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Rede von Dieter Lenzen anläßlich der Immatrikulationsfeier im Wintersemester 2004/05, FU Berlin


Prof. Dr. Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität Berlin:

Fair play means behaving and acting honestly

Rede anläßlich der Immatrikulationsfeier
im Wintersemester 2004/05
zur Begrüßung der neuimmatrikulierten Studierenden am 20. Oktober 2004

Die Immatrikulationsfeier zum Wintersemester 2004/2005 findet dieses Mal an einem ungewohnten Ort statt. Es ist der Gebäudekomplex, für den sich in der Vergangenheit irgendwann der respektlose Name "Rostlaube" durchgesetzt hat. Das wird nicht mehr lange so sein können, denn, wenn Sie aufmerksam hingeschaut haben, sahen sie es: Das aus den 70er Jahren stammende neue Zentrum des Campus der Freien Universität wird von Grund auf überholt.

Die Asbestsanierung war der äußere oder besser innere Anlass, die durchgerostete Außenhaut wird durch Metallplatten mit einer neuen Legierung versetzt, die eher auf Bronze schließen lassen und: Das Juwel der Freien Universität, der Bibliotheksbau von Sir Norman Foster, nimmt konkrete Gestalt an. Versäumen Sie also nicht, beim Herausgehen in Richtung Habelschwerdter Allee, einen Blick auf die Außenhaut zu werfen. Im nächsten Sommer wird die Bibliothek fertig gestellt sein.

Wir sind aber heute nicht hier zusammengekommen, um Ihnen einen Einblick in die Architekturgeschichte der Freien Universität zu bieten, die nebenbei gesagt ein Kaleidoskop moderner Architektur darstellt, sondern deshalb, weil das Zentralgebäude des Alt-Campus, der Henry-Ford-Bau in diesem Semester eine große Ausstellung zur Geschichte und Zukunft der Freien Universität beherbergt, die nicht gleichzeitig von über 2.000 Besuchern des Audimax besucht werden kann.

Gleichwohl ist es wichtig, dass Sie die Chance der nächsten Wochen nutzen, sich eine Stunde zu nehmen und diese Ausstellung besichtigen, die unter dem Motto "Zukunft von Anfang an" für die Universität das zeigt, was heute für Sie gelten soll, und was ich Ihnen von Herzen wünsche: Zukunft von Anfang an!

Mit Ihrer Wahl für eine der deutschen Spitzenuniversitäten haben Sie beste Voraussetzung dafür geschaffen, dass Sie eine gute Zukunft vor sich haben, nicht nur in dieser Universität, sondern danach, wenn Sie in das Berufsleben wechseln. Für die erste Phase sind wir verantwortlich und Sie, für die zweite nur Sie.

Indem wir Sie mit der Geschichte einer großen Universität vertraut machen, die in ihren Wurzeln bis in das Jahr 1810 zurückreicht und deren Neu- und Alternativgründung im Jahre 1948 im damals freien Teil Berlins stattfand, soll Ihnen eine Geschichte nahe gebracht werden, die mit dem Gedanken der bürgerlichen Freiheit, dem der Wahrheit und dem der Gerechtigkeit aufs Engste verknüpft ist. Dieses sind auch die Leitbegriffe unserer Universität, und wie sie sich in den verschiedenen Krisen der zurückliegenden fast 60 Jahre in und außerhalb der Universität ausgeprägt haben, das können Sie in dieser Ausstellung sehen. Sie enthält eine ausführliche Illustration der epochalen Umbrüche 1948, 1968 und 1989, die diese Universität geprägt haben und an deren Prägung die Universität für die Gesellschaft Deutschlands gewirkt hat. Zahlreiche Persönlichkeiten, der gegenwärtigen Bundesregierung gehören allein drei Minister an, die Alumni der Freien Universität sind, zeigen, dass auch für sie persönlich das galt, was ich Ihnen wünsche: Zukunft von Anfang an. Die Ausstellungsmacher zeigen aber noch mehr: Die künftige Forschungsausrichtung der Freien Universität, in dem, was wir als Cluster, also als Schwerpunkte, bezeichnen. Mit ihnen will die Freie Universität ihren Beitrag zur Bewältigung der großen Herausforderungen leisten, die auf unseren Globus, auf Europa, auf Deutschland und auf Berlin zukommen. Einige Beispiele zeigen das, und so gehören zu den Schwerpunkten Gender and Diversity, Lehr-Lernforschung, Migrationsforschung, die Verbesserung der Lebensqualität, Global Governance, Medienforschung, kulturelle Transformationsprozesse, aber auch Grundlagenforschung, etwa im Bereich der Molekularstruktur oder der Systeme und Netzwerke.

