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Freiheit als Gründungsimpuls

Die Freie Universität verstand sich von Anfang an als eine Hochschule in der Demokratie.

Karol Kubicki, der erste eingeschriebene Student der FU mit der Matrikelnummer 1

Karol Kubicki, der erste eingeschriebene Student der FU mit der Matrikelnummer 1
Bildquelle: N.N. / Universitätsarchiv der Freien Universität, Fotosammlung

Mit der Beteiligung von Studierenden an der akademischen Selbstverwaltung war sie zugleich die erste Reformuniversität in Deutschland. Ihre Entwicklung von der Halbstadt- zur Hauptstadtuniversität vollzog sich im unmittelbaren Spannungsfeld des Ost-Westkonfliktes. Von den materiell ungesicherten Nachkriegsjahren und der Wiederaufbauzeit bis zu den Studentenunruhen Ende der 60er Jahre blieb sie ein Ort grundlegender Auseinandersetzungen um gesellschafts- und hochschulpolitische Zukunftsfragen.

Der Gründungsimpuls für die Freie Universität ging 1948 vor allem von Studierenden aus, die sich nach den bitteren Erfahrungen der nationalsozialistischen Diktatur für Freiheit und Demokratie engagierten und die neuerliche Gleichschaltung ihrer Universität Unter den Linden ablehnten. Dank der Unterstützung von deutscher und amerikanischer Seite konnte die Freie Universität zu einer Hochschule von internationalem Rang ausgebaut werden. Repräsentanten des geistigen und wissenschaftlichen Lebens aus vielen Teilen der Welt kamen und kommen als Gäste und Freunde nach Dahlem.

Nach der Wiedervereinigung ergab sich eine völlig neue Situation: In den neunziger Jahren erfolgten durch den Hochschulstrukturplan des Landes Berlin Einsparungen von einer Milliarde Mark. Die Freie Universität verband den unerlässlichen Rückbau mit einer verstärkten Leistungsorientierung in Lehre und Forschung und dem Ausbau zukunftsorientierter und international konkurrenzfähiger Wissenszentren und Kooperationen.

Ein Blick auf die einzelnen Kapitel der Geschichte der Freien Universität zeigt deutlich die enge Verknüpfung der Universität mit der politischen Geschichte des geteilten und wiedervereinigten Berlin.

Die Gründung der Freien Universität

Die ehemalige Friedrich-Wilhelms-Universität wurde 1946 als Universität Berlin neu eröffnet. Sie unterstand der der ostzonalen Zentralverwaltung für Volksbildung und war damit eine nachgeordnete Dienststelle ohne akademische Selbstverwaltung. In den folgenden zwei Jahren gerieten zahlreiche Studierende, aber auch einige Lehrkräfte, die sich einer kommunistischen Formierung der Universitätsausbildung widersetzten, mit der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED in Konflikt. Es kam zu Verhaftungen und Verurteilungen von Studentenvertretern.

Als im April 1948 die Studenten Otto Stolz (SPD), Otto Hess (SPD) und Joachim Schwarz (CDU) wegen einiger kritischer Glossen in der Studentenzeitschrift “Colloquium“ vom Studium ausgeschlossen wurden, löste dies eine breite Protestbewegung aus. Otto Stolz forderte auf einer Kundgebung vor 2000 Studierenden die Gründung einer freien Universität in den Westsektoren Berlins. Zum Wintersemester 1948/49 nahm die Freie Universität in Dahlem mit 491 Studentinnen und 1649 Studenten ihren Lehrbetrieb auf.

Erste Jahre

Auf dem Flughafen Tempelhof übergibt Paul G. Hoffman, Präsident der Ford Foundation, dem Rektor der Freien Universität, Freiherr von Kreß, die erste Sendung von 20.000 Büchern, die die American Brotherhood insgesamt sammeln wird.

