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DONNERSTAG, 28.11.2019  
Im Fokus: Perspektiven der Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung in Berlin

Karola Braun-Wanke, Projektleiterin Koordinierungsstelle Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung Steglitz-Zehlendorf

Karola Braun-Wanke, Projektleiterin der Koordinierungsstelle für Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung in Steglitz-Zehlendorf, hieß die zahlreichen Teilnehmer*innen willkommen und wies auf die wichtige Rolle des Beirats der Koordinierungsstelle hin, der entscheidend bei der Gestaltung des Bildungsforums war. Das Motto „Miteinander mehr bewegen“ gelte also sowohl als Credo für den ersten Veranstaltungstag als auch für die Planung der Veranstaltung selbst.

Karola Braun-Wanke betonte, das Ziel der Koordinierungsstelle sei es, Bildungskooperationen und Partnerschaften zwischen formalen Bildungseinrichtungen wie Schulen, Berufsschulen und Universitäten mit non-formalen Bildungseinrichtungen wie Jugendfreizeiteinrichtungen, Verbänden, Bibliotheken oder Volkshochschulen durch Vernetzung zu fördern. Nur im Miteinander könne so langfristig eine offene und durchlässige Bildungslandschaft etabliert werden, die die Bildungsqualität, Bildungsgerechtigkeit und lebenslanges Lernen im Bezirk ermögliche.

Beim Bildungsforum gehe es um Beteiligung und Vernetzung. Es gelte einerseits, bezirkliche und außerbezirkliche Bildungsakteure kennenzulernen und zusammenzubringen und andererseits die Aufgaben und Funktionen der neu eingerichteten Koordinierungsstelle zu diskutieren. 

Das Bildungsforum stehe im Kontext der politischen Ereignisse. So erwähnte Karola Braun-Wanke den globalen Klimastreik, der am 29. November auch in Berlin stattfand und unter dem Motto „Es reicht! Klimaschutz jetzt und für alle“ wieder tausende Menschen allen Alters auf die Straße gehen ließ. Die Forderungen der Fridays for Future-Bewegung betreffe auch (Umwelt-)Bildungsakteure. Gemeinsam müsse überlegt werden, wie eine zukunftsfähige Bildung aussehe und wie Kinder und Jugendliche schon frühzeitig auf die globalen Herausforderungen wie Klimawandel und den zunehmenden Verlust der Biodiversität vorbereitet werden können.

Karola Lakenberg, Gruppenleiterin Biologische Vielfalt, Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz

Karola Lakenberg, Gruppenleiterin Biologische Vielfalt der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz verwies mit Stolz auf die Etablierung der bezirklichen Koordinierungsstellen, die 2019 berlinweit begonnen habe. Vorab hatte sie den Weg dahin und die politischen Rahmenbedingungen in Berlin näher erläutert. Der Zuschnitt auf die Bezirke diene dabei dem Zweck, die Arbeit der Vernetzung und Koordinierung nah am Geschehen zu halten und direkt vor Ort auszuüben. Das Ziel sei eine Verstetigung der Koordinierungsstellen in den Bezirken.

Alexander Marschall, Leiter des Bezirksamts Umwelt- und Naturschutz in Steglitz-Zehlendorf

Alexander Marschall, Leiter des Bezirksamts Umwelt- und Naturschutz in Steglitz-Zehlendorf, bedankte sich in seiner Rede bei Karola Lakenberg, die das Thema Umweltbildung in den Bezirk getragen habe. 

Die Arbeit im bezirklichen Beirat der Koordinierungsstelle habe ihm gezeigt, dass Steglitz-Zehlendorf auf eine Vielzahl von Akteuren blicken kann, die bereits unverzichtbare Arbeit leisten. Es bestünde ein enormes Potenzial, das eine noch bessere Vernetzung der Akteure mit sich bringen würde. Alexander Marschall betonte allerdings auch, dass Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung bislang ein Schattendasein führe und derzeit noch stark von Engagement Einzelner lebe. Den Engagierten gebühre höchste Anerkennung, doch sei mit dieser aktuellen Struktur keine Kontinuität der Arbeit zu erreichen. Hierin liege das Potenzial einer bezirklichen Koordinierungsstelle.

