SoSe 23: Theatrale Interventionen
Doris Kolesch
Kommentar
Fragen der Rolle und Relevanz des Theaters und der performativen Künste werden in jüngster Zeit häufig als Anspruch auf gesellschaftliche Wirksamkeit formuliert: Aufführungen sollen – im Selbstverständnis vieler Theaterschaffenden und Performer*innen ebenso wie im Urteil zahlreicher Forschenden – soziale Prozesse verändern, sich in politischen Konfliktlagen positionieren oder in sie eingreifen und Öffentlichkeiten adressieren bzw. sie überhaupt erst (mit-)hervorbringen. Participatory Art, Climate Change Art oder auch zahlreiche Formen von Artivism – also dem Kofferwort aus Aktivismus und Kunst – seien hier nur exemplarisch genannt für diese aus den Künsten selbst kommende wie auch zugleich an sie herangetragenen Ansprüche auf gesellschaftliche Wirksamkeit. Zur Beschreibung dieses Verhältnisses von (theatraler bzw. performativer) Kunst und Gesellschaft wird immer öfter der Begriff der Intervention verwendet.
Vor diesem Hintergrund möchte das Seminar zum einen das Potential und die Reichweite des Interventionsbegriffes für Theater/Performance und Theaterwissenschaft erkunden. In der Lektüre und Auseinandersetzung mit theoretischen Überlegungen zu Intervention (aber auch angrenzenden Konzepten wie Engagement, Kritik etc.) werden wir u.a fragen: Intervention kommt von lateinisch inter-venire, wörtlich dazwischentreten – wer bzw. was tritt hier eigentlich wohinein ein oder wo dazwischen? Ist das ein räumliches, ein zeiträumliches Verhältnis oder beides? Wie geprägt, ja eventuell sogar belastet ist der Begriff durch seine militärischen, seine therapeutischen, politischen und juristischen Bedeutungen und Konnotationen, und was heißt dies für eine Anwendung im Feld der Künste? Müssen Interventionen immer als disruptiv, ver-störend, unterbrechend gedacht werden oder können auch andere Formen von Intervention beschrieben werden? Gibt es eine Ästhetik oder auch Poetik der Intervention? Und in welche Öffentlichkeiten interveniert Theater oder Performance?
Zum anderen wird ein maßgeblicher Teil des Seminars der Untersuchung ausgewählter Formen künstlerischer Intervention in verschiedensten Bereichen und Situationen gewidmet sein – diese Untersuchungen werden von Studierenden in Kleingruppen eigenständig an einem Gegenstand/einem Kunstereignis/einer Künstler*innengruppe/einer Situation ihrer Wahl durchgeführt. Das Spektrum der zu erforschenden Interventionen ist dabei sehr weit: Visuelle, sonische, körperliche oder auch olfaktorische Interventionen ebenso wie eher konzeptuell orientierte Arbeiten, Interventionen von Einzelnen oder auch von Kollektiven, aktuelle Formen von Intervention ebenso wie historische.
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