Auf dem Flughafen Tempelhof übergibt Paul G. Hoffman, Präsident der Ford Foundation, dem Rektor der Freien Universität, Freiherr von Kreß, die erste Sendung von 20.000 Büchern, die die American Brotherhood insgesamt sammeln wird.
Bildquelle: Remus © Tagesspiegel Freie Universität Berlin, Universitätsarchiv

Wie überall in West-Berlin war im Blockadewinter 1948/49 auch an der Freien Universität die materielle Lage katastrophal. Die gesamte Infrastruktur musste neu errichtet werden. Die in Dahlem gelegenen Institute der ehemaligen Friedrich-Wilhelms-Universität sowie die von der Max-Planck-Gesellschaft zur Verfügung gestellten Gebäude der früheren Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft boten nicht ausreichend Platz. Lehrende und Lernende legten viel Improvisationsgeschick und Eigeninitiative an den Tag, um das akademische Leben in Gang zu bringen. Aus dem ganzen Stadtgebiet wurden zum Teil auf Handwagen Möbel- und Bücherspenden nach Dahlem geholt.

Der Gründungsaufruf der Freien Universität versprach, jede Studentin und jeder Student könne hier frei und ohne Propaganda die eigene Persönlichkeit entwickeln, jede Dozentin und jeder Dozent ohne Bindung an eine parteipolitische Doktrin lehren und forschen. Gleichwohl wurden Schlagende Verbindungen wegen ihrer antisemitischen Vergangenheit an der Freien Universität nicht als studentische Vereinigungen zugelassen. Die Studentenschaft nahm erstmalig mit Sitz und Stimme an der akademischen Selbstverwaltung einer deutschen Universität teil. Mit diesem „Berliner Modell“ war die Freie Universität die erste Reform-Universität Deutschlands.

Das Provisorium etabliert sich

Besprechung des Vorsitzenden des Kuratoriums der Freien Universität, Oberbürgermeister Ernst Reuter, mit dem Kurator der Freien Universität, F. von Bergmann, und den Mitgliedern des AStA, D. Spangenberg, G. Grinke, D. Knust und H. Coper.

Besprechung des Vorsitzenden des Kuratoriums der Freien Universität, Oberbürgermeister Ernst Reuter, mit dem Kurator der Freien Universität, F. von Bergmann, und den Mitgliedern des AStA, D. Spangenberg, G. Grinke, D. Knust und H. Coper.
Bildquelle: Freie Universität Berlin, Universitätsarchiv

In den 50er Jahren entwickelte sich die Freie Universität zu einer international angesehenen Hochschule. Renommierte Lehrkräfte wurden berufen, viele von ihnen kehrten aus der Emigration zurück, zahlreiche neue Institute entstanden.

Die Finanzierung des Ausbaus beruhte auf Haushaltsmitteln Berlins, des Bundes sowie auf Zuschüssen aus den USA. Bis 1967 erhielt die Freie Universität insgesamt 79,5 Millionen Mark aus Mitteln des State Departments und 16,6 Millionen Mark von der Ford Foundation. Diese Summen unterstützten insbesondere zahlreiche Neubauten (Henry-Ford-Bau, Bibliothek, Mensa) und Institutsgründungen (Osteuropa-Institut). Darüber hinaus wurden die Einführung des an deutschen Universitäten bis dahin unbekannten Tutoren-Modells und Einladungen bedeutender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Gastvorlesungen gefördert.

Schon innerhalb des ersten Jahres erhöhte sich die Zahl der Studierenden von 2 140 auf 4 946. Etwa die Hälfte kam aus West-Berlin, ein Drittel aus Ost-Berlin oder der DDR, die übrigen aus der Bundesrepublik und dem Ausland. Im Wintersemester 1961/62 immatrikulierten sich 12 843 Studierende an der Freien Universität. Ihr politisches Engagement in den 50er und frühen 60er Jahren richtete sich sowohl gegen den Einfluss ehemaliger Nationalsozialisten in Staat und Gesellschaft als auch gegen die kommunistische Diktatur in der DDR.

Die Freie Universität im Ost-West-Konflikt

Ein Student bei der Versendung von Lebensmittelpaketen an Studierende der Ostzone. Im Hintergrund ein Propagandaplakat des „Befreiungskomitees für die Opfer totalitärer Willkür“, 1952.

