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Frauen- und Geschlechterforschung in lateinamerikanischen Gesellschaften

Renate Rott studierte Soziologie, Politische Wissenschaften, Wirtschafts- und Sozialgeschichte in München und Berlin und war bereits zwischen 1969 und 1974 als wissenschaftliche Assistentin am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität tätig. Nach Abschluss ihrer Habilitation 1978 und zahlreichen Lehr- und Forschungsaufenthalten in den USA, Großbritannien, Mexiko, Kolumbien sowie einer Gastprofessur im Nordosten Brasiliens wurde sie 1981 zur Professorin für Soziologie, Schwerpunkt Lateinamerika, an die Freie Universität berufen. Dort führte sie in den achtziger Jahren nicht nur das Lateinamerika-Institut als Vorsitzende durch schwierige Zeiten existenzieller Gefährdung, sondern sie initiierte, organisierte und leitete zwei Jahrzehnte lang den Forschungs- und Lehrschwerpunkt „Frauen- und Geschlechterforschung in außereuropäischen Gesellschaften“ mit Schwerpunkt Lateinamerika, der in seinen wissenschaftlichen Arbeiten die Wechselbeziehung zwischen Modernisierung und Geschlechterverhältnissen thematisiert.

Mit dem Arbeitskreis und seinen Forschungsaktivitäten ging Renate Rott über ihren eigenen regionalen Schwerpunkt hinaus und initiierte interdisziplinäre Kooperationen, so dass sich unterschiedliche Initiativen und Projekte herausbilden konnten, von denen wichtige Impulse für die Geschlechterforschung ausgingen. Dabei arbeiteten Wissenschaftlerinnen und Studentinnen aus unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Disziplinen (Soziologie, Politikwissenschaft, Ethnologie, Volkswirtschaft, Lateinamerikanistik, Altamerikanistik u.a.) zusammen zu den Themenbereichen: Frauenerwerbsarbeit undFamilienformen; Frauenbilder und Geschlechterkonstruktionen; Migration– Exil – Emanzipation?; Frauenförderung in der Entwicklungszusammenarbeit;Gender-Theorieansätze; Geschlechterverhältnisseund politische Kultur.

Neben der Konzeption und Durchführung von Forschungsprojekten erstreckten sich die vielfältigen Aktivitäten auf die Realisierung zahlreicher internationaler Tagungen und Workshops, die Entwicklung und Festigung internationaler Forschungskooperationen, die Erstellung verschiedener Publikationen und Dokumentationen und insbesondere den Ausbau eines sehr integrativen Frauennetzwerkes in Forschung und Praxis. Ein wichtiger Aspekt seit den achtziger Jahren wurde die kritische Begleitung der Positionierung von Frauen in der bi- und mulitnationalen Entwicklungszusammenarbeit.

Die Konfrontation mit sozialen und politischen Entwicklungen und die kritische Auseinandersetzung mit den sozial- und kulturwissenschaftlichen Diskussionen über und in Lateinamerika bot weiterführende Anregungen, um neue Forschungsansätze und Methoden für die Geschlechterforschung zu entwerfen, die auch eine kritische Reflektion der eigenen Wissenschaftstradition angeregt haben. Die Ergebnisse der zahlreichen empirisch ausgerichteten Studien trugen zudem nicht nur dazu bei, komplexe strukturelle gesellschaftliche Veränderungen in außereuropäischen Ländern zu erfassen, sondern zugleich die interkulturellen Phänomene in der deutschen Gesellschaft besser nachvollziehen zu können.

Zugleich hat sich Renate Rott stets in ungewöhnlicher Weise für die wissenschaftliche Betreuung von frauen- und genderbezogenen Arbeitsthemen sowie für die Förderung von Studentinnen und Nachwuchswissenschaftlerinnen, insbesondere auch aus außereuropäischen Ländern, eingesetzt. Dies tat sie nicht nur im Rahmen ihres wissenschaftlichen, sozialen und kulturellen Engagements als Hochschullehrerin, sondern auch dadurch, dass sie sich hochschulpolitisch in und außerhalb der Universität für die Etablierung der Frauenförderung und der Geschlechterforschung einsetzte und als Mitglied verschiedener Auswahlkommissionen von Fördereinrichtungen und Stiftungen aktiv war und ist.

Die Laudatio hielt Prof. Dr. Marianne Braig (Politikwissenschaftlerin).