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"Staatsfolter" im Stammheim? Ein wirksamer Mythos der Roten Armee Fraktion

Prof. Dr. Dieter Gosewinkel

Am 18. Oktober 1977, wurden drei führende Mitglieder der Roten Armee Fraktion, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, tot in ihren Zellen der Justizvollzugsanstalt Stammheim aufgefunden. Eine vierte inhaftierte Terroristin, Irmgard Möller, überlebte, schwer verletzt, die „Todesnacht von Stammheim.“ War dies der endgültige Beweis für die staatliche Misshandlung, schließlich gar Ermordung der inhaftierten Terroristen durch den Staat?

Seit Jahren kursierte in Unterstützerkreisen der RAF und erheblichen Teilen einer kritischen Öffentlichkeit der Verdacht, im Stuttgarter Gefängnis werde "Staatsfolter" verübt, die nunmehr im "Staatsmord" kulminiert sei. Diese Erzählung vom staatlichen Terror gegen „politische Gefangene“ wurde in den Augen der Kritiker zur historischen Wahrheit und diese Wahrheit zur Waffe. Bereits vor der Stammheimer Todesnacht hatte der Vorwurf der „Isolationsfolter“ der RAF viele Sympathisanten zugeführt, danach wurde das tief erschütterte Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik zu einem überaus wirksamen Instrument der Rekrutierung und Mobilisierung weiterer Generationen im terroristischen Kampf.

Der Vortrag geht der Entstehung des Verdachts und des Mythos der „Staatsfolter“ nach und rekonstruiert seine Verwendung als Waffe im politischen Meinungskampf, die über Jahrzehnte hinweg eine Spur der Gewalt durch die Geschichte der Bundesrepublik zog.