Die Ausstellung bietet aber noch mehr: Den Wandel des studentischen und gesellschaftlichen Lebens über 60 Jahre. Schauen Sie also, wie die Generation Ihrer Eltern gekleidet war, was sie in ihrem Alltag tat und unterließ. Auch können Sie die beispielhafte Geschichte der Architektur dieser Universität studieren, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Denn bei ihrer Gründung erhielt die Freie Universität 1948 achtzehn Institute der damals im kommunistischen Teil der Stadt liegenden Humboldt-Universität, um hier politisch unabhängige Wissenschaft durchführen zu können. Robert Kennedy hat 1964 bei seiner Rede an dieser Universität daran erinnert:

"When the honorable purpose of the University of Berlin was cruelly distorted the professors and students came here, unwilling to be diverted in their search for the truth and refusing to surrender their freedom. East Berlin has the buildings. West Berlin has the university - an institution dedicated to the education of free mean and celebrated around the world as a monument to the carriage of the free mind"

Ich hoffe, es ist Ihnen leicht gefallen, diesen Worten Kennedys zu folgen, denn das ist auch ein Kapitel der Freien Universität: Ihre Internationalität. In unserer Ausstellung wird die Verflechtung mit über 110 Universitäten, die zahlreichen Austauschprogramme für Studierende und die internationale Einbindung in Forschung demonstriert. Informieren Sie sich über die Möglichkeiten, im Ausland zu studieren und nehmen Sie diese Möglichkeiten wahr. Sie gehören zu einer Generation, für diees sehr unwahrscheinlich ist, dass ihr Berufsleben auf Deutschland beschränkt sein wird. Wenn Sie sich dafür rüsten wollen, und Sie sollten es, dann verbringen Sie wenigstens ein/zwei Semester an einer ausländischen Universität, die mit uns verbunden ist. Ihre Lebenschancen steigen beträchtlich. Vielleicht gilt sogar folgender Satz: Sie sinken beträchtlich, wenn Sie es nicht tun.

Unsere Ausstellung zeigt also Historisches, Lokalitäten in der Form der Architektur, Internationalität, die Lebensläufe von Menschen, die mit dieser Universität verbunden waren und sind, und sie zeigt Forschungsresultate auf international höchstem Niveau. Studieren Sie beispielsweise unseren Beitrag zur Marsmission, die Marskamera, die die einzigartigen Bilder vom Mars auf die Erde gesendet hat, und vergessen Sie am Ende nicht, sich ins elektronische Gästebuch einzutragen, das die Geschichte dieser Universität fortschreiben soll.

Diese Ausstellung, die nur durch das großzügige finanzielle Engagement vieler Menschen und Organisationen möglich war, ein Engagement, das uns auch helfen soll, den in die Jahre gekommenen Henry-Ford-Bau zu renovieren, soll, so ist es der Wille des Akademischen Senats gewesen, ein Beitrag zur Selbstvergewisserung, zur Identität der Menschen leisten, die an dieser Universität als Lehrende oder Lernende arbeiten. Denn etwas Weiteres wird künftig für unsere Universitäten, aber auch für Sie als ihre Besucher sehr wichtig sein: Zu einem Netzwerk zu gehören, das seinen Anfang nimmt am Studienort und ein ganzes Leben andauern kann. Wir haben deshalb vor einigen Jahren mit der Errichtung eines Netzwerkes der so genannten Alumni, also der Ehemaligen der Freien Universität, begonnen, und ich darf Sie schon heute bitten, nach Ihrem mit Sicherheit erfolgreichen Abschluss diese Universität, Ihre Kommilitonen und damit sich selbst nicht aus dem Auge zu verlieren.