Eine weitere Chance sieht der Bezirksamtsleiter in der Öffentlichkeitsarbeit der Koordinierungsstelle. Er begrüßte den ganzheitlichen Ansatz, die Natur- und Umweltbildung um den Aspekt der Nachhaltigkeit zu erweitern. 

Mit ihrem universalen Ansatz könne es der Koordinierungsstelle gelingen, Vorreiter für ganz Berlin zu werden und alle Generationen in den Prozess mit einzubeziehen. Herr Marschall zeigt sich zuversichtlich, dass Natur-, Umwelt. und Nachhaltigkeitsbildung „aus dem Underground in den Mainstream“ gebracht werden könne. Zur Erreichung dieses Ziels sei es jedoch unabdingbar, die obere Landesebene miteinzubeziehen. Dabei liege die Stärke der Freien Universität, an der die Koordinierungsstelle angesiedelt ist, besonders in ihrer politischen Unabhängigkeit.

Margret Rasfeld, Bildungsinnovatorin und Gründerin von Schule im Aufbruch

Die Bildungsinnovatorin und Gründerin von Schulen im Aufbruch, Magret Rasfeld, wies darauf hin, dass die EU zeitgleich mit Beginn des Umweltbildungsforums den Klimanotstand ausgerufen habe. Doch mit der Erklärung des Klimanotstandes sei es noch nicht getan. Eine Transformation der Lebensweisen sei unabdingbar,um den Erhalt eines lebenswerten Planeten zu sichern. Diese Transformation ließe sich allerdings nur gemeinsam gestalten, so Magret Rasfeld. 

Die Transformation hin zu einem lebensförderlichen Leben bedeute auch ein neues Denken von Bildung. Darunter versteht die Referentin in erster Linie Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Hierbei handelt es sich um mehr als bloßen Unterricht. BNE bezeichne ein Lernen, einen Wissenserwerb, ein Zusammenleben, ein Handeln, ein Sich-Selbst-Spüren und einen Erwerb von Gestaltungskompetenzen. 

Magret Rasfeld hob in diesem Zusammenhang besonders den Nationalen Aktionsplan BNE hervor. In einigen Schulen bestünde bereits das Schulfach „Verantwortung“, in dem Schüler*innen soziale und/oder ökologische Themen eigenverantwortlich für je zwei Stunden in der Woche bearbeiteten. Beispiele, wie der neunjährige Aktivist Felix Finkbeiner zeigten, dass Kindern viel mehr zuzutrauen sei als es für gewöhnlich getan würde. Sie plädierte in diesem Zusammenhang für den Peer-to-Peer Ansatz, bei dem Kinder sich gegenseitig Dinge beibringen, indem sie zum Beispiel zu Klimabotschafter*innen ausgebildet werden.

„Wichtig ist der Umgang mit Ungewissheit“

Selbstorganisiertes und eigenständiges Lernen versteht die Bildungsinnovatorin dabei als Grundlage für einen geübten Umgang mit Ungewissheit. In dem Format „Herausforderung“ haben 13 bis 15-Jährige die Chance, sich selbst für drei Wochen mit nur 150 Euro zu organisieren. Mit diesem und anderen Formaten könne eine völlig neuartige Partizipations- und Kooperationskultur geschaffen werden, die passende Lernformate und Aktionsräume biete. Als weiteres Good-Practice-Beispiel führte Magret Rasfeld den „FREI-Day“ an. Hierbei handle es sich um einen Möglichkeitsraum für Bildungslandschaften, der den Aufbau von Kooperationen befördern soll.

Ein transformatives Handeln fordere stets auch Mut. Dieser Mut sei zurzeit jedoch nur schwer zu finden, denn es bestehe ein Hoffnungsdefizit: Wer nicht an das Ziel glaube, der fange erst gar nicht an. In der Hoffnung erkennt Magret Rasfeld jedoch einen Schlafenden Riesen und am besten könne dieser mit einem großen Hebel geweckt werden, der sich Handeln nennt.

Tisch 1: Angebot und Nachfrage? Treffen die bezirklichen Umweltbildungsangebote und Lernorte die Bedarfe von Schulen, Kitas und Co.?

Thementisch 1 wurde moderiert von Petra Brandstädter, Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Gemeinsam mit den Tischgastgeber*innen und den Teilnehmenden ging sie der Frage nach, wie außerschulische und schulische Lernorte besser zusammengebracht werden könnten und wie es um die Bedarfe beider Seiten gestellt ist.

