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In silico statt in vivo (Zuse-Institut Berlin)

Eine Möglichkeit die Zahl der Tierversuche stark zu reduzieren sind sogenannte in-silico-Experimente. In der Wirkstoffforschung und der Risikobewertung von Chemikalien werden sie bereits eingesetzt. Der Grundgedanke hinter solchen Computersimulationen, wie sie der Bioinformatiker Dr. Marcus Weber am Zuse-Institut Berlin entwickelt, ist ein Analogieschluss: ähnliche chemische Substanzen wirken auch ähnlich auf bestimmte Rezeptoren im Gewebe.

Analogieschlüsse lassen sich auf verschiedenen Ebenen ziehen: Haben die Moleküle ähnliche chemische Formeln? Besitzen sie ähnliche Atomgruppen? Haben sie eine ähnliche 3D-Struktur? Gleiches gilt auch für die Rezeptoren. „Anhand bestimmter Proteinbausteine bekannter Rezeptoren können wir auf Struktur und Verhalten noch wenig erforschter schließen“, sagt Weber.

Für die Entwicklung der mathematischen Modelle nutzen die Bioinformatiker umfangreiche Datensätze von zahlreichen Substanzen, die bereits ausführlich getestet worden sind. Darunter Daten aus Tierversuchen, in-vitro-Tests, sowie physikalisch-chemische Parameter der Moleküle wie etwa Röntgenstrukturanalysen.

Je mehr Informationen vorhanden sind, desto genauer ist auch die Vorhersage. Mit gut trainierten Simulationen lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar die Wirkung von Substanzen vorhersagen, die erst auf dem Papier existieren und noch gar nicht synthetisiert worden sind. Die Programme benötigen dafür lediglich die chemische Strukturformel des fraglichen Moleküls. Neben der Wirkung von Substanzen lässt sich inzwischen auch deren Abbauprozess im Körper simulieren.

Moleküle, die im in-silico-Experiment „durchfallen“ sind mit hoher Wahrscheinlichkeit unwirksam oder gar toxisch. Ein Tierversuch und auch die Synthese erübrigen sich dann in den meisten Fällen.