Damit Ihr Studium erfolgreich wird und Sie als Mitglieder einer Generation, auf die die Gesellschaft angewiesen sein wird wie nie zuvor, einen Beitrag zu ihrem Fortbestand leisten können, und damit Sie selbst in diesem vor Ihnen liegenden Leben erfolgreich sind, Lebensqualität erwerben und hoffentlich sogar ein bisschen glücklich sind, müssen Sie und wir nun etwas dazu tun, damit das klappt:

Die Freie Universität hat deshalb als eine der ersten in Deutschland konsequent die Entscheidung getroffen, ihr gesamtes Studienangebot noch im Rahmen der jetzigen Vertragslaufzeit mit dem Staat, also bis 2006, auf die internationalen Studiengänge BA und MA umzustellen. Ergänzt wird dieses Programm für den wissenschaftlichen Nachwuchs um ein Angebot an Promotionsstudiengängen, die auf dem internationalen Niveau des PH.D. stehen sollen. In diesem Semester fällt der Startschuss für die "Fresh men and women" in den Studiengängen mit dem Ziel des Bachelor.

Einige Fachbereiche, z. B. der Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, sind mit der Entwicklung dieser Studiengänge vorbildlich vorangegangen und haben damit aber auch die ganze Last der kleinen und größeren Probleme, die am Anfang jeder Innovation steht. Das ist unvermeidlich, denn die Umstellung des guten alten deutschen kontinentalen, bis ins Mittelalter zurückreichenden, Examenssystems auf international anerkennungsfähige Studiengänge ist eine Bildungsrevolution im Hochschulbereich. Gleichzeitig sollen Sie aber als die Erststudierenden in diesen Studiengängen auch die besten Chancen haben, von dieser Innovation zu profitieren. Dazu ist es erforderlich, dass wir Schwierigkeiten, Ungereimtheiten und Pannen schnell erkennen, damit sie behoben werden können. Dafür ist Ihr Fachbericht besser geeignet als die Tagespresse.

So konnte das Präsidium bei der überschaubaren Zahl aufgetretener Probleme immer kurzfristig Konsequenzen einleiten, sei es, dass einzelne Bewerber bei der Immatrikulation aufgrund der Sprachanforderungen auf Probleme stießen - wir sprechen hier aber von unter 3% der Bewerber - und denen wir (indem wir ihnen die bisher vorhandene Möglichkeit einräumten diese nachzuliefern) pragmatisch helfen konnten, oder dass es zu einzelnen Überschneidungsproblemen bei Pflichtlehrveranstaltungen vor allem im Lehramtsstudium kommt - wo wir noch diese Woche eine Verbesserung herbeiführen und die Studierenden informieren werden.

Um aber nicht nur auf Überraschungen zu reagieren, sondern die große Innovation auch strategisch vorzubereiten, wird das Präsidium Mittel, die durch eine vorbildliche Energiebewirtschaftung unserer fast 300 Gebäude sowie durch die Kostendämpfung im Gesundheitsbereich frei geworden sind, für einen Qualitäts- und Leistungspakt mit den Fachbereichen, insbesondere für ein Optimierungsprogramm in der akademischen Lehre einsetzen. Im Einzelnen bedeutet das:

  1. Wir stellen für den Verlauf von fünf Jahren auf dem Wege der Co-Finanzierung zwischen Fachbereichen und dem Präsidium 15 zusätzliche Professorenstellen nach C 3 bzw. W 2 und 15 zusätzliche Stellen für Studienräte und Oberstudienräte zur Verfügung, um deren hohe Lehrkapazität bei der Einführung der neuen Studienstrukturen einsetzen zu können.
  2. Wir werden im Rahmen der Zielvereinbarungen mit den Fachbereichen Hilfsangebote für die Studierenden auflegen, die offenkundig Schwierigkeiten haben, in die Prüfungsabschlussphase zu gelangen.
  3. Die Studiendekane der Fachbereiche erhalten für ihre Arbeit zusätzliche Unterstützung, wenn sie die Studiengangsumstellung und die Lehrevaluation vorantreiben.
  4. Die externe Lehrevaluation wird für die beginnende Vertragsperiode obligatorisch werden, so dass alle Studierenden Möglichkeit haben, sich über die Lehrqualität aber auch ihre eigene Lernqualität klar zu werden.
  5. Für individuelle Innovationsmaßnahmen der Fachbereiche stehen im Rahmen der jetzt beginnenden Zielvereinbarungen erneut Mittel für so genannte Profilstellen im wissenschaftlichen Mittelbau zur Verfügung.
  6. Zur Verbesserung der Raumsituation und zur Konzentration des Campus hat das Präsidium einen weiteren Gebäudekomplex für die zahlreichen kleinen Fächer insbesondere der Kulturwissenschaften an der Fabeckstraße beantragt sowie die Bereitstellung eines Institutskomplexes für die Veterinärmedizin.
  7. Die Studien- und Prüfungsordnungen für BA-/MA-Studiengänge werden aufgrund der ersten Erfahrungen in diesem Semester zeitnah einer Überarbeitung unterworfen und das Angebot für die allgemeine Berufsvorbereitung im Rahmen der BA-Studiengänge wird zum Sommer konzeptionell erweitert werden.

