Das Schauspiel trägt wesentlich zur Faszinationskraft von Filmen bei und doch hat es in der filmwissenschaftlichen Theoriebildung und Analyse lange eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Behauptung der frühen Filmtheorie, dass das Schauspiel im Film eher ein Effekt der Technik sei als eine individuelle Leistung, erscheint heute angesichts immer verfeinerter digitaler Postproduktion aktueller denn je. Theorien der Mise en scène wiederum schreiben die Gestaltung und Wirkung eines Films ausschließlich der Handschrift eines Autors (seltener auch einer Autorin) zu, der (die) in der filmischen Form ihrer individuellen Haltung und Weltsicht Ausdruck verleihe. Auf der anderen Seite befassen sich Studien zum Filmschauspiel häufig mit verschiedenen Schauspieltechniken, mit der kulturellen Bedeutung von Starimages oder mit herausragenden Schauspielerpersönlichkeiten – ohne dabei die konkrete filmische Gestaltung in den Blick zu nehmen.

Das Seminar wird sich daher der Wechselwirkung von Mise en scène und Schauspiel widmen. Anhand von vier Filmen aus unterschiedlichen historischen Kontexten befassen wir uns mit der Frage, wie sich das filmische Schauspiel analysieren und theoretisch begründen lässt, wobei wir die Produktion und Rezeption ins Auge fassen. Wie lassen sich Filme als Ergebnisse von intersubjektiven Produktionsprozessen begreifen, in denen menschliche Beziehungen, technische und kulturelle Ordnungen ineinandergreifen? Wie können die Ausdruckskraft und Wirkung des Filmschauspiels – in Hinblick auf Körperlichkeit, Gefühle, Imagination und Sinngebung untersucht werden? Welche unterschiedlichen Strategien der Schauspielarbeit – zwischen Individuum und Rolle – gibt es? Inwiefern sind Mimik, Gestik und Bewegung gleichermaßen ein Produkt menschlicher Ausdruckskraft wie auch filmischer Ästhetik? Und welche Rolle spielen dabei die sozialen Formen menschlichen Verhaltens? Wir werden uns diesen Fragen im Dialog mit Theorien der Mise en scène, des Schauspiels und des Spiels widmen.