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Von Hund, Katz und Pferd

Die Geschichte der Berliner Veterinärmedizin reicht zurück bis ins Jahr 1787, mittlerweile ist die Veterinärmedizin der Freien Universität ein exzellenter Standort für tiermedizinische Forschung und Ausbildung.

26.05.2023

Am Standort Düppel werden Pferde operiert, Hamster und Hunde untersucht – und auch Seeadlern kann geholfen werden.

Am Standort Düppel werden Pferde operiert, Hamster und Hunde untersucht – und auch Seeadlern kann geholfen werden.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Der Hund hat akute Atemnot, die Katze frisst nicht mehr, dem Meerschweinchen tränen die Augen: Wer in Berlin ein ernsthaftes Problem mit seinem geliebten Haustier hat, für den ist die Klein- und Heimtierklinik der Freien Universität eine der ersten Adressen. Zur Klinik im Berliner Ortsteil Düppel gehören eine internistische und chirurgische Abteilung, eine kardiologische Fachabteilung und auch eine Augenspezialistin.

90 Prozent der Patientinnen und Patienten in Düppel sind Hunde und Katzen. Auch Heimtiere wie Kaninchen, Meerschweinchen und Frettchen werden hier behandelt, auch Ziervögel und Reptilien. Die Leiterin der Kleintierklinik, Prof. Dr. Barbara Kohn, ist überzeugt davon, dass Haustiere eine günstige Wirkung auf die Psyche ihrer Besitzerinnen und Besitzer haben und wichtige Helfer in Krisensituationen sein können. „Viele Studien haben das nachgewiesen“, sagt sie. Vor allem älteren und alleinstehenden Menschen würden Haustiere Halt und Stabilität geben.

Die Leiterin der Kleintierklinik, Prof. Dr. Barbara Kohn: „Haustiere geben vor allem älteren und alleinstehenden Menschen Halt und Stabilität.“

Die Leiterin der Kleintierklinik, Prof. Dr. Barbara Kohn: „Haustiere geben vor allem älteren und alleinstehenden Menschen Halt und Stabilität.“
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Aber auch Wildtiere werden in Düppel medizinisch versorgt. Der Berliner Senat stellt Geld dafür bereit. „Wir kümmern uns um alle Wildtiere, die uns gebracht werden“, betont Kohn. Meist sind es Vögel. „Gerade ist ein Seeadler in Behandlung.“ Er habe wahrscheinlich eine Bleivergiftung, vermutlich durch bleihaltige Munition.

Die Klein- und Heimtierklinik ist eine von drei veterinärmedizinischen Kliniken der Freien Universität und wichtiger Teil der universitären Tiermedizin. Neben der Behandlung von kranken Tieren gehören die Ausbildung von Studierenden und die Forschung zu den Aufgaben der Düppeler Tierärztinnen und Tierärzte. „Infektionskrankheiten sind ein Schwerpunkt unserer Forschungsarbeit“, erläutert Kohn. „Wir forschen beispielsweise intensiv an der Babesiose, einer durch Zecken übertragbaren, parasitären Erkrankung beim Hund, die zur Zerstörung der roten Blutkörperchen und in der Folge zur Blutarmut führt.“ Unbehandelt kann diese Erkrankung tödlich enden. Auch Immunerkrankungen, Hormonstörungen, Magen-Darm-Erkrankungen und Hautkrankheiten werden an der Kleintierklinik erforscht und schwerpunktmäßig behandelt.

Dr. Christian ­Laiblin, Fachtierarzt und von 2002 bis 2014 Verwaltungsleiter des Fachbereichs Veterinärmedizin, weiß, wie schwierig es war, nach dem Mauerfall die Veterinärmedizin in Ost- und Westberlin zu fusionieren.