Ich möchte, dass diese Maßnahmen begriffen werden als Ausdruck der Tatsache, dass diese Universität sich, trotz schwerster finanzieller Zumutungen des zurückliegenden Jahres und in den vor uns liegenden, nicht beirren lässt, sondern dass die Freie Universität ihrem Gründergeist gerecht wird und durch Phantasie, Optimierungsfähigkeit und Zukunftsorientierung für Lehre und Forschung die besten Bedingungen schafft. Denn: Wir wollen unseren Spitzenplatz nicht nur behaupten, sondern ausbauen. Die Leistung der gesamten Universität ist die Chance für alle Studierenden.

In der anglophonen aber auch der asiatischen Welt wird davon ausgegangen, dass sportliche Betätigung ein wichtiger Faktor für eine solche Persönlichkeitsentwicklung sein kann. In den größten Teilen der akademischen Welt außerhalb Deutschlands gehört es deshalb zu den Selbstverständlichkeiten, dass jeder Studierende sich sportlich betätigt und auf diesem Wege lernt, Respekt zu zollen, Respekt für die Leistung der anderen, sich aber auch Respekt zu verschaffen durch eigene Leistung und durch etwas, das im Mittelpunkt der Rede unseres heutigen Ehrengastes steht. Im Jahr der Olympiade und der Fußballeuropameisterschaft schien es deshalb angemessen, jemanden zu bitten, zu Ihnen zu sprechen, der Erfahrung in diesem Bereich hat. Dr. Markus Merk ist selbst Beispiel für eine solche Persönlichkeit. Er ist akademisch ausgebildeter Zahnarzt, leider nicht von der Freien Universität, gleichzeitig aber auch aktiver Sportler und Fußballschiedsrichter und, jetzt kommt der entscheidende Sprung, ein sozial engagierter Mitbürger, der vielleicht aus der Verbindung von Academia und sportlichem Wettbewerb den Blick auf diejenigen wirft, denen es schlechter geht. So engagiert Merk sich in der Indienhilfe Kaiserslautern e.V. und fliegt regelmäßig nach Südindien, um vor Ort hauptsächlich für Kinder medizinische Hilfe zu leisten. Für den Einsatz gegenüber den Schwächeren gilt dasselbe wie im Sport: Fairness. Es ist ein Gebot der Fairness, denen zu helfen, die sich nicht selbst helfen können oder Ihnen dazu zu verhelfen, sich selbst zu helfen. Eine akzeptierte Persönlichkeit wie er ist deshalb mit dem Wort des Fair Play aufs engste verbunden.

Herr Merk, ich danke Ihnen herzlich, dass Sie sich bereit gefunden haben, diese Aufgabe heute zu übernehmen. Damit Sie aber nicht glauben, die Freie Universität sei ein Haufen von unsportlichen Stubenhockern, möchte ich drei Menschen hervorheben, die Studierende dieser Universität sind und wissen wovon die Rede ist:

Frau Badri Latif, diesjährige Olympiateilnehmerin und Goldmedaillengewinnerin im Hockey
Herrn Thomas Scherwitis, diesjähriger Olympiateilnehmer im Wasserball
und
Frau Petra Niemann, diesjährige Olympiateilnehmerin im Segeln

Sie gehörten zu den Studierenden der Freien Universität, die in Athen an den Start gingen. Allen dreien möchte ich noch einmal gratulieren und Ihnen, Frau Latif, besonders für "die" Medaille. Ich freue mich, Sie heute bei der Immatrikulationsfeier persönlich begrüßen zu können.

Wir vergeben hier keine Medaillen, aber doch Erinnerungsstücke. Das silberne Siegel dieser Universität und ein Sie hoffentlich auch außerhalb der Freien Universität an uns erinnernden Kapuzen-Sweater mit dem Logo ihrer Universität.

Wir sind stolz auf Sie!