SoSe 23  
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16057g Seminar

SoSe 23: Heuchelei

Valentin Beck

Kommentar

Heucheleivorwu¨rfe sind im privaten und öffentlichen Umgang weit verbreitet. Weniger klar ist jedoch, welchen Stellenwert das angekreidete Phänomen genau besitzt und was an ihm eigentlich problematisch ist und warum. Diejenigen, die Kritik an Heuchelei äußern, stören sich offenbar an einer fehlenden Konsistenz von Akteuren, aber nicht zwangsläufig an mit dieser zusammenhängenden Normverletzungen. Die philosophische Auseinandersetzung mit Heuchelei ist ein lohnendes Unterfangen, da dieses Phänomen sehr facettenreich ist und in verschiedenen sozialen Kontexten (in Politik, Markt und Zivilgesellschaft) auftritt. Sowohl die begriffliche Eingrenzung von Heuchelei als auch deren systematische Bewertung erweist sich bei genauer Betrachtung als schwierig. Die Schwierigkeiten beginnen schon damit, dass es keine Definition von Heuchelei gibt, die allgemein anerkannt ist. Der vergleichsweise häufig zitierten Definition aus dem Oxford English Dictionary zufolge liegt Heuchelei dann vor, wenn Akteure in ihrem Handeln „unter Verschleierung des wahren Charakters oder der tatsächlichen Neigung eine falsche Erscheinung von Tugend oder Gu¨te annehmen [...]“ (im engl. Original: „[…] assuming a false appearance of virtue or goodness, with dissimulation of real character or inclination […]”). Schon diese erste Begriffsbestimmung wirft eine Reihe von Fragen auf. Handelt es sich bei Heuchelei nur um bewusste oder auch um unbewusste Verstellung? In welchen Modi der deskriptiven oder präskriptiven Rede (wie u.a. in moralischen Vorwürfen) kann sich Heuchelei bzw. „Doppelmoral“ äußern? Ist Heuchelei immer moralisch problematisch, oder gibt es auch harmlose Formen – etwa analog zu den sogenannten „weißen Lügen“? In diesem Seminar geht es in der Auseinandersetzung mit neueren Texten darum, wie Heuchelei genau charakterisiert werden kann, welche unterschiedlichen Formen sie annehmen kann und welche Ansätze für deren Bewertung es gibt. wichtiger Hinweis: Alle in diesem Kurs zu behandelnden Primärtexte sind in englischer Sprache verfasst, zu denen mit Ausnahme des Essays von Shklar keine deutschen Übersetzungen vorliegen. Die Bereitschaft und Befähigung zur Lektüre englischsprachiger philosophischer Texte ist daher Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme am Seminar. Lektüre zur Einführung: Judith N. Shklar, “Let us not be hypocritical”, in: dies.: Ordinary Vices. Cambridge/MA: Belknap Press 1984, S. 45-86. Dt. Übersetzung: “Seien wir keine Heuchler” (2014), in: dies.: Ganz normale Laster. Berlin: Matthes & Seitz 2014, S. 57-102. Schließen

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