Springe direkt zu Inhalt

Rumäniens Frontwechsel im August 1944. Zur mehrmaligen Umdeutung der Akteure

PD Dr. Mariana Hausleitner

Die Armee Rumäniens kämpfte zwischen 1941 und 1944 an der Seite der Wehrmacht und verlor bei den Kämpfen in Stalingrad Anfang 1943 einen größeren Teil ihrer Truppen. Im August 1944 wollte der Staatsführer Marschall Antonescu die Rote Armee im Karpatenbereich aufhalten. Seine Festnahme verhinderte, dass Rumänien in ein Schlachtfeld verwandelt würde. Die Wehrmacht verteidigte noch einige Tage erfolglos den Zugang zu den rumänischen Ölquellen und war danach in ihrer Mobilität sehr geschwächt. Durch den Umsturz erreichte die Rote Armee innerhalb weniger Tage kampflos die Grenze Bulgariens und stellte den Kontakt mit Titos Volksbefreiungsarmee her. Seit September beteiligten sich Einheiten der rumänischen Armee an der Seite der Roten Armee am Sturz der rechtsradikalen Regierungen in Ungarn und der Slowakei.

Wer hatte es in Rumänien trotz der Anwesenheit deutscher Militäreinheiten gewagt den Regimewechsel einzuleiten? Aus welchen Kreisen kamen die Organisatoren des Umsturzes? Diese Fragen wurden und werden von Historikern recht unterschiedlich beantwortet. In Rumänien wurden in jeder Geschichtsphase andere Akteure des Umsturzes in den Vordergrund gestellt. Im Stalinismus feierte man den 23. August mit Aufmärschen als „Tag der Befreiung vom faschistischen Joch“ und die Rolle der Roten Armee stand im Vordergrund. Im Nationalkommunismus nach 1967 war von einem Volksaufstand unter Führung der rumänischen Kommunisten die Rede. Unmittelbar nach 1990 betonten einige Historiker besonders die Rolle des jungen Königs und seiner militärischen Berater. Andere stellten den abgesetzten Marschall Antonescu als letztes Bollwerk gegen die Bolschewisierung dar. Im Vortrag werden im ersten Teil Ergebnisse präsentiert, die auf Dokumenten beruhen, die in den letzten Jahren publiziert wurden. Sie stammen von Akteuren des Umbruchs, von denen viele lange in kommunistischen Gefängnissen saßen. Im zweiten Teil geht es um die verschiedenen Interpretationen des Umsturzes.