Dr. Christian ­Laiblin, Fachtierarzt und von 2002 bis 2014 Verwaltungsleiter des Fachbereichs Veterinärmedizin, weiß, wie schwierig es war, nach dem Mauerfall die Veterinärmedizin in Ost- und Westberlin zu fusionieren.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Zwei Jahrhunderte Berliner Veterinärmedizin

Die tierärztliche Ausbildung in Berlin hat eine lange Geschichte. Auf Betreiben Friedrichs des Großen wurde hier 1787 durch seinen Neffen Friedrich Wilhelm II. die Königliche Tierarzneischule gegründet. Bessere Rossärzte für den großen Pferdebedarf des Heeres sowie Tierärzte zur Verhinderung von Tierseuchen sollten dort ausgebildet werden. 1887 wurde die Einrichtung in Tierärztliche Hochschule umbenannt, 1910 das Promotionsrecht eingeführt. 1934 kam es zu ihrer Eingliederung in die Friedrich-Wilhelms-Universität, 1937 zur Bildung einer eigenständigen veterinärmedizinischen Fakultät.

Nach dem Krieg – aus der Friedrich-Wilhelms-Universität wurde die Humboldt-Universität – blieb die Tiermedizin zunächst im Ostteil Berlins. Als dort der Druck und die Einflussnahme durch das politische System wuchs, zogen 1950 rund 200 Studierende, sieben Professoren sowie 30 Assistentinnen und Assistenten in den Westteil der Stadt und gründeten dort die „Notgemeinschaft der Veterinärmediziner“, die 1951 auf Beschluss des Abgeordnetenhauses in die mittlerweile seit drei Jahren existierende Freie Universität aufgenommen wurde. Bis zur Wende hatte Berlin nun zwei veterinärmedizinische Fakultäten.

Prof. Dr. Leo Brunnberg, ehemaliger Dekan des Fachbereichs Veterinärmedizin: „Berufungen waren ein Schwerpunkt meiner Arbeit.“

Prof. Dr. Leo Brunnberg, ehemaliger Dekan des Fachbereichs Veterinärmedizin: „Berufungen waren ein Schwerpunkt meiner Arbeit.“
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Als 1992 von Senat und Abgeordnetenhaus Berlins die Fusion unter dem Dach der Freien Universität beschlossen wurde, zunächst begrenzt auf fünf Jahre, führte dies zu Problemen. Die Angehörigen beider Fakultäten wollten teils aus politischen, teils aus fachlichen, aber auch aus persönlichen Gründen zunächst ungern zusammenarbeiten. Zudem empfahl der Wissenschaftsrat eine Begrenzung der Ausbildungskapazität auf jährlich 200 Studienanfänger, was zur Folge hatte, dass fast 40 Prozent aller vorhandenen Stellen gekürzt wurden. Dr. Christian ­Laiblin, Fachtierarzt und von 2002 bis 2014 Verwaltungsleiter des Fachbereichs Veterinärmedizin, erinnert sich noch gut daran, wie schwierig es war, Vorurteile auf beiden Seiten zu überwinden. „Zudem waren die beiden Fakultäten sehr unterschiedlich ausgerichtet“, sagt ­Laiblin. Im Westteil Berlins stand die Behandlung von Haustieren im Vordergrund, im Ostteil die von Nutztieren. Beides musste nun – ohne Kündigungen – zusammengefügt werden. „Die ursprünglichen Stellen der Humboldt-Universität wurden nach und nach abgebaut beziehungsweise in den Stellenplan der Freien Universität überführt, zum Teil dadurch, dass Kolleginnen und Kollegen auch in andere Fachrichtungen wechseln mussten, was nicht selten auf Widerstand stieß“, erläutert Laiblin. Fast alle hätten sich aber schnell neu eingearbeitet. Kaum war dieser Kraftakt bewältigt, wurde dem Fachreich eine Sonderkürzung auferlegt. Das Abgeordnetenhaus beschloss, die Ausbildungskapazität um ein weiteres Viertel zu kürzen – verbunden mit einer entsprechenden Kürzung der Finanzierung und der Stellenzahl. Die Fusion der beiden Fakultäten eine Herausforderung zu nennen, ist auch im Nachhinein euphemistisch.