Tischgastgeber Stephan Schlütter, Pädagogischer Leiter der Gartenarbeitsschule Steglitz-Zehlendorf berichtete den Teilnehmer*innen aus seiner Perspektive als Betreiber eines grünen Lernortes. Er gab Einblicke in den Alltag und die Bedarfe außerschulischer Lernorte.

Tischgastgeberin Kerstin Litti-Voßkamp, Lehrerin der Mühlenau Grundschule brachte den Interessierten ihre Wahrnehmung der Verfügbarkeit von außerschulischen Lernorten näher. Zudem berichtete sie von ihren eigenen Erfahrungen mit der Integration von außerschulischem Lernen im Unterrichtsalltag.

Die Diskussion in dieser Runde ergab, dass es an einer Angebotstransparenz mangelt. Im Besonderen fühlen sich Kitas benachteiligt, die oftmals vermittelt bekommen, an außerschulischen Lernorten nur geduldet zu sein, da sich das Programm meist nur an Kinder im schulreifen Alter richtet. Auf Seiten der Einrichtungen wurde schnell klar, dass bereits eine große Aus- und stellenweise Überlastung besteht. Ein häufig genanntes Problem seien Personalmangel und unsichere beziehungsweise unzureichende Finanzierung. Als Lösungsvorschlag wurde ein regelmäßiger Newsletter zu Angeboten an außerschulischen Bildungseinrichtungen in Steglitz-Zehlendorf genannt. Auch sei es von großer Bedeutung, dass Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung nicht nur von Einzelkämpfer*innen in den formalen Bildungseinrichtungen weitergetrieben werde. Um eine breitere Unterstützung in der Belegschaft zu haben, sei es unumgänglich, BNE stärker in die Ausbildungen von Lehrer*innen und Erzieher*innen zu verankern. Auch Eltern sollten dabei nicht außen vor gelassen werden, sondern stärker in die Gestaltung einbezogen werden. 

Tisch 2: Gemeinsam stark: Netzwerken und Kooperieren – Wie wächst zusammen, was zusammengehört?

An diesem Tisch erwartete die Teilnehmenden eine spannende Diskussion zur Bedeutung von Netzwerken und Kooperationen zwischen Bildungsakteuren, die von Dagmar Birkelbach, Koordinationsstelle Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, moderiert wurde. 

Gastgeberin Vivian Ryll, Leiterin des Sonnenhauses Berlin, berichtete dabei von ihren Erfahrungen mit der Vernetzung im kleinen Rahmen. Ralf Liebau von der Stiftung Naturschutz Berlin und Prozessbegleiter der berlinweiten bezirklichen Koordinierungsstellen konnte das Gespräch durch seine Einblicke in das Potenzial und die Hemmnisse eines berlinweiten Netzwerks bereichern.

Nachdem die Teilnehmer*innen eine große Sammlung an gewinnbringenden Netzwerken und Kooperationen gesammelt hatten und sich über die Voraussetzungen für ein Gelingen verständigt hatten, ging das Gespräch zu der Frage über, wie das Vorhandene optimiert werden und Missstände behoben werden könnten. Es wurden unter anderem Wünsche nach einer Regionalkonferenz zum Thema Umwelt, einem Ideenpool für die Verankerung von Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung im Schulalltag und nach einer Multiplikatorenschulung geäußert. Auch an diesem Tisch wurde der Bedarf einer stärkerer Integration der Kitas in außerschulische Bildungsprogramme benannt. Zudem ergab die Diskussion, dass Vernetzung nicht an den Bezirksgrenzen aufhören, sondern darüber hinausgehen sollte.

Tisch 3: Sponsoring oder öffentliche Förderung: Welche Finanzierungsmodelle braucht die Umweltbildung in Berlin und im Bezirk?

Diese Gesprächsrunde wurde moderiert von Karola Braun-Wanke von der Koordinierungsstelle Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung im Bezirk Steglitz-Zehlendorf und beschäftigte sich mit Fragen zur Finanzmittelakquise, die ein grundlegender Bestandteil der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung ist. 

