa in Ghana – nicht. Hier existiere keine effektive Müllsammlung. Die Folge: riesige Abfallberge. „Ich wollte herausfinden, wie das System der Abfallsammlung politisch strukturiert ist, welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten staatliche oder private Akteure haben“, erzählt die Studentin weiter.

Und so läuft die gebürtige Berlinerin im Februar 2023 über die Märkte Accras, um mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Aus den Medien hatte sie zuvor erfahren, dass Anfang 2022 ein neues Abfallgesetz in Ghana unter dem militärisch anmutenden Titel „Operation Clean your Frontage“ verabschiedet wurde – eine Kampagne, mit der die Bevölkerung zu „Aufräumübungen“ verpflichtet wird, sogenannten „Cleaning Exercises“. „Ich fand vor allem die Verlagerung der staatlichen Verantwortung auf die individuelle Ebene interessant“, betont Petrova. Oftmals sei dieses Vorgehen eine Strategie von Lokalregierungen, die mit der Lösung eines Problems überfordert seien.

Maria Petrova: „Ich wollte für meine Abschlussarbeit vor Ort mit den Menschen sprechen.“

Maria Petrova: „Ich wollte für meine Abschlussarbeit vor Ort mit den Menschen sprechen.“
Bildquelle: privat

Petrova hatte gehofft, in Accra mit Menschen sprechen zu können, die an der staatlichen Müllaktion teilgenommen hatten. Doch das Interesse an einem Gespräch war oft einseitig: Obwohl sie von einer ghanaischen Studentin unterstützt wurde, seien die Markthändlerinnen und -besucher ihr gegenüber sehr skeptisch gewesen, erzählt sie. Die Skepsis rühre zum Teil daher, dass sich die Menschen in den Medien und der Wissenschaft oft falsch dargestellt fühlten.

Auch bei ihren Versuchen, mit zuständigen Behörden zu sprechen, musste die Studentin sehr viel Ausdauer beweisen. So große Widerstände hatte Petrova nicht erwartet: „Ich habe mich wirklich gut vorbereitet und bin keinesfalls naiv nach Ghana gereist“, sagt sie. Dass es dann vor Ort jedoch so schwierig werden würde, an Informationen zu gelangen, beweise vor allem eines: Das Thema Müllsammlung ist hochpolitisch. „Meine Betreuerin Uli Beisel hat mir vermittelt, dass ich es durchaus als ein Forschungsergebnis werten kann, dass die Behörden nicht mit mir über das Müllproblem sprechen wollten.“

Nach vier Wochen Feldforschung in Ghana ist Maria Petrova seit März 2023 zurück in Berlin und nun dabei, die Ergebnisse ihrer Recherchen auszuwerten. Einige Gespräche konnte sie letztendlich aufgrund ihrer Beharrlichkeit doch noch führen. Was sie darüber hinaus in dieser Zeit noch gelernt hat? „Auch mit der besten Vorbereitung läuft in der Forschung nicht immer alles so wie geplant.“