Ein Student bei der Versendung von Lebensmittelpaketen an Studierende der Ostzone. Im Hintergrund ein Propagandaplakat des „Befreiungskomitees für die Opfer totalitärer Willkür“, 1952.
Bildquelle: Klaus Lehnartz / Landesarchiv Berlin

Studierende aus Ost-Berlin und dem Berliner Umland gehörten von Anfang an zum Universitätsalltag der Freien Universität. Besondere Lehrbuch- und Kleidersammlungen für „Oststudierende“ wurden organisiert, Mittel für Stipendien bereitgestellt. Zeitweilig konnten Studierende aus der sowjetischen Besatzungszone sogar die schwache Ostwährung im Verhältnis 1:1 gegen D-Mark umtauschen. Trotz massiver SED-Propaganda gegen die „Westberliner NATO-Universität“ und den „politisch-reaktionären Charakter der Freien Universität“ blieb der Dahlemer Campus für junge DDR-Bürgerinnen und -Bürger ein attraktiver Studienort.

Zu einem dramatischen Einschnitt kam es mit dem 13. August 1961. Der Bau der Berliner Mauer trennte diese Studierenden von ihrer Ausbildungsstätte. Hunderte ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen aus dem Westteil der Stadt beteiligten sich in der Folgezeit an Fluchthilfeaktionen. Viele von ihnen wurden durch Informanten des DDR-Staatssicherheitsdienstes verraten. Gegen sie verhängte die SED-Justiz hohe Zuchthausstrafen.

Mit dem Beginn der Entspannungspolitik nahm die Freie Universität Verbindung zu osteuropäischen Universitäten auf. Schon 1968 kam es zu einer ersten Partnerschaft mit der damaligen Shdanow-Universität Leningrad.

Protestjahre

Seit Mitte der 60er Jahre formierten sich in den USA und Westeuropa studentische Protestbewegungen. So auch an der Freien Universität: Hier kam es im Juni 1966 zum ersten „sit-in“ an einer deutschen Universität. Im Henry-Ford-Bau protestierten über 3000 Studierende gegen die an der juristischen und medizinischen Fakultät der Freien Universität geplante “Zwangsexmatrikulation“ von Langzeitstudierenden. Nach zehnstündiger Diskussion forderte die Versammlung in einer Resolution den „Abbau oligarchischer Herrschaft und die Verwirklichung demokratischer Freiheit in allen gesellschaftlichen Bereichen“. Protestformen aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung wie „sit-in“ und „teach-in“ gehörten bald zum Alltagsgeschehen an westdeutschen Universitäten.

Am 2. Juni 1967 wurde der Student Benno Ohnesorg während einer Demonstration gegen den Besuch des persischen Kaisers Schah Reza Pahlewi von einem Berliner Zivilpolizisten erschossen. In den darauf folgenden Monaten entwickelt sich die Freie Universität zu einem Zentrum der „antiautoritären Studentenbewegung“, deren zunächst diffuse Kritik am „Establishment“ sich mit dem Entstehen der „Außerparlamentarischen Opposition“ (APO) im Jahr 1968 zu einer grundsätzlichen Ablehnung des bestehenden Gesellschaftssystems verfestigte.

Die 70er und 80er Jahre

Flure und Foyers der Universität dienen als Forum der Meinungsäußerung und Diskussion, um 1977.

Flure und Foyers der Universität dienen als Forum der Meinungsäußerung und Diskussion, um 1977.
Bildquelle: Reinhard Friedrich / Freie Universität Berlin, Universitätsarchiv

Die Außerparlamentarische Opposition zerfiel nach dem Attentat auf Rudi Dutschke in zahlreiche sich bekämpfende Fraktionen. Aktivistische Splittergruppen (Rote Zellen, K-Gruppen), die einen revolutionären Umsturz des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland anstrebten, gewannen an der Freien Universität viele Anhänger. Vorlesungsstreiks und Kampagnen gegen einzelne Lehrende sowie Auseinandersetzungen mit Polizeieinheiten, die in mehreren Instituten die Aufrechterhaltung des Lehrbetriebes sicherten, bestimmten nun das Erscheinungsbild. Die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden existierte nicht mehr.

In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre verdreifachte sich die Zahl der Studierenden, die Freie Universität wurde zur Massenuniversität. Der „Radikalenerlaß“ und eine Verschlechterung der Studienbedingungen führten immer wieder zu studentischen Protesten. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen und einer staatlichen Überregulierung der Universitätsausbildung erlebte die Freie Universität zu Beginn der achtziger Jahre eine Phase der Konsolidierung. Die durch jahrelange Unterfinanzierung entstandene kritische Lage führte 1988/89 zu mehrwöchigen Protestaktionen der Studentenschaft.