Begrüßt wurden die Teilnehmer*innen von drei Tischgastgeberinnen. Karola Lakenberg, Gruppenleiterin Biologische Vielfalt von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, konnte von ihrer langjährigen Erfahrung von öffentlicher Förderung aus Verwaltungssicht berichten. Anke Küttner, Abteilungsleiterin Stadtgrün und Umweltbildung der Grünen Liga Berlin, unterstützte die Diskussion mit Einblicken aus ihrem Alltag, der oft von Finanzmittelakquise geprägt ist. Spannende Hinweise konnte auch Sabine Schepp von Engagement Global geben. Sie ist Expertin für die Finanzierung von Projekten zum globalen Lernen.

Die Tischrunde fand schnell einen Konsens: es fehlt an Geld. Akteure der Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung arbeiteten meist als Freiberufliche, die mit einer Spanne von 15 bis 25 Euro pro Stunde zu schlecht bezahlt seien. Hinzu komme die Unsicherheit, wie es nach dem Ende einer Förderperiode weitergehen solle. Nur zu oft erwies sich das Ende von Förderung als Tod von Projekten. Abhilfe aus dieser prekären Lage könne die Gründung eines Kiezfonds nach dem Beispiel Schönebergs schaffen. Auch wurde auf die Bedeutung von gesammelten und aktuellen Hinweisen über Finanzierungsmöglichkeiten verwiesen, die gerade auf der Webseite der Koordinierungsstelle aufgebaut werden und viel kostbare Recherchezeit ersparen könne.

Tisch 4: Rechthaben, Zuhören, Mitnehmen: Trotz konträrer Überzeugungen im Dialog bleiben

Moderiert von Michael Rauscher, Programmbereichsleiter Politische Bildung und Sprechen an der Victor-Gollancz-Volkshochschule Steglitz-Zehlendorf, widmete sich dieser Tisch der aktuell drängenden Frage nach der Kommunikation im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes. 

Die Tischgastgeberin Janna Hoppmann, Umweltpsychologin, konnte dabei sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Perspektive berichten. Diese praktische Perspektive wurde von der Tischgastgeberin Nicole Hartmann von Extinction Rebellion erweitert. 

Die Gesprächsrunde tauschte sich zunächst über positive und negative Erfahrungen im Bereich des Kommunizierens von Aktionen und Aktivitäten aus. Im Dialog mit Menschen mit konträren Überzeugungen sei es von großer Bedeutung, stets auf einer wertschätzenden Ebene zu kommunizieren. Dissens solle dennoch benannt werden, wenngleich ohne Vorwürfe oder persönliche Angriffe. Ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht böte hierfür die beste Form des Austauschs. Die Diskussionsteilnehmer*innen einigten sich drauf, dass auch im Bereich der Kommunikation eine Kooperation von großer Bedeutung sei. Statt allein zu bleiben, solle man sich verbünden, um so gemeinsame Kommunikationsstrategien zu erarbeiten. Einigkeit herrschte auch bei der Frage nach dem Umgang mit extremen Meinungen. Hier zeige eine Diskussion oder ein Dialog selten Wirkung und es sollte davon abgesehen werden, diesen Positionen einen Raum zu geben.

Tisch 5: Jugend als Changemaker: Wie kann Partizipation und Mitbestimmung in der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung auf Augenhöhe gelingen?

Dieser Tisch wurde von Karl Maurer, Geschäftsführer des Nachbarschaftshauses Wannseebahn e. V. moderiert. Die Teilnehmenden wurden von den Tischgastgebern Malte Berg und Marten Neun von der Klima AG des Goethe-Gymnasiums und Wolfgang Schwarz vom Fortbildungszentrum für nachhaltige Entwicklung (BNE-Zentrum) begrüßt und in eine angeregte Diskussion eingeführt.

Die Diskutierenden widmeten sich der Frage, wie Freiwilligkeit in die Schule transportiert werden könne. Festgehalten wurde, dass das Schulsystem augenblicklich wenig Raum für die Erfahrung von Selbstwirksamkeit zuläßt. In Anbetracht dessen sei davon auszugehen, dass eine Transformation zunächst einmal Raum und Zeit brauche, um sich zu entwickeln. Gute Ansatzpunkte könnten jedoch schon mit Peer-to-Peer Formaten oder mit der Öffnung von Schulen zu Experten von außerhalb gemacht werden. Grundlage dafür sei jedoch ein Grundverständnis bei Eltern und Lehrer*innen, die sich ebenso wie Schüler*innen in einem Prozess des Lernens und des Umdenkens befinden sollten.