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Hauptseminar
SoSe 23: Kilimandscharo-Bilder. Koloniale und postkoloniale Imaginationen in der deutschsprachigen Literatur
Robert Walter-Jochum
Kommentar
Am 6. Oktober 1889 haben sie es geschafft. Die deutschen Bergsteiger Hans Meyer und Ludwig Purtscheller sind sich sicher, dass ihnen Historisches gelungen ist, was Ersterer in einem Bericht seines nach zwei erfolglosen Versuchen endlich glückenden Abenteuers in Ostafrika betont: „Ich pflanzte auf dem verwitterten Lavagipfel mit dreimaligem, von Herrn Purtscheller kräftig sekundiertem ‚Hurra‘ eine kleine, im Rucksack mitgetragene deutsche Fahne auf und rief frohlockend: ‚Mit dem Recht des ersten Ersteigers taufe ich diese bisher unbekannte, namenlose Spitze des Kibo, den höchsten Punkt afrikanischer und deutscher Erde: Kaiser-Wilhelm-Spitze.‘“ Das Bezwingen des widerständigen Gletscher-Gipfels hat ganz offensichtlich nationale Bedeutung: Denn der koloniale Arm der deutschen Nation, die hier aktiv ist, reicht nun sogar bis zum Kilimandscharo, dessen „Erstbesteigung“ sich der Leipziger Geograph und der Salzburger Alpinist sichern – Ausdruck der markanten kolonialen Borniertheit, eine Bergbesteigung sei erst dann relevant, wenn weiße* Europäer sie vornähmen.
Der Kilimandscharo wird in der Folge zu einem Knotenpunkt kolonialer Imaginationen, denen wir im Seminar nach einer Einführung in postkoloniale und erinnerungsbezogene Theorieansätze in einem ersten Schritt nachgehen wollen. Neben Meyers „Ostafrikanischen Gletscherfahrten“ (1900) ist hier auch ein Blick auf die (Mit-)Begründerin des deutschsprachigen Kolonialromans Frieda von Bülow instruktiv („Im Lande der Verheißung“, 1899; „Ostafrikanische Novellen“, 1891). Im zweiten Teil des Seminars wird es uns darum gehen, die Entwicklung des „kolonialen Erinnerungsorts“ Kilimandscharo in neueren Texten im Spannungsfeld post- und neokolonialer Ideen zu verorten – diskutiert werden sollen etwa der Weltverschwörungsroman „Metan“ von Christian Kracht und Ingo Niermann (2007), Christof Hamanns postkolonialer Geschichtsroman „Usambara“ (2007), Arnold Stadlers Reisebericht „Am siebten Tag flog ich zurück“ (2021) und Matthias Polityckis identitätspolitischer Roman „Das kann uns keiner nehmen“ (2020).
Zur Vorbereitung und Einführung empfohlen:
Jürgen Zimmerer (Hg.): Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte. Frankfurt/New York: Campus 2013. Darin: ders.: Einleitung (S. 9–38) und Christof Hamann/Alexander Honold: Der Kilimandscharo (S. 81–95; mit VPN-Verbindung auch über Primo verfügbar).
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14 Termine
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Di, 18.07.2023 10:00 - 12:00