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Grabrede für Rudi Dutschke von Prof. Helmut Gollwitzer

24.02.2021

Grabrede für Rudi Dutschke, Seite 1

Grabrede für Rudi Dutschke, Seite 1
Bildquelle: Freie Universität Berlin, Universitätsarchiv, Nachlass Gollwitzer, Sig. 19

Grabrede für Rudi Dutschke, Seite 2-3

Grabrede für Rudi Dutschke, Seite 2-3
Bildquelle: Freie Universität Berlin, Universitätsarchiv, Nachlass Gollwitzer, Sig. 19

Zu lesen ist hier die Grabrede, welche Prof. Dr. Helmut Gollwitzer am 3. Januar 1980 auf dem St.-Annen-Friedhof in Berlin-Dahlem für Rudi Dutschke hielt. Die Rede illustriert das gute und freundschaftliche Verhältnis zwischen Rudi Dutschke und dem Theologen Helmut Gollwitzer.

Rudi Dutschke war ein aktiver Marxist und spielte als promi­nenter Repräsentant des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), der Motor der 68er Stu­dentenbewe­gung deutschlandweit war, eine herausragende Rolle, nicht nur bei der poli­ti­schen Ausrich­tung des Verbandes, sondern auch bei der Planung und Realisierung von Protestak­tio­nen und der Implementierung von Diskursen und wurde so zur Galionsfigur der Studentenbewegung. In der aufgeheizten Stimmung des Jahres 1968 waren die politischen Lager verhärtet. Vor allem die Springerpresse, insbesondere die Bild-Zeitung, hetzte gegen Rudi Dutschke und andere politisch links ausgerichteten Studierenden. Am 11. April 1968 wurde Dutschke von Josef Bachmann durch drei Schüsse lebensgefährlich verletzt. Bachmann, den ein Hass auf die politisch links orientierte Szene antrieb, hatte Kontakte zur Neonazi-Szene. Elf Jahre später erlitt Dutschke einen epileptischen Anfall in Folge der durch das Attentat verursachten Hirnverletzungen.

Helmut Gollwitzer war von 1957 bis 1975 als Professor am Institut für evangelische Theologie an der FU Berlin tätig. Zur Zeit des Dritten Reiches engagierte er sich als Mitglied der Bekennenden Kirche. Er war Theologe mit liberaler Haltung und trat für die Ökumene ein. Außerdem war Gollwitzer Sozialist; eine zumindest aus heutiger Sicht besondere Haltung für einen Theologen. Um dieses Spannungsfeld geht es auch in der Grabrede. Gollwitzer spricht hier von Gott als einem, der es gut meint mit den Menschen. Auf der folgenden Seite heißt es dann: „Weil das Evangelium von dem Gott spricht, der es gut mit allen Menschen meint, deshalb war es ihm [Rudi Dutschke] wichtig, dass Christentum und Sozialismus zusammengehören, ursprüngliches Christentum und ein Sozialismus, der es gut meint mit den Menschen.“

Helmut Gollwitzer greift im weiteren Verlauf seiner Rede auch die Trauer der Angehörigen auf und versucht zu trösten. Gollwitzer gibt zu, dass Gott die entstandene Lücke im Leben der Beteiligten nicht schließen könne. Er plädierte dafür, gerade daraus Trost zu schöpfen, dass die durch den Tod Dutschkes entstandene Lücke unausgefüllt bliebe, denn durch sie blieben die Angehörigen und Freunde mit dem Toten verbunden – dies helfe, die alte Gemeinschaft zu bewahren.

Wer mehr nachlesen möchte: Der Teilnachlass Gollwitzer ist nun zugänglich und liegt vollständig erschlossen vor. Hier finden sich Dokumente zu Gollwitzers Überlegungen zur Reformierung des Abendmahls (Arnoldshaimer Thesen), zur Theologie und zu politischen Betätigungsfeldern (wie beispielsweise seine Vermittlerrolle während der Studentenproteste an der FU). Der Teilnachlass enthält wie auch die Bestände des APO-Archivs eine Reihe von Dokumenten (Aktenschriftstücke, Tonaufzeichnungen, Plakate, Fotos) über Rudi Dutschke, den SDS und die politischen Aktionen der Studentenbewegung, die Sie gern im Lesesaal des Archivs einsehen können.