Michael Brandt
Mit dem Versprechen, er werde nach dem Militärdienst als Reserveoffizier einen Studienplatz erhalten, trat Michael Brandt im August 1986 seinen Dienst bei den DDR-Grenztruppen an. Als seine Eltern einen Antrag auf Übersiedlung in die Bundesrepublik stellten, brach seine DDR-Welt zusammen.
geboren am 25. August 1966 in Jena
Suizid am 26. November 1987
Ort des Zwischenfalls: Grenzausbildungsregiment 11, Eisenach (Thüringen)
Nach seiner Ausbildung als Facharbeiter für Nachrichtentechnik meldete sich Michael Brandt freiwillig zu den Grenztruppen. Am 26. August 1986 begann er dort seine Ausbildung und kam als Gefreiter an die Offiziershochschule „Rosa Luxemburg”. Für die Zeit nach dem Abschluss seiner Offiziersausbildung erhielt er eine Studienplatzzusage. Die Überprüfungen des Offiziersschülers fielen positiv aus, er gehörte seit 1985 der SED an, sein familiäres Umfeld schien zuverlässig zu sein. Sowohl sein Vater als auch sein Onkel hatten ihren Militärdienst beim Wachregiment des Staatssicherheitsdienstes „Feliks Dzierzynski” abgeleistet. Michael Brandts Eltern gehörten nach DDR-Kriterien zur Arbeiterklasse.
Doch dann geschah Unerwartetes. Brandts Eltern stellten für sich und seine drei jüngeren Geschwister einen Antrag auf Ausreise aus der DDR. Der Staatssicherheitsdienst sorgte im Januar 1987 für die Ablehnung des Antrages durch die zuständige Dienststelle beim Rat des Bezirks, da es sich „bei den Antragstellern um Verwandte ersten Grades eines Berufskaders” handelte. Brandt befand sich nun in einem starken persönlichen Dilemma. Er sollte seine Eltern von ihrer Ausreiseabsicht abbringen. Als dies misslang und er erklärte, er werde den Kontakt zu seinen Eltern im Falle ihrer Übersiedlung nicht abbrechen, wurde er von der Offiziershochschule exmatrikuliert, zum Soldaten degradiert und in den Grundwehrdienst zum Grenzausbildungsregiment 11 „Theodor Neubauer” nach Eisenach versetzt. Brandts DDR-Welt brach in sich zusammen.
In der Begründung für die Maßregelung, unterzeichnet vom Chef der Offiziershochschule „Rosa Luxemburg”, heißt es: „Obwohl er sich der Folgen bewußt war, meldete er, daß er auch nach erfolgter Ausreise der Eltern den Kontakt zu ihnen und zu seinen Geschwistern nicht abbrechen wird. Mit dieser Haltung kann OS Brandt nicht zum Offizier der Grenztruppen entwickelt werden. Obwohl ihm das bekannt ist, hält er weiter an seinem Entschluß fest, die familiären Kontakte nicht abzubrechen. Vorschlag für den weiteren Einsatz: Wegen ungenügenden kaderpolitischen Voraussetzungen für den Beruf als Offizier schlage ich vor, den Offiziersschüler Brandt mit dem Dienstverhältnis Soldat im Grundwehrdienst zur Ableistung seines Grundwehrdienstes unter Anrechnung der geleisteten Dienstzeit von der Offiziershochschule abzuversetzen.”
Am 26. November 1987 gegen 1 Uhr erschoss sich Michael Brandt während des Wachdienstes auf dem Kasernengelände in Eisenach mit seiner Maschinenpistole. Er hatte zuvor das Wachlokal unter dem Vorwand verlassen, er müsse die eingesetzten Wachposten innerhalb des Geländes kontrollieren. Dem Kommandeur des Grenzausbildungsregiments schob er kurz vor der Tat noch zwei Briefe unter der Tür seines Amtszimmers hindurch. Die Schreiben, datiert vom 18. März und vom 13. November 1987, enthielten Ankündigungen seiner Suizidabsicht. In seinem letzten Brief schrieb Michael Brandt: „Bis spätestens 24.12.87 werde ich meinem Leben ein Ende setzen. […] Ich bin diesen psychischen Belastungen nicht mehr gewachsen und habe einfach die Schnauze voll. Es ist einfach zuviel Streß für mich. Ich könnte schon etwas Ruhe gebrauchen, statt dessen haben wir eben von 48 Stunden nur ca. 13 Stunden Schlaf, keine kulturellen Maßnahmen und nur Monotonie. Ja, ich werde es tun, und vielleicht schon sehr bald. […] Ich wünsche keine Bestattung. Meine Asche soll in Jena-Göschwitz verstreut werden.” (Recherche: jos., MP; Autor: jos.)