2003, kurz nachdem Laiblin sein Amt angetreten hatte, wurde Prof. Dr. Leo Brunnberg Dekan des Fachbereichs Veterinärmedizin. Beide durchsetzungsstark und zielbewusst, mussten sie sich erst zusammenraufen. „Anfangs hat es öfter mal gekracht“, erinnert sich Laiblin und lacht. „Wir haben dann aber schnell festgestellt, dass wir uns ideal ergänzen.“ So sieht das auch Brunnberg. „Unsere Zusammenarbeit hat die Veterinärmedizin weit nach vorn gebracht“, sagt er rückblickend. Zehn Jahre haben Brunnberg und Laiblin den Fachbereich geleitet und die Fusion vollendet. „Berufungen waren ein Schwerpunkt meiner Arbeit“, sagt Brunnberg. Er habe viel Mühe darauf verwandt, die Besten ihres Fachs nach Berlin zu bekommen. Das habe sich auch in der Lehre ausgewirkt. Mehr als 90 Prozent der Studierenden seien in der Regelstudienzeit fertig geworden.

Neben aller Verwaltungsarbeit hat Brunnberg weiter in der Kleintierklinik operiert und gelehrt, Kohn macht das heute genauso. „Zuerst und vor allem bin ich Tierärztin“, sagt sie. „Die Verwaltungsarbeit erledige ich oft nach Feierabend oder am Wochenende.“

Prof. Dr. Christoph Lischer, Professor für Pferdechirurgie: „Wenn sich ein Pferd das Bein bricht, heißt das heute noch lange nicht, dass sein Leben zu Ende sein muss.“

Prof. Dr. Christoph Lischer, Professor für Pferdechirurgie: „Wenn sich ein Pferd das Bein bricht, heißt das heute noch lange nicht, dass sein Leben zu Ende sein muss.“
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Pferdeheilkunde mit Leidenschaft

Mit ganzem Einsatz ist auch Dr. Christoph ­Lischer bei der Sache. Er ist Professor für Pferdechirurgie und seit Oktober 2009 Leiter der Klinik für Pferde, allgemeine Chirurgie und Radiologie. Gemeinsam mit enthusiastischen jungen Tierärztinnen und Tierärzten hat er die Klinik zu dem gemacht, was sie heute ist – eine exzellente Ausbildungsstätte, eine Klinik, zu der Menschen aus dem In- und Ausland ihre Pferde bringen.

„Wir haben uns auf die Behandlung von Frakturen und Arthrose bei Pferden spezialisiert und auch darauf, Bauchoperationen durchzuführen, wenn eine starke Kolik das nötig macht“, erläutert Lischer. Pferde seien allerdings heikel, fügt er hinzu. „Es braucht viel Fingerspitzengefühl, um ein Pferd so zu narkotisieren, dass es anschließend in einem guten Zustand wieder aufwacht.“ Im Vergleich zu allen anderen Tieren seien Pferde zudem besonders empfindlich, was Wundinfektionen betreffe.

Schwierig sei auch die Betreuung nach einer Operation. „Pferde können unberechenbar sein“, sagt Lischer. Für die Pflegekräfte könne es deshalb gefährlich werden, wenn es darum geht, Verbände zu wechseln oder Spritzen zu setzen. In der Pferdeklinik hätten sie das aber im Griff. „Unser Team ist gut ausgebildet und sehr erfahren“, betont Lischer. Das sei wichtig, gebe es doch inzwischen viel mehr Behandlungsmöglichkeiten als früher. „Wenn sich ein Pferd das Bein bricht, heißt das heute noch lange nicht, dass sein Leben zu Ende sein muss.“ Die Rossärzte des Alten Fritz hätten das vor 200 Jahren sicherlich anders gesehen.